26. September 2016

Pomona-Zipser-Ausstellung in München: „Stumme Diener“

Die Galerie Van de Loo in München (Gabelsberger Straße 19; Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag, 11-18 Uhr, Samstag, 12-16 Uhr), zeigt noch bis 15. Oktober 2016 die Ausstellung „Stumme Diener“ der in Hermannstadt geborenen Künstlerin Bildhauerin und Malerin Pomona Zipser (Tochter der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreisträgerin Katharina Zipser). Einst bezeichnete man als stumme Diener jene hilfreichen Kleiderständer, welche die abends abgelegten Herrenanzüge – im Unterschied zur gemeinen Stuhllehne – knitterfrei aufnahmen. Der einfühlsame Betrachter wird bald erkennen, dass es sich hier bei Pomonas Vorschlägen, weniger um ein Möbelstück, als um ein Element der Wohngemeinschaft, also um einen neuen, potenziellen Hausgenossen handelt.
Wie immer greift Pomona Zipser auf gefundenes Material zurück und recycelt es zu einer unerwarteten Auferstehung. Wie immer sind ihre Stücke offen für Deutungen und Assoziationen des Betrachters. Darüber hinaus behaupten sie aber auch ihre eigene, wesentliche Freiheit. Es ist die Freiheit des Vorläufigen, des Versuches und Zweifelns. Das Wesen ihrer Kunst ist nicht statisch, nicht determiniert, sondern im Grunde konjunktivisch.
Pomona Zipser - stumme Diener: mit Mode von ...
Pomona Zipser - stumme Diener: mit Mode von Michael Wagner und Maßschuhen von Lotte Post
Der neue, hier vorgestellte Hausgenosse hat gegenüber einem zweibeinigen einige Vorzüge. Er ist stumm und ortsfest. Also kein nerviges Gequassel und Geschussel. Dazu ist er auch geduldig und flexibel. Man kann Hand anlegen, um z. B. Schuhe oben abzustellen, oder gar eine Vorrichtung bedienen, welche die ganze Chose mit allen Kleidungsstücken bis an die Decke hochhebt. Dann könnten die Nachbarskinder gefahrlos Ringelreihen darunter spielen. Jetzt zeigen sich die Werkstücke, woraus das Kunstwerk gefertigt wurde: zwei rückwertige Stuhlbeine, die sich in die Zimmerdecke stemmen, sodann folgt zwar kein Sitz, aber darunter die Rückenlehne. Äußerst pikant ist auch das Nachtkästchen „Lola Lollobrigida“, das aus Bestandteilen unterschiedlicher, auch ungeklärter Herkunft besteht. Da gibt es unzählige, verwirrende Türchen, Schubladen und Fächer. Flaschen und Fläschchen, kleinere und größere Gläser für allerlei Getränke finden hier Platz, Umschläge für günstige und bedrohliche Schriftstücke, sowie Fotos und Zeitungsannoncen. Es fehlt auch nicht eine kleine, diskrete Schachtel für „Betthupferl“. (Einst meinte dieses Wort meiner böhmischen Tante eine dicke Praline, welche sie uns Kindern abends vor dem Zubettgehen und zwar nach dem Zähneputzen, spendierte.) Betthupferl für Erwachsene sind heute natürlich pharmazeutische Mittel wie „Gras“ und Viagra, Baldrian und Magnesium, die gegen nächtliche Beschwerden helfen sollen. Ein unbeirrt Suchender wird vielleicht in einer verborgenen Ecke jenen kleinen Spiegel entdecken, in dem sich Eulen spiegeln…

So weit, so gut, wäre da nicht der erhobene Zeigefinger und die Frage der Spielverderber nach der Freiheit und Grenzen der Kunst. Der berühmte tote Hase, dem Joseph Boys einst die Kunst erklärt hatte, ist längst unter der Erde. Somit gibt es keinen, der kompetente Auskunft geben könnte. Es empfiehlt sich einige recht zutreffende negative Regeln beachten. Z. B. um einen Roman zu verstehen, brauchst du nicht daran zu riechen; und um ein Bild zu beurteilen, halte es nicht ans Ohr. In unserem Falle lautet der positive Rat: Schau mit den eigenen Augen und nicht durch das Fernrohr der Theoretiker. Wenn dir im Betrachten die innere Stimmigkeit eines Stückes, seine Authentizität aufgeht, hast du auch einen Zipfel seiner Schönheit erwischt.

Johanna Letz

Schlagwörter: Pomona Zipser, Ausstellung, München

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