27. April 2014

14. „GoEast“ in Wiesbaden

Auch 25 Jahre nach der Wende in Osteuropa stehen die Themen der kommunistischen Vergangenheit immer noch im Mittelpunkt vieler osteuropäischer Filme: Sicherheitsdienst (Securitate), Verfolgung, politische Gefangennahme, Minderheitenprobleme und soziale Lage, gesellschaftlicher Aufstieg und nicht zuletzt die Melancholie für Land und Kultur jener Regionen.
Einer der Schwerpunkte des 14. „GoEast-Filmfestivals“ vom 9. bis 15. April in Wiesbaden war die Präsentation des Astra-Filmfestivals (AFF) in Hermannstadt. Die Programmleiterin des dort jährlich stattfindenden Festivals, Csilla Kató, präsentierte den Dokumentarfilm des Festivalgründers von Hermannstadt, Dumitru Budrala, „Der Fluch des Igels“ (Blestemul Ariciului). Er erzählt mit viel Humor die Geschichte einer Roma-Familie aus Băiești in den Südkarpaten, die sich mit verschiedenen einfallsreichen Mitteln ihren Lebensunterhalt verdienen. Die siebenbürgische Filmedition, welche Filme Mittel- und Osteuropas sowie internationale Filme präsentiert, ist sehr beliebt und hat Einmaligkeit.

Das Thema der Roma oder Zigeuner, wie sie immer noch in Rumänien genannt werden, schilderte auch der Dokumentarfilm „Tal der Tränen“ der jungen rumänischen Filmemacher in ukrainischer Zusammenarbeit, Mihai Andrei Leaha, Andrei Crișan, Iulia Hossu: Eindrucksvoll, im Stil der Geschichtslektionen eines Guido Knopp des ZDF, wurden Zeitzeugen über ihre Deportation nach Transnistrien befragt. „Ne-au trimis la Bug“, der bekannte Satz der Zigeuner wurde mit Schilderungen der grausamen Behandlung in der Deportation ausgeleuchtet: verhungert, erfroren und getötet wurden Tausende von ihnen in Transnistrien. Wer überlebte, hatte Glück. Ähnlich den Deportationen in den Bărăgan, hatte man etwa 25 000 Zigeuner zwischen Dnjestr und Bug auf freiem Feld ihrem Schicksal überlassen. Sie überwinterten in Erdhöhlen, aßen Hunde, Katzen und Menschenfleisch, wurden zu Arbeiten gezwungen und starben zu Tausenden im Winter an Kälte, Hunger und Krankheit. Nur etwa die Hälfte der Zigeuner kehrte zurück. Ihre Lebensgeschichte schildern im Film die betagten Zigeuner, die seit 2007, seitdem die rumänische Regierung das Unrecht anerkannt hat, 50 Euro Deportationsentschädigung im Monat erhalten. Ein nachdenklicher, melancholischer Film. Einen Preis erhielt er trotzdem nicht auf dem „GoEast-Festival“.
Ausgezeichnet wurde in Wiesbaden dagegen der ungarische Film „Urteil in Ungarn“ von Eszter Hajdü, der in Live-Aufzeichnungen die Prozesse in Budapest von 2008/09 gegen rechte ungarische Extremisten (Jobik) dokumentiert. Damals wurden Roma-Dörfer überfallen, wobei zahlreiche Zigeuner, darunter auch Kinder, ihr Leben verloren haben. Eine Parallele in der Roma-Zigeuner-Problematik (Ausgeschlossenheit, Rechtlosigkeit, Bedrohung) zu den rumänischen Dokumentarfilmen ist präsent. Authentisch wird die Bedrohung der Zigeuner in Ungarn geschildert.

Weitere rumänische Filme von Corneliu Porumboiu („Wenn es Nacht wird in Bukarest“ oder „Metabolismus“) und der bereits in Italien ausgezeichnete Film „Quod erat demonstrandum“ von Andrei Gruzsniczki, eine eindrucksvolle Geschichte einer Bespitzelung durch die Securitate, gingen auch leer aus bei der Preisverteilung. Preisgekrönt wurde der polnische Film „Ida“ von Pawel Pawlikowski, die Geschichte einer Holocaust-Überlebenden auf der Suche nach den Spuren ihrer Vergangenheit.

Das Festival der osteuropäischen Filme in Wiesbaden ist traditionell gut besucht, findet aber auch nach 14 Jahren immer noch nicht die Aufmerksamkeit des breiten deutschen Publikums und der Presse. Die Filme sind anders als die Hollywood-Produktionen: unkonventioneller, melancholischer, nachdenklicher, realitätsnaher, traurig und heiter zugleich. Vielleicht weil sich diese Art von Melancholie und Nachdenklichkeit dem deutschen Filminteressierten nicht so erschließt, wie die produktionsstarken und werbeträchtigen Hollywoodfilme aus Amerika.

Katharina Kilzer

Schlagwörter: Film, Festival, Wiesbaden, Osteuropa

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