20. Dezember 2013

Rechnungsbücher von Bistritz aus den Jahren 1461–1520 ediert

Bistritz im Nösnergau gehörte im Mittelalter zu den wichtigsten Städten Siebenbürgens, in dem fleißige Handwerker ebenso wie geschäftige Kaufleute und Montanunternehmer lebten und wirkten. Sie profitierten von der Ausbeutung der Rodenauer Silberbergwerke ebenso wie von der Handelsstraße, die über die Ostkarpaten führte. Das vergleichsweise kleine urbane Zentrum spielte als Vorort des nordsiebenbürgisch-sächsischen Siedlungsgebietes und dank seiner Wirtschaftskraft eine wichtige Rolle. Das belegen heute noch das Straßennetz sowie die repräsentativen Bürger- und Kirchenbauten.
In der Stadt Bistritz lebten im Jahre 1487 ungefähr 3500–3800 Personen; damit war sie nach Kronstadt (1489: ca. 9500-10500 Einwohner) und Hermannstadt (1488: ca. 5200-5700 Einwohner) die drittgrößte Stadt Siebenbürgens. Seitdem ist die Bevölkerung langsam angestiegen, was aufgrund der ersten Steuerverzeichnisse nachweisbar ist: 1461 wurden 498 steuerpflichtige Haushalte registriert, ihre Zahl wuchs kontinuierlich auf 761 im Jahre 1487, 805 (1520) und 871 (1528). Im Distrikt (ohne die Stadt) lebten am Ende des 15. Jahrhunderts rund 8500 Menschen, in den Siedlungen des Rodenauer Tales etwa 1400 Personen.

Die genannten Steuerverzeichnisse bieten einen guten Einblick in die wirtschaftliche und soziale Struktur der Stadt, da schon damals das Vermögen besteuert wurde. Die Dokumente enthalten auch interessante Angaben über die getätigten Ausgaben und andere Details. Bis auf das erste Verzeichnis waren sie bislang nicht publiziert.

Im Rahmen eines vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Projekts hat das Ungarische Institut an der Universität Regensburg im Sommer 2012 eine kritische Volltextedition der ersten mittelalterlichen Rechnungsbücher der Stadt Bistritz in die Wege geleitet. Das Vorhaben wurde von Dr. Zsolt Simon (Gheorghe-Șincai-Forschungsinstitut für Geistes- und Sozialwissenschaften der Rumänischen Akademie in Neumarkt am Mieresch/Târgu Mureș) und Dr. András Péter Szabó (Institut für Literaturwissenschaft der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest) realisiert. In den Archiven von Klausenburg (wo ein Großteil der Bistritzer mittelalterlichen Geschichtsquellen aufbewahrt wird) und Bistritz (Evangelisches Pfarramt, Privatsammlung von Iulian Marțian, Stadtarchiv mit der Sammlung „feudaler“ Schriften) wurden die Verzeichnisse aufgespürt und fotografiert, danach transkribiert und für die Herausgabe vorbereitet. Dass ein solches Unterfangen äußerst schwierig ist, da die mittelalterlichen lateinischen, stellenweise deutschen Handschriften schwer lesbar und die Unterlagen auch vergilbt oder beschädigt sind, liegt auf der Hand. Die bis Juni 2013 vorgelegten Erträge dieses Projekts (rund 500 Seiten) wurden kürzlich vom Ungarischen Institut im pdf-Format online gestellt (http://www.ungarisches-institut.de/media/bistritz/rechnungsbuecher_bistritz.htm). Neben der Projektskizze und dem Projektbericht sind so eine ausführliche Einleitung sowie die Umschriften der beiden Projektmitarbeiter zugänglich. Die Einleitung geht auf die Ansiedlung und die Stadtrechte des mittelalterlichen Bistritz und des Nösnerlandes sowie die Verwaltung der Stadt ein, beschreibt Provenienz, Struktur und Bedeutung des verarbeiteten Quellenmaterials und stellt die Richtlinien der Transkription dar.

Diese edierten Texte ergeben einen wichtigen Quellenkorpus zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen, speziell der Bistritzer Deutschen. Es handelt sich aber nicht nur um ein Grundlagenwerk zur Erforschung der mittelalterlichen Kultur und Geschichte einer deutschen Siedlergruppe im südöstlichen Mitteleuropa, sondern zugleich um eines, das auch die Verhältnisse von benachbarten sächsischen, rumänischen und ungarischen Bevölkerungsteilen beleuchtet: von sächsischen Bauern im Bistritzer Distrikt, von ungarischen Adligen und Bauern in den Komitaten und von rumänischen Untertanen im Rodenauer Tal. Diese Quellen sind somit auch Schriftzeugnisse des Zusammenlebens oder zumindest Nebeneinanderlebens von drei nationalen Gemeinschaften an der Grenze zwischen westlichem und östlichem Christentum. Mit ihrer Edition auch in einer Printausgabe wäre ein sichtbarer wissenschaftlicher Fortschritt in der Erschließung der historischen Multikulturalität Siebenbürgens erreicht. Deshalb ist geplant, die Erträge dieses wichtigen Forschungsprojekts um ein umfangreiches Orts-, Namen- und Sachregister zu ergänzen und dann in einem rund 650seitigen Buch zu veröffentlichen.

Zs.K.L.

Schlagwörter: Bistritz, Urkunden, Forschungsprojekt, BKM

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