23. Oktober 2014

Literaturpreis für Herta Müller

Hamburg – Im entscheidenden Augenblick war Herta Müller, nicht eben groß von Statur, gemeinsam mit den Laudatoren hinter dem Rednerpult verschwunden. Ein Regiefehler – als die Literaturnobelpreisträgerin aus dem Banat am 7. Oktober im Kaisersaal des Hamburger Rathauses den Hannelore-Greve-Literaturpreis entgegennahm. Dabei hat die eher scheu wirkende Herta Müller wahrlich keinen Grund, sich in Anbetracht ihres Œuvres den Blicken des Auditoriums zu entziehen. Sie wurde für „herausragende Leistungen auf dem Gebiet deutschsprachiger Literatur“ ausgezeichnet.
Die Stifterin Prof. Dr. h.c. Hannelore Greve und der Vorsitzende der Hamburger Autorenvereinigung Gino Leineweber überreichten den Preis, Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sprach im Rahmen des Festaktes das Grußwort. „Herta Müllers Werk lädt dazu ein, innezuhalten, Gedanken kreisen und Bilder entstehen zu lassen. Diese Kraft der Literatur ist durch keine andere Kunstform ersetzbar, weil es die individuellen ‚Räume der Sprache‘ sind, die die Lesenden erforschen und deren Grenzen sie mithilfe der Literatur zu erweitern vermögen. Genau das hat Herta Müller mit ihrem Werk transportiert: die Freiheit, Grenzen zu überschreiten.“

Gino Leineweber, Vorsitzender der Hamburger Autorenvereinigung, betonte seinerseits: „Herta Müller zeigt uns bis heute, dass es immer Literaten gibt, die ihre Stimme für Freiheit und Grundrechte erheben. Ihre Werke sind ein Zeugnis ihrer Biografie, beeindrucken durch eine klare Sprache und prägende Wortbilder. Wir Hamburger sind stolz, diese Schriftstellerin ehren zu können.“
Herta Müller nimmt den Hannelore-Greve ...
Herta Müller nimmt den Hannelore-Greve-Literaturpreis aus den Händen von Gino Leineweber, Hannelore Greve und Olaf Scholz (von links) entgegen. Foto: Peter Müntz
Herta Müller lebt in Berlin. Ihr neuestes Werk trägt den poetischen Titel „Mein Vaterland war ein Apfelkern“ und ist gerade erschienen. Es geht um die düstere Kindheit in einer deutschsprachigen Enklave in Rumänien, die Verfolgung durch den rumänischen Geheimdienst Securitate und den keineswegs nur befreienden Wechsel 1987 in den Westen – Themen, mit denen sich die Schriftstellerin schon in ihrem ganzen literarischen und essayistischen Werk auseinandersetzt. Sie erhielt bereits zahlreiche Literaturpreise, darunter 2009 in Schweden den Nobelpreis. In ihrer Dankesrede setzte sich die Preisträgerin – beinahe erwartungsgemäß – mit den Themen Exil und Vertreibung in Diktaturen und den Nachfolgestaaten auseinander.

Rund 250 Gäste nahmen an der Vergabe des mit 25000 Euro dotierten Literaturpreises teil. Er wird alle zwei Jahre im Wechsel mit dem Walter-Kempowski-Literaturpreis verliehen. Beide Preise sind vom Ehrenbürgerpaar Helmut und Hannelore Greve gestiftet. Bisherige Preisträger des Hannelore-Greve-Literaturpreises sind der Hamburger Siegfried Lenz (2004), er starb im Alter von 88 Jahren am 7. Oktober 2014, das Rathaus trug aus diesem Grund Trauerflor – Hans Pleschinski (2006), Arno Surminski (2008), Lea Singer (Eva Maria Bauer) (2010) und Gerhard Henschel (2012).

Peter Müntz

Schlagwörter: Herta Müller, Auszeichnung, Literatur, Hamburg

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