8. Dezember 2013

Bettina Schuller liest Geschichten

2010 erschien im Schiller Verlag, Hermannstadt/Bonn ein Band mit vorwiegend autobiographischen Texten von Bettina Schuller unter dem Titel „Transsylvanien – Spielplatz der Gedanken“. Kürzlich wurde vom selben Verlag (unter dem Label „BonneVoice Records“, ISBN 978-3-941-271838) ein Hörbuch produziert, das Bettina Schullers Stimme erklingen lässt. Auf zwei CDs liest sie insgesamt acht Texte aus ihrem Buch vor.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert, die auf die Kindheit, die Nachkriegszeit bzw. die Zeit des Sozialismus und schließlich auf die Erfahrungen der Emigration eingehen. Dieser Dreischritt umspannt das Leben der 1929 geborenen Autorin: glückliche, aber auch schmerzhafte Momente, die sicher von vielen Rumäniendeutschen in vergleichbarer Weise am eigenen Leib erlebt wurden. Auch die vorliegende Hörfassung entnimmt jedem der drei Teile repräsentative Geschichten, die meisten aus dem letzten Drittel (Emigration). Zu Beginn hören wir die Erzählung ihrer Geburt im Jahr des großen Börsenkrachs, der die Weltwirtschaftskrise nach 1929 auslöste („Am Anfang war der Säugling“). Dabei imaginiert sie nicht nur ihre eigene Geburt, sondern lässt die Reaktionen der Hauptbeteiligten, der Mutter (dilettierende Sängerin), des Vaters (Rechtsanwalt) und der Hebamme, geschickt mit einfließen – zumindest so, wie sie sich zugetragen haben könnten oder wie man sie ihr später erzählt hat. Auch ihre Namensfindung wird detailliert wiedergegeben: Der Name der unglücklichen Kaiserin Elisabeth („Sisi“) wird verworfen (Nomen est omen!), hingegen in Anlehnung an Bettina Brentano (verehelichte von Arnim) als „Verpflichtung zur Einzigartigkeit“ gewählt. Dass die heranwachsende Bettina diese Erwartung oft konterkariert, wird von der Autorin selbstironisch vermerkt.

Von beinahe grausamer Ironie ist die parabelartige Geschichte „Curriculi der Purzelbäume – Eine Bärenbegabung“, welche die Sozialisierung eines Kindes mit all ihren Tücken thematisiert. Dieser und ein weiterer Kurztext („Die tägliche Straße“) gehören zum zweiten Drittel des Buches: der Erfahrung der sozialistischen Nachkriegszeit. Aus diesem Abschnitt hätte man m. E. treffendere Texte aussuchen können, die die typische, mitunter ziemlich muffige Atmosphäre jener Zeit besser wiedergeben, z.B. „Das Geschenk aus Deutschland“ oder „Kleingeld“.

Aus dem letzten Drittel der Buchausgabe wurden vier Texte ausgewählt, unter anderem „Tage der Wende“, in dem Bettina Schuller den Sturz des Diktators im Dezember 1989 während einer Kur am Fernseher miterlebt. Ihre Gefühlsausbrüche entsetzen sie selbst: „Ich zittere ereignissüchtig. Ich lechze danach, die Untaten der Mörder aufgedeckt zu sehen. (…) Abgründe in mir. Ich will es nicht wollen, aber ich will es: Blutrache und Selbstjustiz.“ Nostalgisch, aber auch ernüchternd verläuft nach der Wende das Wiedersehen in „Zu Besuch in Kronstadt“. Der Klang der rumänischen Sprache weckt Erinnerungen, der Konsumrausch der Bevölkerung trotz der astronomischen Preise für billige Westware löst Befremden aus. Auch hier wäre möglicherweise ein Text wie das Fragment „Der gehütete Hort“ eine gute Ergänzung in der Hörfassung gewesen; er thematisiert in skizzenhafter Form Erwartungen und Enttäuschungen nach der Emigration aus Rumänien (1976). Ihre Gedanken kreisen hier vor allem um die deutsche Sprache und die Sprechweise ihrer deutschen Landsleute. Selbstkritisch merkt Bettina Schuller jedoch an: „Und heute? Unlängst habe ich meine Stimme auf Band gehört. Immer noch trödel ich auf den Endsilben und schlürf von Silbe zu Silbe, von Satz zu Satz. ‚Sie kommen aus Ungarn?ʻ werd’ ich oft gefragt. – Na ja.“ So schlimm wie die Autorin das hier schildert, ist es aber nicht! Wenn man sich bewusst macht, dass Bettina Schuller am 24. Januar 2014 ihren 85. ­Geburtstag feiern wird, formuliert sie auf den vorliegenden CDs bemerkenswert deutlich. Vortragsweise und Tonfall klingen angenehm, sie liest ­betont, manchmal vielleicht etwas monoton. Insgesamt eine empfehlenswerte Hörfassung, die sich manch eine(r) auf den Weihnachtswunschzettel schreiben könnte …

Konrad Wellmann

Schlagwörter: CD, Hörbuch

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