7. Januar 2015

Heimatbuch Mühlbach: Originalität inbegriffen ...

„Am Kreuzweg der Geschichte: Mühlbach im Unterwald“ ist eine Neuerscheinung, die Leserinnen und Leser neugierig macht auf eine Stadt, die üblicherweise wenig Beachtung erfährt. Herausgegeben von der Heimatortsgemeinschaft Mühlbach, bietet der umfangreiche Band reichhaltige Information zu der Stadt Mühlbach im Südwesten Siebenbürgens sowie eine Fülle von Bildern, die den Ort und sein Umland auch visuell veranschaulichen. Das Autorenkollektiv ist mit der Herausgabe dieses Heimatbuches dem Wunsch vieler Mühlbacher nachgekommen, der jüngeren Generation erläutern zu können, wo ihre Wurzeln sind.
„Das Buch will keine wissenschaftliche Arbeit sein“, schreiben die Herausgeber im Vorwort des mit großer Erwartung im November erschienenen stattlichen Bandes über Mühlbach. Diesen Anspruch sollten Leserinnen und Leser demzufolge an das Buch gar nicht stellen. Dafür ist es zu emotionsgeladen. Es spiegelt das wider, was die Erinnerung der ehemaligen Bewohner der Stadt im Südwesten Siebenbürgens bestimmt und ist daher ein Buch für alle Mühlbacher. Über diese Erinnerungsbereiche einzelner Mühlbacher weist es hinaus, da, wo die Autoren einzelner Beiträge ihre Erinnerung nutzend Wege in die Vergangenheit beschritten haben. Das sind Wege auf den Spuren von Vorfahren, deren Biographien exemplarisch für die Entwicklung einzelner Lebensbereiche stehen können. Es sind Wege, die in Archive führen, die teilweise nur punktuell genutzt wurden, vielleicht auch angesichts der umfangreichen Quellenlage. Deutlich wird, dass es immer die persönliche Perspektive des Autors ist, die die Darstellung bestimmt. Als Heimatbuch von Mühlbachern für Mühlbacher war das wohl auch so intendiert.

Das Buch erzählt vom stetigen Kampf ums Überleben der siebenbürgisch-sächsischen Minderheit, welches letztlich immer wieder durch Zuwanderung gesichert worden ist. Das stimmt einen optimistisch. Denn gerade das hat die Einwohner der kleinen Stadt geprägt, ihre Einzigartigkeit begründet. Eine Auswahl historischer Fakten, chronologisch geordnet, beschreibt die häufigen gefahrvollen Situationen, denen Mühlbach sich im Laufe der Jahrhunderte stellen musste und die es tapfer bewältigte. Geschichtliche Ereignisse, die in dieser Darstellung zu kurz gekommen sind, werden am Ende des Buches durch eine historische Leiste ergänzt, die die wechselvolle Geschichte der Stadt widerspiegelt.

Der Band erzählt ausführlich von der Entwicklung des Handwerks und dessen Niedergang durch die Industrialisierung, von der Veränderung sozialer Strukturen, bedingt vor allem durch wirtschaftliche Faktoren. In diesen bewegten Zeiten kristallisieren sich zwei Konstanten heraus, die das Leben in Mühlbach entscheidend mitbestimmen: Das Interesse der Bewohner am technischen Fortschnitt und das Bemühen um die Förderung des kulturellen Lebens in der Stadt. Das dokumentieren die Beiträge zur Entwicklung der industriellen Betriebe. Gleichermaßen belegen dieses auch die Texte zum reichen Musikleben und die zahlreichen Künstlernamen, die mit dieser Stadt in Verbindung gebracht werden können. Hervorheben muss man unbedingt das Bestreben der Herausgeber, alle sozialen, religiösen und ethnischen Gruppen zu erfassen, das multiethnische Miteinander und Nebeneinander zu beschreiben. Die möglicherweise als einseitig und sehr persönlich empfundene Darstellung erweist sich in der Gesamtschau dennoch als Steinchen in einem großen Mosaik, das noch nicht ganz fertiggestellt ist und Räume eröffnet, die noch gefüllt werden können.

Kritikpunkte, die hier durchaus angesprochen werden müssen, sind hauptsächlich technischer Natur, wie die unerklärliche Zusammenführung von Seiten, die nicht zusammengehören. Die sehr eigenwillige Gestaltung, wie das unübersichtliche Inhaltsverzeichnis, das Fehlen eines entsprechenden Anhangs mit einem Sachregister, einem Personenregister und weiteren hilfreichen Nachweisen für die Leser erschweren die Suche nach bestimmten Inhalten. Die nicht zu übersehenden sprachlichen Mängel werden wohl ein Geheimnis der Herausgeber bleiben.

Und dennoch sollte diese Kritik nicht so weit gehen, dass die Bedeutung des Inhalts übersehen wird. Das Buch führt die stark verstreute Mühlbacher Diaspora wieder zusammen, regt die gemeinsame Erinnerung an und ist unendliche Quelle der Inspiration für die neue Generation, die mit wachsender Neugier auf die Geschichte Siebenbürgens und dessen einzigartiges multikulturelles Modell des Zusammenlebens blickt.

Der Bogen wird gespannt von der schon erwähnten Dokumentation über eine Vielzahl von originellen Geschichten, die sich gemütlich lesen lassen, auch dank der großen Anzahl an Bildern, die Atmosphäre eingefangen haben und eine Rückkoppelung mit persönlich Erlebtem ermöglichen, bis hin zu biographischen Bildern von denen, die „man“ kannte. Dabei wurde leider das eine oder andere wichtige Ereignis, die eine oder andere Persönlichkeit des kulturellen Lebens übersehen. Möglicherweise hätte ein solcher Anspruch auf Vollständigkeit einen zweiten Band erfordert. Positiv dabei ist, dass es dazu anregt weiterzumachen, Dinge richtigzustellen, möglicherweise einen Zusatzband zu erwägen.

Es sind die Erinnerungstexte, die überwiegen, deren subjektiver Charakter dennoch auch eine breitere Leserschaft anspricht, die kaum einen Bezug zu Mühlbach hat. Dieser werden Türen geöffnet in bisher wenig bekannte Orte, sie begegnet Menschen, deren kulturelle Leistung in diesem Band gewürdigt wird. Erwähnt werden sollte auch, dass der Band durchaus mit Inhalten von hervorragender wissenschaftlicher Qualität besticht (siehe z.B. Texte von Theobald Streitfeld, Horst Schuller), die das kulturelle Leben, die Traditionen und die wirtschaftliche Entwicklung des kleinen, originellen siebenbürgischen Städtchens dokumentieren. Gerade die Zusammenführung wissenschaftlicher Dokumentation einerseits und sehr persönlicher Darstellung andererseits hat eine möglichst breite Leserschaft im Blick.

In der Tat, ein Buch für ALLE MÜHLBACHER und DEREN FREUNDE!

Gabriela Stanciu

Gerhard Wagner u.a. (Herausgeber): „Am Kreuzweg der Geschichte. Mühlbach im Unterwald. Siebenbürgen.“, Moosburg a.d. Isar, 2014, ISBN 978-3-00-047171-1, Preis inklusive Versand: 50,00 Euro, zu bestellen bei Gerhard Wagner, Münchener Straße 31b, 85368 Moosburg a.d. Isar, Telefon: (0 87 61) 72 76 71 oder (01 60) 36 62 292.

Schlagwörter: Mühlbach, Heimatbuch, Rezension

Bewerten:

15 Bewertungen: +

Neueste Kommentare

  • 14.01.2015, 17:54 Uhr von Robert: Das gilt nicht für die "Ortsmonographie der Superlative über ... [weiter]
  • 13.01.2015, 19:40 Uhr von schully: In keinem Heimatbuch kann man etwas aus der Kolonistenzeit nach dem 2. Weltkrieg lesen. Fast ... [weiter]
  • 07.01.2015, 09:57 Uhr von BaBan: Vielen Dank für diese ausgewogene Buchrezension unter Berücksichtigung kritischer Aspekte und ... [weiter]

Artikel wurde 3 mal kommentiert.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.