24. Februar 2013

Wer sorgt künftig für die Kirchenburgen?

„Die Kirchenburgen sind das Vermögen der evangelischen Kirche (A.B. in Rumänien, d.R.) und der Sachsen im realen, vor allem aber im ideellen Sinn. Sie sind neben der Natur der größte Schatz der Region Siebenbürgen.“ Zu diesem Schluss kommen die Autoren der Studie „Die Kirchenburgenlandschaft Siebenbürgens. Strategien zur Erhaltung des europäischen Kulturerbes der Kirchenburgen in Siebenbürgen“, die Anfang dieses Jahres veröffentlicht wurde. Ein positives Ergebnis der zwischen September und November 2011 durchgeführten Untersuchungen ist, dass der bauliche Zustand der erfassten Kirchenburgen besser war als erwartet. Allerdings drängt die Zeit, langfristig tragfähige Strategien für den Erhalt der Baudenkmäler zu erarbeiten, denn innerhalb des nächsten Jahrzehnts sei eine Verschärfung der Situation absehbar, vor allem in den Landgemeinden.
Die Autoren, Prof. Gabi Dolff-Bonekämper und Architektin Annemarie Rothe, verstehen ihre Studie, die in Kürze auch online verfügbar sein wird, in erster Linie als Anregung und Unterstützung für die Handlungsträger der evangelischen Kirche, den Umgang mit dem gewaltigen baukulturellen Erbe zu planen.

Erarbeitet wurde die Studie in einem gemeinsamen Projekt der in Hermannstadt ansässigen Leitstelle Kirchenburgen und dem Lehrstuhl Denkmalpflege am Institut für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin (TU). Die Finanzierung erfolgte durch den Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Im Rahmen des Projektes dokumentierten die Mitarbeiter der Leitstelle den Zustand von 75 repräsentativen Kirchenburgen in Landgemeinden, deren Nebengebäuden und Wehranlagen sowie die jeweiligen Dorfsituationen in den Kirchenbezirken Hermannstadt, Kronstadt, Mediasch, Mühlbach und Schäßburg.

Wo sehen die Autoren die drängendsten Probleme beim Erhalt des gebauten Kulturerbes? An erster Stelle nennen sie die Überalterung der sächsischen Gemeinschaft und der Konzentration der Sachsen in den Städten, wodurch in absehbarer Zeit die Beaufsichtigung der Baudenkmäler in den Dörfern fehlen werde. Die Autoren rechnen außerdem mit einem nachlassenden Einsatz der Heimatortsgemeinschaften in den kommenden Jahrzehnten, da der Generationenwechsel zu schwächeren Bindungen zu Siebenbürgen führen wird. Ein Engagement des rumänischen Staates sowie der Kreise und Kommunen für das Kulturerbe der Siebenbürger Sachsen findet nur punktuell statt bzw. scheitert an mangelnden finanziellen Mitteln. Zudem identifizieren sich die jetzigen Bewohner der einstigen sächsischen Dörfer nicht oder nur wenig mit dem baulichen Erbe.
Das Projekt umfasst auch die Programmierung der ...
Das Projekt umfasst auch die Programmierung der Handy-App „Kirchenburgen“, die kostenlos heruntergeladen werden kann und Informationen zu rund 100 Orten bietet, auf dem Bild die Kirchenburg Hetzeldorf. Foto: Holger Wermke
Hervorgehoben wird die Tatsache, dass sich erstaunlich viele Akteure und Aktivitäten für den Erhalt der Baudenkmäler einsetzen. Bemängelt wird, das oftmals die Kirche im alleinigen Mittelpunkt der Erhaltungsbemühungen steht, während zum Ensemble gehörende Gebäude wie Wehrmauer, Pfarrhäuser, Schulen, Kultursäle etc. separat behandelt werden. Die Kirche muss sich nach Ansicht der Autoren im Klaren darüber werden, welche Nutzung in obsolet gewordenen Kirchen und Nebengebäuden denkbar und tolerierbar sind. Zu bedenken sei, dass die Kirchen auch früher vielfältig als Verkündigungs­ort, Versammlungsstätten, Fluchtorte, Wohnorte oder Aufbewahrungsorte genutzt wurden. Anregungen bietet der Blick nach Deutschland, England oder die Niederlande, in der Literaturliste im Anhang wird auf Publikationen mit diesbezüglichen Erfahrungen hingewiesen.

Erstrebenswert wäre eine dauerhafte Nutzung durch die jeweiligen Dorfbewohner, beispielsweise als Kindergarten oder Bibliothek. Denkbar, und in Nordsiebenbürgen mehrfach realisiert, sei die Übergabe evangelischer Kirchen an anderskonfessionelle Gemeinden. Dies sei im Moment in Südsiebenbürgen jedoch eher unerwünscht bzw. dafür gebe es keinen Bedarf. Für eine touristische Nutzung geeignet sind nach Ansicht der Autoren insgesamt 25 Kirchenburgen-Ensembles. Zur Belebung der Kirchen könnten kulturelle Veranstaltungen beitragen, bereits jetzt werden in einigen Kirchen regelmäßig Konzerte organisiert, denkbar seien auch Theatervorstellungen, Ausstellungen, Lesungen oder eine soziale Nutzung. Unter den Vorschlägen finden sich auch weiter gehende, die eine gottesdienstliche Nutzung der Kirchen nicht mehr zuließen, u.a. die Einrichtung von Depots für kirchliches Kulturgut oder Werkstätten für Restauratoren. Nicht zuletzt wird der Kirche empfohlen, sich auch mit der geordneten Aufgabe und dem systematischen Abriss von Gebäuden zu befassen.

Die Autoren geben der Kirche auch Anregungen für eine effiziente Verwaltung des immensen Bauerbes. Vorausgesetzt, die Kirche wünscht eine strategische Herangehensweise an dieses Thema, müssen laut Dolff-Bonekämper und Rothe Lösungen für die Bauzustandsüberwachung, permanente Bauunterhaltung, die Bewirtschaftung des Immobilienbesitzes, Tourismus- und Kulturmanagement, das Fundraising und die Öffentlichkeitsarbeit gefunden werden.

Fest steht dabei eins: Um den siebenbürgischen „Schatz“ zu bewahren, ist eine Öffnung hin zu zeitgemäßen Lösungen und Vorschlägen unter Einbeziehung von Partnern außerhalb der sächsischen Gemeinschaft dringend geboten.

Holger Wermke

Schlagwörter: Kulturerbe, Kirchenburgen, Studie

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