18. März 2015

Mongolensturm in Siebenbürgen: Lehrreicher Vortrag von Konrad Gündisch

Am 27. Februar referierte Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch, kommissarischer Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Vorsitzender des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats, im großen Saal des Stuttgarter Hauses der Heimat über den Mongolensturm von 1241. Der Referent ist Mitherausgeber des „Urkundenbuchs zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen“, Verfasser des Standardwerks „Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen“ (2 Auflagen, München 1998, 2005) und der sozialgeschichtlichen Analyse „Das Patriziat siebenbürgischer Städte im Mittelalter.“
Der Mongolensturm war nicht nur Thema mehrerer Seminare mit Studierenden der Universitäten Tübingen, Oldenburg und Klausenburg, sondern eröffnete auch die diesjährige Stuttgarter Vortragsreihe. Den sehr zahlreich erschienenen und interessierten Gästen wurde lebendiger, sorgfältig recherchierter Geschichtsunterricht geboten.

Schon die Vorgeschichte mit Informationen zum Mongolenreich im 13. Jahrhundert verdeutlichte anschaulich, worauf die Macht der Mongolen beruhte: perfekte Organisation und Waffentechnik. Das Reich Dschingis Khans war in Provinzen gegliedert, deren Leitung seine Söhne innehatten. Das Gebiet „Goldene Horde“ wurde von Batu Khan, einem Enkelsohn Dschingis Khans, geleitet. Der Begriff „Horde“ stand ursprünglich für die Behausung der Mongolen: die runden Zelte. Danach wurde es die Bezeichnung für einen Stammesverband. Diese „Goldene Horde“ gab es bis 1502. Sie umfasste bis zu 20 Prozent der europäischen Bevölkerung. Das strategische Ziel dieses Mongolenfeldherrn Batu Khan war nicht, wie vor allem in der deutschen Geschichtsschreibung angenommen, Schlesien, sondern Ungarn und damit auch Siebenbürgen. 1236 gelang Batu Khan die Unterwerfung der Wolgabulgaren. Zwei Jahre später eroberte er sämtliche russischen Städte, mit Ausnahme von Nowgorod. 1240 kam die Eroberung Kiews dazu. In dem entscheidenden Jahr 1241, dem Jahr des sogenannten Mongolensturms, fielen die „Tataren“, wie sie auch genannt werden, gleichzeitig über mehrere Karpatenpässe in Siebenbürgen ein und verwüsteten das Land. Am 11. April 1241, zwei Tage vor der Schlacht bei Liegnitz, besiegten sie den ungarischen König Béla IV. bei Móhi am Sajó. Béla IV., Sohn von Andreas II. und Gertrud von Andechs-Meranien, König von Ungarn und Kroatien und Herzog der Steiermark, hatte 1239 Batu Khan den offiziellen Kriegsgrund mit der Aufnahme der vor den Mongolen fliehenden Kumanen geliefert. Das ungarische Ritterheer war chancenlos gegen das Heer von Batu Khan, nicht nur wegen der Wendigkeit der mongolischen Reiter, die „mit ihren Pferden verwachsen“ zu sein schienen und bis zu zehn Pfeile pro Minute im Reiten abschießen konnten. Die Pfeile der Mongolen durchbohrten problemlos die Rüstungen der ungarischen Reiter. Die Schlacht im offenen Feld und der Bau einer Wagenburg waren entscheidende Fehler des ungarischen Königs. Im Juni 1241 stand das Mongolenheer in Niederösterreich und die ganze Christenheit wurde in Angst und Schrecken versetzt. Beim Vormarsch des Heeres zum Borgo-Pass und nach Rodenau wurde die militärische Stärke der Siebenbürger Sachsen deutlich, die dem Großreich tapfer widerstanden. Als die Mongolen 1242 überraschend abzogen, hinterließen sie ein Bild der Verwüstung. Von Kirchen und Palästen waren nur noch Ruinen übrig.

Die Erkenntnis darüber, dass ein altes Verteidigungssystem versagt hatte, führte zu einer Neuorientierung. Städte wurden zu Bollwerken und Katalysatoren ökonomischer Entwicklung. Nach dem Mongolensturm und bis weit ins 14. Jahrhundert hinein riefen ungarische Adlige und sächsische Gräfen Siedler aus dem Westen auf ihre Besitzungen im Zwischenkokel- bzw. Zekeschgebiet und das Land konnte gemeinsam mit den „hörigen“ und den „freien“ Sachsen neu aufgebaut werden. Das Städtewesen wurde nach Siebenbürgen verpflanzt.

Der Referent belegte seinen Vortrag mit anschaulichen Aufnahmen, unter anderem Darstellungen aus der Wiener Bilderchronik (Thuroczy) und Aufzeichnungen aus der „Carmen Miserabile“ des Großwardeiner Domherren Rogerius von Torre Maggiore. Konrad Gündisch hat Geschichte erlebbar gemacht, nicht nur dadurch, dass er mit seinen Studenten diese historischen Stätten besucht hat, sondern auch mit seinem gelungenen Vortrag in Stuttgart.

Waltraut Stirner-Lohrmann

Schlagwörter: Stuttgarter Vortragsreihe, Geschichte, Gündisch

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