1. November 2012

„Mut zum Handeln!“/Kulturreferenten des Landesverbandes Bayern tagten

Siebenbürgisch-sächsische Kulturarbeit in Deutschland zu organisieren ist nicht einfach, schon weil wir nicht nahe beieinander wohnen. Zersiedelte Kreisverbände (z. B. Regensburg, dessen gut 300 Mitgliedsfamilien über acht Landkreise verteilt leben) haben es besonders schwer. Und doch finden immer wieder Landsleute Möglichkeiten, Erstaunliches voranzubringen. Bei der Kulturreferententagung am 20. und 21. Oktober in Regensburg wurden Lösungsansätze und Vernetzungsmöglichkeiten zum Thema „Erbe erhalten - Zukunft gestalten“ lebhaft diskutiert. Antje Krauss-Berberich zeigte in ihrem Vortrag, welche fruchtbare Kettenreaktionen Eigeninitiative bewirken kann.
Schon bei den Berichten aus den zehn anwesenden Kreisverbänden wurde offensichtlich, dass es in einigen keine Kinder- und Jugendarbeit gibt oder dass man die jungen Leute nicht halten kann. Andere berichteten, dass einige ihrer Jugendlichen in der Schulsportstunde erfolgreich einen Volkstanz mit den Kollegen einstudiert oder im Unterricht ein Referat über die Geschichte oder Trachten der Siebenbürger Sachsen gehalten haben. Erarbeitet wurden zwei wichtige Aspekte in der Jugendkulturarbeit: Man findet leichter junge Aktive, wenn man ihnen klar terminierte Ziele angibt (z. B. eine Veranstaltung, für die man eine bestimmte Zeit probt, wonach man aber nicht mehr gebunden ist). Zweitens sollte man sich überall Gedanken machen, wie man Jugendliche begeistern kann, die hier in Deutschland aufgewachsen sind. Interessante Gemeinschaftsangebote (evtl. auch mit der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland zusammen) neben den regelmäßigen Proben mit anspruchsvollen Unterhaltungsmöglichkeiten (Klettergarten, Theaterbesuch, professionell begleitete Seminare, Tagesausflug mit Kinderattraktionen, zu dem man auch Schulfreunde mitnehmen darf usw.) motivieren auch die Eltern, die für ihre Kinder sinnvolle Freizeitgestaltung wünschen. Die Eltern müssen gut informiert und bei den Entscheidungen der Gruppe mit einbezogen werden.

Antje Krauss-Berberich, Kulturreferentin des Kreisverbandes Bayern und auch der Stadt Ebersberg, referierte in ihrem Vortrag „Mut zum Handeln“ erst über die Institutionen Museum und Archiv, danach über Eigeninitiative am Beispiel ihrer Tätigkeiten in Ebersberg. Dabei wurde klar, dass durch begeisterte (ehrenamtliche) Arbeit wertvolle Schätze entdeckt und Mitstreiter gefunden werden können. Anhand von Bildern aus ihren rund 200 Ausstellungen zeigte Krauss-Berberich eindrucksvoll, wie viele Ideen erfolgreich umsetzbar sind, wenn man Mut zum Handeln hat: vom mittelalterlichen Kochbuch oder Gelage im Rathaus über siebenbürgisch-sächsische Kunstgegenstände und Bilder bis hin zur Ausstellung von tausend Stühlen in ganz Ebersberg.
Kulturreferenten des Landesverbandes Bayern vor ...
Kulturreferenten des Landesverbandes Bayern vor der Tagungsstätte in Regensburg. Foto: Inge Alzner
Dass wir bei der Gestaltung unseres Kulturlebens nicht nur unter uns bleiben sollten, war ein wichtiger Leitfaden der Tagung, die von der Kulturreferentin des Landesverbandes Bayern, Doris Hutter, geleitet wurde. Sie lenkte im Vortrag „Mitreden am neuen Heimatort“ das Augenmerk auf Möglichkeiten der Initiative, möglichst nachhaltig siebenbürgisch-sächsische Kultur in den Kommunen einzupflanzen. Das Kronenfest in einer Stadt zu etablieren, machen einige Kreisverbände schon erfolgreich vor. Darüber hinaus könnte man die lokalen Museen ansprechen und sie freundlich davon überzeugen, dass unsere mitgebrachten Kulturschätze für ein weitsichtiges Museum unverzichtbar sind. Kommt man danach ins Gespräch mit dem Museum, sollten jedoch unsere Fachkräfte mit einbezogen werden. Rat, überprüfte Texte zu unserer Geschichte und Hilfe bei der Gestaltung können auch über den Bundeskulturreferenten Hans-Werner Schuster angefordert werden. Es bietet sich an, mit der Ausstellung „Die Schulen der Siebenbürger Sachsen“ zu beginnen, die vom Schulmuseum Nürnberg hergestellt wurde und über den Kreisverband Nürnberg günstig auszuleihen ist. Anhand bebilderter Beispiele zeigte Hutter, wie man weitere Kooperationen angehen könnte: Mit der Stadt bzw. Gemeinde anlässlich von Festen (sächsische Kultur und kulinarische Spezialitäten lassen sich selbstbewusst auch neben ausländischen Vereinen präsentieren, wenn das Thema z. B. „Zugezogen“ heißt) und medial über die Präsenz auf der Homepage der Kommune Kontakte pflegen und sich kreativ einbringen (z. B. mit einer Handarbeit als Geschenk an den lokalen Heimatverein), kann Einladungen, Bekanntschaften und auch Zuschüsse (z. B. für Jugendliche) nach sich ziehen.

Jährlich einen Gottesdienst mit Trachtenträgern zu gestalten, evtl. weitere Volksgruppen mitzunehmen ist einfach und wirksam. Aussiedlerbeiräte gründen oder mit Vertriebenen „Kulturbeiräte zugewanderter Deutscher“ ins Leben rufen, führt bei kluger Argumentation meistens auch zu finanziellen Vorteilen. Eine weitere Form der Mitbestimmung des kulturellen Lebens wäre, eigene Leute in Stadtteilforen oder Integrationsräte zu schicken, um die Interessen der Aussiedler zu vertreten. Horst Göbbel hat damit Erfahrung und sagt u. a.: „Menschen mit Migrationshintergrund“ sind ein selbstverständlicher Teil der deutschen Gesellschaft. Integration ist Zusammenleben in Vielfalt und bedeutet, bereit zu sein, sich zu verändern. Das gilt für Zugewanderte und Einheimi-sche (…). Eine gelungene Integration ist nur mit dem Anerkennen und Respek-tieren der kulturellen und religiösen Vielfalt in der Gesellschaft möglich. Wir wünschen nicht nur Toleranz, sondern eine Akzeptanz auf gleicher Augenhöhe …“ So bauen wir Brücken zueinander, bringen unsere Themen auf den Tisch (Geschichte, Kultur, Sensibilisierung gegen Begriffe wie „Migranten“ oder rumänische Ortsbezeichnungen, wenn Deutsch gesprochen wird). Das macht uns zu selbstbewussten glaubwürdigen Zuwanderern, die gerne in Zukunftsplanungen der Kommunen eingebunden werden. Dabei sollten wir freilich die Zusammenarbeit mit einheimischen deutschen Vereinen nicht vernachlässigen. Vom Volkstanzabend über gemeinsames Singen oder dem Austauschen von Liedgut bis hin zu Auftritten gemischter Tanzgruppen ist vieles möglich. Das Zauberwort heißt auch hier: Mut!

Als Möglichkeiten der kulturellen Gestaltung in zersiedelten Kreisverbänden wurden auch Aktionen in Altenheimen genannt: Lesungen, Sommer- oder Kronenfest (siehe Altenheim Fürth), Instrumentalauftritte von Kindern, Sketcche Erwachsener, kleine Singgruppen, Singen mit Senioren, Hunde zum Spielen mitnehmen. Können Kinder nicht zusammen proben, können für besondere Feste Gruppen gegründet werden, die daheim proben und sich nur vor dem Auftritt treffen. Z. B. kann so ein Jugendblasorchester zusammengetrommelt werden, wie einst beim Nachwuchsprogramm in Dinkelsbühl (Kontakt Doris Hutter). Diese Idee ist auch für HOG-Treffen interessant. Text und Drehbuch für das kurze „Kinderkronenfest“ auf der Bühne (das am Heimattag 2012 aufgenommene Video kann man auf www.siebenbuerger.de ansehen) können bei Doris Hutter angefordert werden. Die Kinderkrone kann kostenlos im Haus der Heimat Nürnberg ausgeliehen werden. Kindergruppen für den Auftritt lassen sich evtl. aus einem benachbarten Kreisverband einladen.

Die Verpflegung in Regensburg war bestens organisiert vom tüchtigen Vorstand des Kreisverbandes, geführt von der Vorsitzenden Ines Schromm. Wir wurden mit herrlichen Kuchen, einem köstlichen Büfett und einem anspruchsvollen Konzert verwöhnt. Samstagabend sang der Chor des Kreisverbandes Regensburg unter der Leitung von Gerda Caspari u. a. auch Lieder von Georg Meyndt, gewürzt mit szenischen Einlagen und Vorträgen der Leiterin der Sketch-Gruppen des Kreisverbandes, Susi Mai, die am Sonntagnachmittag das anspruchsvolle Programm der Tagung mit einer interessanten zweistündige Führung durch Regensburg abrundete. Was auch diesmal nicht zu kurz kam, war die gute Stimmung unter den Tagungsteilnehmern, eine fröhliche Unterhaltung nach dem Konzert und der wertvolle Austausch an Ideen und Erfahrungen während der Tagung. Dafür sowie für die finanzielle Förderung vom Haus des Deutschen Ostens München dankt

Doris Hutter, Kulturreferentin des Landesverbands Bayern

Schlagwörter: Kulturreferenten, Tagung, Bayern

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