24. Juni 2012

„Terra deserta“?

Der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e.V. Heidelberg (AKSL) wurde am am 3. Januar 1962 gegründet. Seinem 50-jährigen Bestehen war eine Festveranstaltung beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen am 26. Mai in Dinkelsbühl gewidmet. Ein Grußwort seitens der Bundesregierung übermittelte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium und Beauftragte der Bundesregie­rung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Christoph Bergner (CDU). „Euro­pa braucht die kulturelle Kraft der Siebenbürger Sachsen“, sagte Bergner und verwies auf den partnerschaftlichen Auftrag der Bundesregierung und der Siebenbürger Sachsen, dieses bedrohte Erbe zu erhalten. Die Siebenbürgische Kantorei unter der Leitung von Ilse Maria Reich, das Bläserquartett Fuss und Joseph Ott an den Pauken umrahmten die Feier in der St. Paulskirche mit einem niveauvollen Programm. Die Kulturveranstaltungen des Heimattages wurden aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Frauen gefördert. In dem Festvortrag „,Terra deserta‘ – kritische (Selbst)Überprüfung der Geschichtsbilder in und über ­Siebenbürgen“ spannte Dr. Ulrich Wien, Vorsitzender des AKSL, einen wissenschaftlich fundierten Bogen von der Ansiedlung westlicher Siedlergruppen im Hochmittelalter über das Thema Freiheit und Gleichheit bis hin zur Bedeutung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde. Dr. Ulrich Wiens Vortrag wird im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben.
Vor ungefähr 870 Jahren kamen die ersten „hospites“ aus der Maas- und Moselgegend in die Landschaft des heutigen Hermannstadt als Siedler. Es wurde ihnen, den eingeladenen „Gästen“ (hospites), vom König ein Gebiet zugewiesen, das in der Sprache der damaligen Urkunden „terra deserta“ genannt wurde. Der lateinische Ausdruck kann als „wüstes Land“ oder als „Wildnis“ übersetzt werden. Und so dachten später die „Flandrer am Alt“, es sei ihnen ein noch völlig unerschlossenes und unkultiviertes Stück Land übertragen worden. In ihm sei „keiner Knecht und keiner Herr“ gewesen, sondern alle gleich-berechtigt, eben mit Privilegien des Königs Géza (Geysa) II. ausgestattet worden.

Nicht zuletzt durch die Forschungen des Vereins für siebenbürgische Landeskunde und seines Nachfolgers, des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, sind diese Geschichtsbilder infrage gestellt worden.
Dr. Ulrich Wien während seines Vortrages in ...
Dr. Ulrich Wien während seines Vortrages in Dinkelsbühl. Foto: Lukas Geddert
In vier Schritten gehe ich vor: Zunächst werde ich die Ansiedlung westlicher Siedlergruppen im Hochmittelalter behandeln und dann das Thema Freiheit und Gleichheit aufgreifen. Im dritten Abschnitt stelle ich die Frage, ab wann überhaupt erst von den „Siebenbürger Sachsen“ gesprochen wird, um dann – ausgehend von diesen (selbst)kritischen Fragestellungen – die Bedeutung des „Landeskundevereins“ für den Wandel unseres Selbst- und Fremdbildes herauszustellen.

Erste Frage: War Siebenbürgen eine „Wildnis“, als die Siedler aus dem Westen kamen?

Zieht man die historischen Quellen in ihrer Vielfalt heran – in und aus Siebenbürgen gibt es deren erstaunlich viele (und bereits fast 5000 können heute im Internet schon recherchiert werden) – dann stellt sich die Anfangssituation doch erheblich komplexer dar. Das Land, in dem die „Flandrenses“, also die aus der Großregion Flandern/Mosel Zugewanderten ansässig wurden, war vorher schon besiedelt gewesen. Es war zumindest in Teilen schon bewohnt gewesen und auch beackert worden, und zwar von dem Grenzwächter-Hilfsvolk der Szekler. Dieses Gebiet war jedoch geräumt worden, und die Szekler wurden Richtung Ostkarpaten umgesiedelt, wo sie heute noch in der Mehrzahl leben. Auf die von ihnen aufgegebene Fläche, die „terra deserta“, also das zu dieser Zeit unbesiedelte Fleckchen Erde im Karpatenbecken, wurden die Neuankömmlinge eingeladen. Ihre Aufgabe sollte es sein, als wehrhafte und wehrfähige Bevölkerung und als mobilisierungsfähiges Hinterland für die Grenztruppen der Szekler zur Verfügung zu stehen sowie das Land wirtschaftlich zu erschließen. Das steht dann auch wieder in den Quellen, soll jetzt aber nicht vertieft werden.

Zweites Thema: Waren alle Siedler frei und gleich?

Da waren sie nun, und wie man meinte, bildeten sie eine egalitäre Gesellschaft, in der „keiner Herr und keiner Knecht“ gewesen sei. Wer sich die alten Urkunden anschaut oder in die Ortsgeschichte mancher Gemeinde Einblick nimmt, stellt fest, das war nicht so. Da gab es sogenannte „Gräfen“. Das sind Anführer einzelner Siedlergruppen gewesen, die die Bedingungen ihrer Niederlassung ausgehandelt haben, dann erbliche Dorfschulzen wurden und sich bei Immobilien-, Steuer- oder Militärangelegenheiten als Führungsschicht etabliert haben. Einige Familien stiegen in den Adel auf, was auf den Widerstand der freien Sachsen stieß, die bereits 1292 forderten, dass jene, die nach Art des Adels leben („more nobilium se gerentes“) in der Gruppe keine Sonderrechte wahrnehmen dürfen. Trotzdem haben diese Gräfen auch bei der Besetzung der Ortspfarrstellen entscheidend mitgeredet: Im Rahmen der mittelalterlichen katholischen Kirche haben sie auch die eigene Verwandtschaft mit den zum Teil sehr einträglichen Einnahmen („Pfründen“) der Ortskirchen versorgt. Leider wissen wir zu wenig über diese „Gräfen“, denn zum Leben und Einfluss der Führungsschicht der „Teutones“, der „Flandrenses“ und anderer Gruppen, die nach Siebenbürgen zugewandert sind, besteht noch Forschungsbedarf, den wir aber bald schließen möchten. Das Thema passte nicht so recht ins Geschichtsbild der Siebenbürger Sachsen des 19. Jahrhunderts hinein.

Immerhin ist die Landbevölkerung auf dem Königsboden, also auf dem Gebiet, das rechtlich direkt dem ungarischen König unterstand, ihre Adligen bereits im 15. Jahrhundert doch losgeworden; diese „Gräfen“ haben meist ihren Besitz an die freien Bauerngemeinden verkauft – wie z.B. in Kelling oder Urwegen. Schlug jetzt die Stunde der „Freiheit“?

Die Privilegien aus der Ansiedlungszeit garantierten den Gemeinden das Recht, ihre Gemeindevorsteher und ihre Pfarrer selbst zu wählen. Durften die Gemeinden jetzt ihre Rechte ausüben, als die „Gräfen“ im 15. Jahrhundert von der Bildfläche verschwanden?

Etwas vereinfacht haben Georg Daniel Teutsch und sein Sohn Friedrich das bejaht. In ihrer „Sachsengeschichte“, die in den Jahrzehnten von 1850 bis 1930 entstanden ist, klingt das in etwa so: Ja, ein freies, demokratisch verfasstes Volk im „Land des Segens“ habe sich selbst verwaltet (Geschichte I, 35). Allein, die Fakten, die sie selbst nannten – ergänzt durch andere Quellen, ergeben ein differenziertes Bild. Wichtiger Faktor wurden jetzt die aufkommenden Städte. Diese erstarkten wirtschaftlich durch blühendes Handwerk, Ost- und West-Handel sowie den Bergbau. Die städtischen Wirtschaftseliten bildeten nun die politische Führung der privilegierten Bevölkerungsgruppe des Königsbodens. Unter ihrem Dirigat schlossen sich die Orte 1486 zu einem sächsischen „Städtebund“ zusammen. Dieser Städtebund wurde „Universitas Nationis Saxonicae“ genannt, die „Sächsische Nationsuniversität“ als Gesamtheit aller privilegierten „Sachsen“. Sie war also eine Rechtsgemeinschaft der zusammengewachsenen Siedlergruppen, die auf dem Königsboden wohnten. Alle Gemeinden gleichen Rechts gehörten dazu. – Der Name „Sachsen“ und „sächsisch“ war eine hinzugekommene Fremdbezeichnung. Woher dieser Name kommt, ist unsicher, sein Ursprung ist aber meines Erachtens wohl im mittelalterlichen „sächsischen“ Bergbaurecht zu suchen.

Diese blühenden siebenbürgischen Städte beanspruchten die Führungsrolle in der Sächsischen Nationsuniversität. Die in den Zünften zusammengeschlossenen Handwerker erlaubten keine Konkurrenz in den Märkten oder Dörfern. Auch die Besetzung der Pfarrstellen wurde nun oftmals vom städtischen Patriziat im Voraus entschieden. Da lassen sich Bürgersöhne aus Ratsfamilien nachweisen, die nach einem Universitätsstudium eine gut dotierte Pfarrstelle erhielten. Aus all dem lässt sich schließen: In die frei gewordenen Führungspositionen des nach Art des Adels lebenden Gräfentums drängten die neuen städtischen sächsischen Eliten. Aber deren Einflussnahme wurde nicht als selbstverständlich hingenommen. Das zeigen die Konflikte, die diese „Manipulationen“ oder Machtdemonstrationen auslösten. Das lange gehegte Bild, dass alle Sachsen frei und gleich-berechtigt waren, ist durch die Forschungen inzwischen differenziert und korrigiert worden.

Und auch deshalb brauchen wir die alten Protokolle und Urkunden, weil sie das Ringen um die Freiheit und Selbstbestimmung eindrücklich dokumentieren und zeigen, dass diese Güter: Freiheit und Selbstbestimmung, auch stetig neu erworben und verteidigt werden müssen.

Drittes Thema: Seit wann redet man von „Siebenbürger Sachsen“ als Volk?

Wie sollen wir diese Angehörigen der Rechtsfamilie, des Rechts-Raumes der „Sächsischen Nationsuniversität“ bezeichnen? Sie sprachen „detsch“, doch kamen in die Städte auch viele Fremde. Es waren also die „Deutschen“, wie sie sich selbst nannten, doch dazu gehörten Italiener, Wallonen, Franzosen, Ungarn, Polen und wahrscheinlich noch viele mehr. Die blieben und wurden als neue Stadtbürger integriert. Schon im Mittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit gab es viele prominente Aufsteiger aus diesem Milieu. Mit ihrem Bürgerrecht wurden die aus dem Ausland kommenden Neubürger zu „Sachsen“, denn sie gehörten zur Rechtsfamilie, und haben sich schnell assimiliert. Was war aber mit den untertänigen Gemeinden in den Adelskomitaten (in „Mesopotamien“, dem Gebiet zwischen der Kleinen und Großen Kokel)? Sie sprachen „detsch“, waren sie aber „Sachsen“?

„Ja“, schrieben Vater und Sohn Teutsch – nach 1850. Rechtlich gesehen waren sie es aber nicht, denn die Privilegien der Sächsischen Nationsuniversität hatten für sie (mit Ausnahme kirchlicher Vorschriften) nicht gegolten, denn sie wurden als Untertanen von ungarischen Adligen regiert und repräsentiert. Wir kennen geschichtlich also zwei Arten von Deutschen in Siebenbürgen:

1. diejenigen, deren Sprache gemeinsam war, die „Sächsisch“ sprechende Groß-Gruppe, von der ein Teil als grundhörige Untertanen des ungarischen Adels lebte und deren anderer Teil sich selbst regierte als freie Bauern und Bürger auf dem Königsboden;

2. die kleinere Gruppe, die gemeinsame Rechte hatte, die „Sachsen“, die nach 1486 zu dem „Städtebund“ gehörten und zu der Rechtsfamilie einer Gesellschaft mit „internationaler“ Erbmasse gehörten. Diese Vielfalt hat sogar auf die Dörfer ausgestrahlt: Beklagt sich doch der Kleinpolder Pfarrer Damasus Dürr um 1570 darüber, dass die jungen Leute sich nicht an die Mode, also an die Kleiderkonventionen halten, weswegen man sie mit „Türckenn, Pollakenn, oder Unger[n]“ (Predigten 1939, 14) verwechseln könne. Als Angehörige der Rechtsnation hatten sie sich den Regeln dieser Rechtsgemeinschaft der „Sachsen“ unterzuordnen.
Die Ausstellung „Siebenbürgen – Eine ...
Die Ausstellung „Siebenbürgen – Eine Wissenschatsladschaft“ wurde vom Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) und Deutschen Kulturforum östliches Europa beim Heimattag in Dinkelsbühl. Die sechs Tafeln, konzipiert vom Historiker Dr. Harald Roth, zeigen, wie sehr die wissenschaftliche Siebenbürgen-Kunde seit Ende des 18. Jahrhunderts und vor allem seit Mitte des 19. Jahrhunderts die siebenbürgisch-sächsische Existenz bis hin zu noch heute dominanten Identitätsstrukturen bestimmt hat. Die Schau ist zurzeit im Lesesaal der Bibliothek in Gundelsheim zu sehen, vom 7.-9. September 2012 bei der AKSL-Jahrestagung in Heidelberg/ Gundelsheim, danach im Heiligenhof in Kissingen, Anfang November bei der AKSL-Tagung in Schäßburg und anschließend in Hermannstadt.
Es gab aber noch eine andere Sondergruppe, die beharrlich ein eigenes kulturelles Profil bewahrte: die ihres evangelischen Glaubens wegen aus Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark gewaltsam umgesiedelten „Transmigranten“. Nachdem sie nach Siebenbürgen gekommen waren, blieben sie mancherorts lange von den „Sachsen“ als Sondergruppe mit eigener „deutscher Schule“ getrennt. Für sie bildete sich der Begriff „Landler“ aus. Trotzdem zählten sie rechtlich gesehen zu den „Sachsen“.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gab es also eigentlich zwei Arten von „Deutschen“ in Siebenbürgen. Wie kam es dann aber dazu, dass wir heute wie selbstverständlich von den „Siebenbürger Sachsen“ als „Volk“, also als einer einheitlichen „ethnischen“ Gruppe reden?

Es ist dies das „Verdienst“ des Vereins für siebenbürgische Landeskunde und seiner Führungsmannschaften seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Geschart um Georg Daniel Teutsch wurden bewusst und systematisch drei Strömungen zusammengefasst, wobei die politische Gesamtlage dazu den Anhalt bot. Das Ende des mittelalterlichen Privilegienrechts war gekommen. Bereits unter dem aufgeklärten Absolutismus Kaiser Josephs II. waren die Privilegien der Sachsen für zehn Jahre aufgehoben gewesen. 1790 wurden sie wieder in Kraft gesetzt, doch das absehbare Ende ihrer Geltung rückte unaufhaltsam näher. Schließlich fielen die Rechte der „Sachsen“ in Trümmern (1848/49 und endgültig 1876), als Siebenbürgens Selbständigkeit verloren ging und es 1867 staatsrechtlich in das Königreich Ungarn integriert wurde. Rechtlich gesehen gab es nun keine „Sachsen“ mehr.

Trotzdem gab es ja noch die Bevölkerung. Die politischen Schranken waren gefallen, aber die damals so genannte völkische Einheit von Sprach- und Kulturnation blieb. Politisch gesehen mussten die beiden Teile der Groß-Gruppe allerdings erst noch vereinigt werden. Denn diese „detsch“ oder „sächsisch“ redende Gruppe hatte durchaus über 700 Jahre bereits ein enges Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt und bewahrt. Vor allem die gemeinsame evangelische Konfession, die in den allermeisten Kirchengemeinden verwoben war mit der deutsch-sächsischen Kultur, bildete dafür die Grundlage. Dieses Gemeinschaftsgefühl wurde mithilfe des neu konstruierten Geschichtsbildes, das die Menschen nunmehr als „Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk“ lesen und verinnerlichen konnten, zum neuen Geschichtsbewusstsein der „Siebenbürger Sachsen“ geformt. Als 1867 Georg Daniel Teutsch zum Superintendenten (Bischof) der Landeskirche gewählt worden war, begann die zweite Phase dieser Entwicklung. Denn die Landeskirche diente als politischer Ersatz für die Nationsuniversität. Mit Hilfe der Einheit von Kirche und Schule wurde dieses Geschichtsbild unters Volk gebracht. Die Idee und der Begriff der „Volkskirche“ wurden aufgegriffen. Auf Grund einer Deckungsgleichheit von nun ethnisch oder national verstandener Prägung mit der evangelischen Konfessionszugehörigkeit wurde das „siebenbürgisch-(evangelisch)-sächsische“ Eigenprofil entwickelt. Zielstrebig wurde in der politischen Auseinandersetzung gegen einen nationalistischen Chauvinismus der ungarischen Regierungen das Selbstbewusstsein als „Siebenbürger (evangelische) Sachsen“ geweckt, verbreitet und stabilisiert. Die Siebenbürger Sachsen kannte seitdem jedes Kind. Und auch die binnendeutsche evangelische Bevölkerung im Wilhelminischen Kaiserreich nahm sie als siebenbürgisch-sächsisches „Kirchen-Volk“ durch die Brille des Gustav-Adolf-Vereins wahr.

4. Bedeutung des „Landeskundevereins“

Die Siebenbürger Sachsen vergewisserten sich mit Hilfe ihrer Geschichtsforschung. Dazu zählten besonders die ganz langfristigen Vorhaben der Grundlagenforschung. Sie stellen die geistigen Geschichtsdenkmäler dar:

1. Das Urkundenbuch (zunächst Gesamtsiebenbürgens, dann) zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen mit bislang fast 5000 Quellentexten. Ein sehr innovatives Projekt ermöglicht seit Jahresbeginn, nun alle Urkunden im Internet komfortabel zu recherchieren. Diese Internet-Edition wird gerade fortgesetzt.

2. Das Urkundenbuch der Landeskirche (19. Jahrhundert). Mit Hilfe des AKSL wurde daraus ein Projekt der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Ein dicker, großformatiger Editions-Band wird noch in diesem Monat veröffentlicht. 3. Friedrich Teutsch brachte zwei voluminöse Bände zum Schulrecht der Siebenbürger Sachsen heraus.

4. Gerade noch rechtzeitig begann die Arbeit am siebenbürgisch-sächsischen Wörterbuch, in dem die „Idiomatik“ des „Sächsischen“ dokumentiert wird; daran wird am Institut für Geisteswissenschaften der Rumänischen Akademie in Hermannstadt immer noch gearbeitet, zurzeit am Buchstaben S.

5. Das nordsiebenbürgisch-sächsische Wörterbuch hat der AKSL begonnen und 2006 mit Band 5 abgeschlossen.

6. Das Biographische Lexikon (Schriftstellerlexikon) ist ein unersetzliches Handbuch, das Lebensbeschreibungen (der Geburtsjahrgänge bis 1915) mit der Dokumentation aller ihrer Publikationen verbindet. Hier fehlt nur noch der Band 11. Der Band 12 präsentiert dann die Angaben für die Autorinnen.

Der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde, der am 3. Januar 1962 gegründet wurde, setzt also nicht nur die Grundlagenforschung fort, sondern hat auch eigene Vorhaben begonnen. Nach der Auswanderungswelle 1990 wurde z.B. das Projekt „Denkmaltopographie Siebenbürgen“ durchgeführt, das einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Kulturguts geleistet hat und nun durch kontinuierliche Publikationen bekannt macht. Bei den Arbeitsvorhaben stehen die historiographischen Bemühungen im Vordergrund, die vielfältigen Aspekte werden in Sektionen bearbeitet. Das Profil der „Landeskunde“ unterstreicht insbesondere die 1975 gegründete Sektion Naturwissenschaften, die die Arbeit des aus dem Landeskundeverein 1849 hervorgegangenen und 1949 verbotenen Vereins für Naturwissenschaften und seines Museums in Hermannstadt rege und im internationalen Rahmen fortsetzt.

Der AKSL ist auch als Verein nach rumänischem Recht registriert und führt regelmäßige Tagungen in Siebenbürgen selbst durch, schon drei große Tagungen haben beide Vereinsteile gemeinsam durchgeführt, zuletzt 2011 in Kronstadt. Wir arbeiten eng und vertrauensvoll mit dem Institut für Geisteswissenschaften in Hermannstadt zusammen. Die Kooperation mit dem Archiv der Honterusgemeinde ist ausgezeichnet und mit dem Friedrich-Teutsch-Haus sind wir jetzt auf einem verheißungsvollen Weg.

Thematisch reicht die Palette der Tagungen und Publikationen des AKSL von der Antike bis zur Zeitgeschichte. Dabei werden besonders seit dem Ende des „Eisernen Vorhang“ vier Akzente deutlich:

1) das Ziel, die Forschungen international kompatibel durchzuführen und satzungsorientiert „im Geiste der Völkerverständigung“ voranzutreiben;

2) methodisch reflektiert die Untersuchungen und Forschungsvorhaben anzugehen, also auf Professionalität und aktuellen methodologischen Prinzipien – nicht zuletzt mit Hilfe des Siebenbürgen-Instituts an der Universität Heidelberg mit Bibliothek und Archiv – größten Wert zu legen;

3) die internationalen Nachwuchswissenschaftler bestmöglich zu unterstützen und zu fördern, z.B. bei jährlichen Doktorandenseminaren;

4) eine institutionalisierte, dauerhafte und fruchtbare Zusammenarbeit mit rund 100 Partnerinstitutionen vor allem in Rumänien, Ungarn und Österreich zur Wahrung und Aufrechterhaltung eines lebendigen und mithin auch kontroversen akademischen Austausches zu pflegen. Obwohl die neueren Veröffentlichungen des AKSL schwerpunktmäßig die Zeit nach 1920 behandeln, gibt es immer noch deutliche Lücken in der Erforschung der NS-Zeit, aber ganz besonders auch der Nachkriegszeit. Lange Zeit waren die Quellen unzugänglich – und lange wurde geschwiegen oder verschleiert. Bis die komplexe Materie erfasst und angemessen analysiert werden kann, dauert es leider häufig länger, als wir uns selbst das wünschen. Aber wir stellen uns bewusst der schwierigen Geschichte.

Eine Geschichte der Frauen und der Frauenvereine ist ebenfalls längst überfällig, erscheint aber bald. Eine kritische, vergleichende Mentalitätsgeschichte, die über die vieldiskutierten und wichtigen Studien von Mitu und Boia hinaus geht, wäre dringend nötig. Eine Wirtschafts- und Technikgeschichte fehlt ebenso wie eine differenzierte Quellenstudie zum Einfluss der Türken (Osmanen) auf Siebenbürgen. Ein handbuchartiges Kompendium zur NS-Zeit steht aus (auch weil es an nötigen Vorstudien fehlt). Spezialstudien zu den Transformationsprozessen, Lebensverhältnissen, Identitäten zwischen politisch gelenkter „Modernisierung“ und Strategien von „Retraditionalisierung“ in der Nachkriegszeit gibt es ebenfalls nur ansatzweise. Nicht zuletzt versetzen die jetzt geöffneten Hinterlassenschaften der „Securitate“, sofern sie kritisch reflektiert werden, in die Lage, den infamen Herrschaftsmechanismus der kommunistischen Diktatur Rumäniens und deren widersprüchliches Handeln nachzuvollziehen. Die persönlichen Dimensionen von Vertrauensbruch, Schuld und Versagen – oder auf der anderen Seite von massiver Traumatisierung bis hin zum Verlust des Lebens – dürfen dabei nicht ausgeklammert werden. Auch da setzte die weithin beachtete AKSL-Tagung in Jena 2010, deren Buchpublikation zum Jahresende ansteht, Zeichen für das stetig verfolgte Ziel, professionell und kritisch die Geschichte Siebenbürgens und aller seiner Völkerschaften aufzuklären. Dies geschieht durchaus kontrovers und bleibt nicht spannungsfrei. Aber dadurch zeigt sich, wie lebendig, anregend, über­aus interessant und auch aktuell die Vorhaben des AKSL sind – nicht zuletzt für das sehr heterogene, gerade von Konflikten gebeutelte, aber zusammenwachsende Europa des 21. Jahrhunderts. Die Siebenbürger Sachsen haben keine „wüste Landschaft“ übernommen, und sie haben auch keine „Wildnis“ hinterlassen. Dass Siebenbürgen keine „terra deserta“ war und dass sie im Leben der Menschen und in der aktuellen Wahrnehmung der Geschichtsschreibung auch keine bleibt, dafür lohnt es sich, mit frischem Blick und internationaler Perspektive an der differenzierten Aufklärung dieser Verhältnisse zu arbeiten.

Als Geburtstagsgeschenk wünsche ich mir: Unterstützen Sie uns. Wir nehmen Sie gerne bei uns auf. Treten Sie in den AKSL ein!

Dr. Ulrich Wien

Schlagwörter: Heimattag 2012, AKSL

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