10. Juli 2012

Gundelsheimer Bücherberge

Schon oft hat die Siebenbürgische Zeitung über die Siebenbürgische Bibliothek in Gundelsheim berichtet und für Spenden zum Erhalt der Bibliothek geworben. Doch was ist diese Bibliothek eigentlich? Elitäres Institut oder kollektives Gedächtnis? Geschlossener Verein oder offen für alle? Was finde ich dort? Und wie suche ich danach? Mit diesen praktischen Fragestellungen im Gepäck machte sich Angelika Stefan auf die Reise ins baden-württembergische Städtchen Gundelsheim, wo die Siebenbürgische Bibliothek gemeinsam mit anderen Institutionen auf Schloss Horneck untergebracht ist.
Seit ihrer Gründung im Jahr 1955 sammelt die Siebenbürgische Bibliothek unabhängig von Sprache und Erscheinungsort alle Medien zur siebenbürgischen Kulturgeschichte. Ein Schwerpunkt der Sammlung liegt auf den Deutschen in Siebenbürgen, doch grundsätzlich sind alle Völker, die sich in dieser Region aufhalten oder aufgehalten haben, auch in der Bibliothek vertreten. Etwa 78000 bibliographische Einheiten wurden seit der Gründung zusammengetragen, davon sind 2500 sogenannte Periodika-Titel: Publikationen, die in periodischen Abständen erscheinen, wie Zeitungen, Zeitschriften oder Jahrbücher – auch sämtliche Ausgaben der Siebenbürgischen Zeitung lassen sich dort finden. Die Medien kommen durch Spenden sowie Kauf oder Tausch mit Universitäten, Instituten, Autoren, Verlagen, Antiquariaten und Privatpersonen in den Besitz der Siebenbürgischen Bibliothek. Geld für die Vergrößerung des Bibliotheksbestands und die Bezahlung der angestellten Mitarbeiter erhält die Bibliothek u.a. vom Verein der Freunde und Förderer der Siebenbürgischen Bibliothek.

Als ich in der Bibliothek ankomme, treffe ich dort auf den Bibliothekar Christian Rother, der gerade die Rechercheaufträge einer Studentin entgegennimmt. Ruhig lässt er sich die Probleme ihrer Bachelorarbeit erklären und anhand seiner kompetenten Ratschläge versuchen beide, gemeinsam Lösungen zu finden. Der kleine, in hellem Holz eingerichtete Lesesaal wirkt familiär und auch das Verhältnis zwischen Bibliothekar und Studentin scheint recht freundschaftlich zu sein. Schon nach wenigen Minuten sind die beiden fertig und Christian Rother hat nun Zeit, mir die Bibliothek zu zeigen und meine Fragen zu beantworten. Zuerst soll ich die Räume der Bibliothek sehen, in denen der größte Teil der Bücher aufbewahrt wird.
Bibliothekar Christian Rother mit einem Buch aus ...
Bibliothekar Christian Rother mit einem Buch aus dem 16. Jahrhundert.
Die Benutzer der Siebenbürgischen Bibliothek bekommen diesen Bereich in der Regel nicht zu Gesicht. Sie führen ihre Recherche aus dem Lesesaal aus und sind auf die Bibliothekare angewiesen, die ihnen das richtige Buch aus den langen Regalreihen der hinteren Bibliotheksräume bringen. Die Regelung hat natürlich einen Grund: Bei so vielen Büchern ist es schwierig genug, den Überblick zu behalten. Wenn jeder Besucher direkten Zugriff auf alle Bücher hätte, wäre die Gefahr groß, dass diese an den falschen Platz zurückgestellt und somit für die nächsten Benutzer nicht mehr auffindbar werden. Wer diesen normalerweise nicht zugänglichen Bereich sehen möchte, kann sich einer Bibliotheksführung anschließen, die für Gruppen ab zehn Personen angeboten wird.

Eine Tür im hinteren Teil des Lesesaals führt zu den Beständen der Bibliothek. Dicht beieinanderstehende Bücher füllen die Regale bis zur Decke. Der erste Raum, in den Christian Rother mich führt, ist der „Prinzessinnensaal“. Auf meine Frage nach der Herkunft des Namens und ob damit vielleicht illustre Gäste auf der Burg Horneck gemeint wären, lacht der Bibliothekar. Nein, so sei es nicht, der Name sei wesentlich jüngeren Datums. „Wir bezeichnen ihn so, weil dort zwei weibliche Angestellte der Bibliothek ihr Büro haben.“ Neben den Schreibtischen dieser Mitarbeiterinnen befinden sich in dem Saal alle Bücher zur Geographie, Flora und Fauna und Landesgeschichte Siebenbürgens sowie die Nachlässe des Germanisten Karl Kurt Klein und des Arztes Erich Phelps, insgesamt etwa 3000 Bände, die den Grundstock der Bibliothek bilden. In den nächsten beiden Räumen stehen Bücher über siebenbürgische ­Geschichte, Ethnographien, Bände über Sprachwissenschaft und Linguistik, Lehrbücher, Bücher zu Vereinen, Ortsgeschichte und siebenbürgischen Persönlichkeiten sowie Veröffentlichungen sächsischer Autoren zu nichtsie- benbürgischen Themen. Dazu gehören beispielsweise die Fachaufsätze eines Chirurgen und eines Botanikers, die die Siebenbürgische Bibliothek regelmäßig mit Belegexemplaren ihrer Veröffentlichungen versorgen. Im darauffolgenden Raum befinden sich die erwähnte Periodikasammlung sowie Hochschulschriften und großformatige Bücher, die in den Regalen der anderen Räume keinen Platz gehabt hätten.
Lesesaal der Siebenbürgischen Bibliothek. Fotos: ...
Lesesaal der Siebenbürgischen Bibliothek. Fotos: Angelika Stefan
Mit dem folgenden Raum erreichen wir ein grausiges Kapitel der Geschichte von Schloss Horneck. Wie jede größere Burg hatte auch diese ihren eigenen Kerker und dieser wurde offensichtlich auch genutzt, wie die Eingravierungen an den Wänden verraten. Zwar sind die Zeichen schon längst mit Farbe übertüncht worden, doch an einigen Stellen kann man immer noch die Namen der Gefangenen erkennen, die diese in den Stein gekratzt haben. Glücklicherweise hat sich die Nutzung des Raumes mittlerweile geändert und so kann man hier Bücher der Kategorie Belletristik, Universitätsjahrbücher und Schulprogramme aus Siebenbürgen, Landkarten und Kalender finden. Aufgrund des günstigen Klimas in dem Raum werden hier auch die ältesten Bücher der Siebenbürgischen Bibliothek aufbewahrt. Berechtigter Stolz zeigt sich auf dem Gesicht des Bibliothekars, als er zwei dieser Antiquitäten aus dem Regal hervorholt: ein handkoloriertes Naturkundebuch aus dem Jahr 1548, „Rudimentorum Cosmographicorum“, und eine Originalausgabe des Reformationsbüchleins von Johannes Honterus, anno 1543.

Mit diesen Glanzstücken der Sammlung sind wir auch schon beinahe am Ende der Führung angekommen. Der letzte Raum, in den mich Christian Rother führt, ist der Keller, in dem neben weiteren Periodika Teile der Archivalien und Urkunden lagern. Der größte Teil des Archivs ist allerdings im Verwaltungsgebäude des Siebenbürgen-Instituts untergebracht, das nur wenige Meter unterhalb von Schloss Horneck liegt. In der Schlossstraße 41 finden sich auf etwa 1500 Regalmetern Originaldokumente zu siebenbürgischer Zeit- und Ortsgeschichte, siebenbürgischen Vereinen und Persönlichkeiten, zu Aussiedlerfragen und zu Denkmaltopographie. Außerdem lagern dort die Nachlässe von Siebenbürgern und ein Bild- und Tonarchiv enthält Aufnahmen von siebenbürgischen Ortschaften und Dialekten sowie Plakate und Postkarten mit siebenbürgischen Motiven.

Doch zurück zur Bibliothek: Nachdem ich die Örtlichkeiten kennengelernt habe, möchte ich wissen, wie ich hier recherchieren kann. Es geht mir um eine ganz konkrete Frage, die sich schon viele vor mir gestellt haben: Woher kommen wir, die Siebenbürger Sachsen, eigentlich? Wie sind wir in das Gebiet gekommen, das viele von uns immer noch als unsere Heimat bezeichnen? In meinem Fall weiß ich schon, dass einige meiner Vorfahren aus Durlach-Hanauischem Gebiet gekommen sind. Wie suche ich also Bücher, in denen ich mehr über diese Migrationsbewegung erfahren kann?

Eine Möglichkeit, entsprechende Bücher zu finden, bietet die Homepage des Siebenbürgen-Instituts. Dort findet man auf einer untergeordneten Seite das Signaturschema der Bibliothek und des Archivs. Aufgrund der systematischen Ordnung der Bibliothek ist es sinnvoll, erst dort nach dem thematischen Überbegriff zu suchen, zu dem man die eigene Suchanfrage zuordnen würde. In meinem Fall lautet das Signaturschema C III-3g, denn ich möchte etwas wissen, was die Geschichte der Siebenbürger Sachsen (C III) betrifft, genauer gesagt, die der „Landler, Durlacher, Württemberger etc.“ (C III-3g). Diese Signatur kann ich nun in der „Erweiterten Suche“ der Online-Recherche auf der Website des Instituts eingeben und – siehe da – mehr als 90 Treffer! Nach kurzem Herumstöbern finde ich schon bald ein Buch, das mich interessiert: „Heimatorte der ,Durlacher’ und ,Hanauer’“ von G. A. Schuller. Doch wie komme ich an das Buch heran, das ich im Internet gefunden habe? An diesem Punkt der Recherche kommen die Bibliothekare ins Spiel. Sie kennen sich in den verwinkelten Gängen zwischen den Regalen der Bibliothek aus und finden anhand der genauen Signatur, in meinem Fall C III-3g/8(K), im Handumdrehen den gesuchten Titel. Befindet sich der Bibliotheksbenutzer vor Ort in der Bibliothek, wird ihm das Buch in den Lesesaal gebracht, wo er sich eingehend damit beschäftigen kann. Kann der Leser jedoch nicht nach Gundelsheim reisen, setzt er sich mit dem Personal der Bibliothek in Verbindung. Bei einigen Büchern, die noch auf dem freien Markt erhältlich sind, ist es möglich, sie sich per Post zuschicken zu lassen.

Neben dem Online-Katalog auf der Website des Instituts gibt es noch zwei weitere Möglichkeiten zur Recherche: Durch den Anschluss des Siebenbürgen-Instituts an die Universität Heidelberg ist die Siebenbürgische Bibliothek mit dem Südwestdeutschen Bibliotheksverbund verbunden. Alle Bücher, die im Online-Katalog des Siebenbürgen-Instituts recherchierbar sind, sind auch hier über den Katalog der Universitätsbibliothek zu finden, allerdings gelten sie hier grundsätzlich als sogenannter „Präsenzbestand“, das heißt, der Nutzer kann die Bücher nur im Lesesaal vor Ort lesen.

Die dritte Möglichkeit der Recherche besteht über den Karlsruher Virtuellen Katalog (KVK) unter www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html. Der KVK ist ein Meta-Katalog, in dem über 500 Millionen Medien weltweit erfasst sind. Die Recherche über das Signaturschema der Siebenbürgischen Bibliothek ist auf dieser Website nicht möglich, nur die Suche nach Titeln und Autoren sowie eine Einschränkung auf den Südwestdeutschen Bibliotheksverbund, zu dem die Siebenbürgische Bibliothek gehört, ist möglich. Der große Vorteil der Recherche im KVK ist hingegen seine Aktualität. Während Neuerwerbungen der Siebenbürgischen Bibliothek im Recherchesystem des Südwestdeutschen Bibliotheksverbunds erst nach ein bis zwei Tagen erscheinen und auf der Website des Siebenbürgen-Instituts sogar nur etwa jedes halbe Jahr in den Katalog aufgenommen werden, sind sie im KVK schon am Tag der Erwerbung recherchierbar. Grundsätzlich sind bisher unabhängig vom Erscheinungsdatum alle Bestände der Siebenbürgischen Bibliothek, die nach 1995 erworben wurden, elektronisch erfasst. Die restlichen Bestände werden in alphabetischer Reihenfolge des Signaturschemas erfasst: Bis zum Buchstaben K sind sie schon recherchierbar. Alle Medien, die noch nicht online recherchierbar sind, sind in Zettelkatalogen in der Bibliothek zu finden.
Buchreihe antiquarischer Bücher ...
Buchreihe antiquarischer Bücher
Wer sich selbst nicht in Bücherbergen vergraben will oder schlichtweg nicht die Zeit hat, sich auf die Suche nach einzelnen Namen in Kirchenmatrikeln zu begeben oder ein bestimmtes Zitat aus einem Buch herauszusuchen, kann den Mitarbeitern der Bibliothek Rechercheaufträge erteilen. Für die aufgewendete Arbeitszeit wird eine Gebühr von 10 Euro pro angefangene halbe Stunde fällig. In meinem Fall war diese Gebühr allerdings nicht notwendig. Dank der kompetenten Hilfe von Christian Rother bin ich auf Anhieb fündig geworden. Fazit: Ist man an Siebenbürgen, seiner Kultur, Geschichte oder Sprache interessiert, bietet die Siebenbürgische Bibliothek einen riesigen Schatz an Büchern, die einem weiterhelfen können. Sie zu finden ist vielleicht nicht immer so einfach wie in meinem Fall, oft wird man mehr Zeit in die Recherche investieren müssen. Dank der tatkräftigen Unterstützung der Mitarbeiter wird allerdings auch der unerfahrenste Nutzer nicht ohne ein Buch nach Hause fahren.

Angelika Stefan



Adresse und Ansprechpartner der Siebenbürgischen Bibliothek, Schloss Horneck, 74831 Gundelsheim/Neckar, Ute Heiser, Christian Rother, Dipl.-Bibl. (FH) Hannelore Schnabel, Dipl.-Bibl. (FH), Telefon: (06269) 4215-10, Fax: (06269) 4215-30, E-Mail: bibliothek[ät]sie benbuergen-institut.de, Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 9.00-12.00, 13.00-16.00 Uhr. Verantwortlich für das Bild- und Nachlass­archiv: Jutta Fabritius, Telefon: (06269) 4210-80, Fax: (06269) 4210-10, E-Mail: bildarchiv[ät]siebenbuergen-institut.de, nach laesse[ät]siebenbuergen-institut.de, Montag bis Donnerstag, 10.00-12.00, Dienstag auch 14.00-17.00 Uhr, Freitag 9.45-10.30 Uhr oder nach Vereinbarung

Schlagwörter: Gundelsheim, Bibliothek

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Neueste Kommentare

  • 12.07.2012, 10:16 Uhr von gogesch: Ein sehr wertvoller Bericht, der hoffentlich von Vielen gelesen wird. Aus meiner Sicht ist die ... [weiter]

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