9. Dezember 2016

Streiflichter aus der Geschichte der Siebenbürger Sachsen

Neunte Folge: Verzicht auf eigenständige sächsische Politik unter „braunen“ Vorzeichen - Die „Erneuerungsbewegung“ der 1920er und beginnenden 1933er Jahre hatte den Weg zur nationalsozialistischen Ausrichtung siebenbürgisch-sächsischen Lebens und siebenbürgisch-sächsischer Politik geebnet. Die geschwächte „alte“ Funktionärsschicht, selbst in „Volkspartei“ und „Bürgerabend“ gespalten, versuchte krampfhaft, durch Taktieren und Finassieren wieder an Terrain zu gewinnen und den innersächsischen Generationenkonflikt für sich zu entscheiden. Die erfolgreichen „Erneuerer“ aber lieferten einander einen unerbittlichen Kampf um die Macht, die sie aufgrund des neuen Volksprogramms in einer Hand konzentrieren wollten.
Bei diesem immer wieder aufflammenden Kampf handelte es sich weniger um einen grundlegenden ideologischen Richtungsstreit als um persönliche Auseinandersetzungen zwischen machthungrigen, ehrgeizigen, selbstsüchtigen, eitlen, intriganten und nachtragenden Gestalten, die einander die ersehnte „Führer“-Rolle streitig machen. Auf diese Weise betrieben sie zwar eine an (Melo-) Dramatik kaum zu überbietende Tagespolitik, die sie als „Richtungsstreit“ ausgaben, wirkten aber eigentlich orientierungslos und damit desorientierend. Sie hofften jeweils auf Unterstützung aus dem „Reich“ und überboten sich beim Nachweis „echt“ nationalsozialistischer Gesinnung, was zur stufenweisen Radikalisierung der „Bewegung“ beitrug, da jeweils als gemäßigter geltende Figuren von radikaleren abgelöst wurden. Diese ambitiösen Tagespolitiker zogen dabei – manchmal selbst miteinander rivalisierende – Institutionen und Personen des NS-Regimes in die Auseinandersetzung hinein, riefen reichsdeutsche Vermittler an und wurden im Kontext der zunehmend auf Expansion ausgerichteten Außenpolitik Hitlers zu dessen allzu willigen Instrumenten. Gleichzeitig ignorierten sie weitgehend die rumänische Regierung und ihre Behörden, zumal jene, die den Rechtsradikalismus im Lande bekämpften. Die Distanz zum Staatsvolk und zum Staat, dem die Sachsen angehören, wurde in den dreißiger Jahren beständig vergrößert. Dazu trug allerdings auch die wirtschaftliche, soziale und politische Dauerkrise Rumäniens bei, die sich im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise und der innenpolitischen Radikalisierung verschärft hatte.
Karl Hübner: Honterusfest in Kronstadt, 1939, Öl ...
Karl Hübner: Honterusfest in Kronstadt, 1939, Öl auf Leinwand, 113,5 x 179 cm, Familienbesitz (z.Z. als Leihgabe im Deutschen Forum Kronstadt). Die stark idealisierte, fast schon apotheotische Darstellung des größten Volksfestes der Siebenbürger Sachsen zeigt die sog. Quellenrede, bei der jeweils der zuletzt ans Honterus-Gymnasium berufene Lehrer (links oben) an der Honterusquelle vor den versammelten Coeten in Flaus und den in Festtracht erschienenen Gästen sprach. Das kleine Mädchen trägt neusächsische Tracht, der sich abwendende Junge vorn in kurzer Hose mit Koppel und Koppelschloss scheint den (Un-)Geist der DJ vorwegzunehmen. 1939 wurde das Honterusfest zum letzten Mal vor dem Zweiten Weltkrieg gefeiert – nach „neuer Art“, stramm völkisch und ohne Flaus. Foto: Deutsches Forum Kronstadt, Bildtexte: Konrad Klein
Der Versuch, die internen sächsischen Probleme durch einen als völkische Pflicht angemahnten Beistand des Reiches zu lösen, machte die Siebenbürger Sachsen ebenso wie die anderen deutschen Minderheiten Rumäniens zum Fremdkörper im eigenen Staat, ließ sie als eine „fünfte Kolonne“ Hitlerdeutschlands erscheinen. Diesen Argwohn der rumänischen Regierungskreise belegt bereits das 1934 ausgesprochenen Verbot der Nationalsozialistschen Selbsthilfebewegung der Deutschen in Rumänien (NSDR), das allerdings gleichzeitig auch gegen rechte, nationalistische Bewegungen der Rumänen selbst verhängt wurde.

In diesem von rumänischer Staatsräson und deutschem Expansionismus geprägten Umfeld wandelte sich die bedrohte, von Existenzängsten geplagte und defensiv eingestellte deutsche Minderheit zu einer herausfordernden „Volksgruppe“ – eine fatale Entwicklung. Die sächsische Bevölkerung, in ihrer Mehrheit konservativ, der Kirche verbunden und jedem Extremismus abhold, wurde von den Möchtegern-Führern der dreißiger Jahre in diese Entwicklung hineingerissen. Den Weg dazu geebnet haben allerdings auch die überlieferten politischen Strukturen, die Harald Roth als „Gefolgschaftsdemokratie“ charakterisiert, die jahrhundertelang gepflegte Abschottung der Sachsen gegenüber den Nachbarn anderer Herkunft, anderen Standes oder anderen Glaubens sowie die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkt deutschnationale Ausrichtung ihres Identitätsbewusstseins.

Es macht wenig Sinn, auf die wenig erquicklichen tagespolitischen Entwicklungen der Jahre 1933-1940 detailliert einzugehen, die ephemeren Gestalten aufzuführen und damit aufzuwerten, die einander bekämpft haben, so sehr auch deren plötzliches Auftreten und oft ebenso rascher Abgang die Zeitgenossen bewegt haben mag. Wichtig erscheint es eher, Tendenzen und Wegscheiden einer Entwicklung nachzuspüren, die binnen weniger Jahre zur Umwandlung einer seit Jahrhunderten eigenständig und selbstbewusst handelnden, in ihrer Heimat fest verankerten sächsischen Gemeinschaft zu einer gleichgeschalteten und ferngesteuerten deutschen Volksgruppe geführt haben, die den Keim ihrer Vernichtung in sich trug.

„Gemäßigte“ gegen Radikale

Der auf dem 5. Sachsentag erfolgreiche Fritz Fabritius konnte sich nach 1933 nicht, wie eigentlich erwartet, als sächsischer „Führer“ durchsetzen. Seine „Selbsthilfe“ bewegte sich noch weitgehend im Rahmen der traditionellen sächsischen Strukturen, als Opposition gegen eine wenig erfolgreiche und der sozialen Not ihrer Mitbürger entrückte Führungsschicht. Zunächst war er aber für die reichsdeutsche Politik als „Gemäßigter“ interessant. Um die außenpolitische Umarmungsstrategie eines (kriegs-) wirtschaftlich und strategisch wichtigen Partners wie Rumänien nicht zu gefährden, sollte er sich um einen Ausgleich unter den Sachsen bemühen und, insbesondere, alles vermeiden, was den Vorwurf einer reichsdeutschen Fernsteuerung untermauern konnte. Dem schlichten, politisch unerfahrenen Fabritius gelang es jedoch nicht, die komplexen Sachzwänge und Motive für sein „gemäßigtes“ Auftreten zu vermitteln. 1935 gründeten seine Gegner aus den eigenen Reihen in Temeswar die „Deutsche Volkspartei in Rumänien“ (DVR) als neuen Regionen übergreifenden Verband.

Den gemäßigten „Erneuerern“ gelang es 1935 für kurze Zeit, ihre Position zu festigen, Fritz Fabritius wurde zum Vorsitzenden der „Volksgemeinschaft der Deutschen in Rumänien“ gewählt. Er setzte die Verabschiedung eines gemeinsamen „Volksprogramms“ aller deutschen Siedlergruppen des Landes durch, das weitgehend jenem der Sachsen von 1933 folgte, das er wesentlich mitgestaltet hatte. In der neuen Position eines „Landesobmanns“, den das Programm mit großen Machtbefugnissen im Sinne des „Führerprinzips“ ausgestattet hatte, konnte er sich jedoch nicht gegen die radikaleren Kräfte durchsetzen. Das hing auch mit der ambivalenten Verhalten der reichsdeutschen Ämter zusammen, die zwar die „Gemäßigten“ bevorzugten, um die rumänische Regierung nicht zu irritieren, jedoch jede öffentliche Verurteilung der „Radikalen“ vermieden.

In den Jahren 1937-1938 machte sich in der rumänischen Öffentlichkeit und Politik eine zunehmend nationalistische Stimmung breit. Die Dauerkrise des Staates, dem es auch nach zwei Jahrzehnten nicht gelungen war, die angeschlossenen Provinzen zu integrieren, das durch unterschiedliche Affären beschädigte Ansehen des Königs, der Zulauf zu rechtsradikalen, nationalistischen Gruppierungen, nicht zuletzt die schriller werdenden revanchistischen Töne aus Ungarn, all das mündete in hektische Stabilisierungsversuche, die auch Maßnahmen gegen die renitenten Minderheiten beinhalteten. Zu diesen gehören vor allem:

1. Die Auflösung der Stiftung Sächsische Nationsuniversität (1936), deren Vermögen nicht allein der sächsisch-evangelischen Kirche, sondern zu gleichen Teilen auch der rumänisch-orthodoxen und der rumänisch-unierten Kirche überantwortet wurde. Die Sachsen fühlten sich ein weiteres Mal enteignet.

2. Die Bestimmungen über die Ablegung der Reifeprüfung in rumänischer Sprache, vor einer rumänischen Prüfungskommission (1937). Viele sächsische Gymnasiasten konnten das Abitur nicht ablegen und damit nicht den Nachweis der Hochschulreife erhalten.

3. Das Gesetz „zum Schutz der nationalen Arbeit“ (1937), das einen „numerus Valachicus“ in den Betrieben vorsah und für große Aufregung sorgte.

Herwart Scheiner und Dr. Waldemar Gust (Mitte) ...
Herwart Scheiner und Dr. Waldemar Gust (Mitte) auf einer Veranstaltung der DVR (1937). Scheiner war 1937-1939 Herausgeber der Deutschen Tageszeitung, für die auch das Spruchband wirbt („Lest und beziehet die Tageszeitung, das Blatt der Deutschen in Rumänien“). Das Kampfblatt der „Fabritianer“ war die von 1935 bis 1939 erschienene Zeitung Süd-Ost. Foto: Gottfried Lutsch(?), Sammlung Dagmar Gust, Rimsting
1938 versuchte Carol II., die prekäre innen- wie außenpolitische Situation seines Landes durch Proklamation einer „Königsdiktatur“ zu stabilisieren. Der Belagerungszustand wurde verkündet, alle Parteien, auch die deutschen, wurden aufgelöst, die „Eiserne Garde“ mit äußerster Härte verfolgt. Gleichzeitig suchte der König eine Annäherung an Hitlerdeutschland. Entgegenkommen sollte auch die Einrichtung eines Generalkommissariats für Minderheiten signalisieren, das 1939 kurzzeitig zum Ministerium erhoben wurde. Die reichsdeutschen Stellen wirkten aus dem gleichen Grund auf eine Beruhigung der deutschen Minderheit ein: Die seit 1937 arbeitende „Volksdeutsche Mittelstelle“ (VoMi) unter SS-Obergruppenführer Werner Lorenz erzwang 1938 eine Einigung zwischen den „gemäßigten“ und den „radikalen“ Erneuerern. Erinnert man sich daran, dass die „Erneuerer“ ursprünglich gerade gegen die Kooperation der sächsischen Führung mit den rumänischen Regierungsparteien zu Felde gezogen waren, so wird ihre politische Entmündigung noch deutlicher. Da sich Fabritius durch ungeschickt-provozierendes Verhalten gegenüber rumänischen Regierungsstellen unmöglich gemacht hatte, griff die VoMi ein. Fabritius und sein schärfster Rivale wurden veranlasst, nach Deutschland umzuziehen, nach einer Übergangszeit wurde die Führung der Rumäniendeutschen dem 28-jährigen Andreas Schmidt, einem willfährigen Instrument Berlins, anvertraut. Kurz darauf wurde am 9. November 1940 in Mediasch die „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei der Deutschen Volksgruppe in Rumänien“ gegründet.

„Gleichschaltung“ und „Zusammenbruch“

Vorangegangen war eine rasante innen- und außenpolitische Entwicklung im Kontext und in der Folge des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges sowie der ersten großen Erfolge der Achsenmächte. Sie mischten sich nun offen im rohstoffreichen Südosten Europas ein und profitierten von den wachsenden Spannungen zwischen Rumänien und Ungarn. 1940 wurden diese durch den sogenannten Zweiten Wiener Schiedsspruch des Deutschen Reiches und Italiens in einer Weise entschieden, die niemanden befriedigte. Die mehrheitlich von Magyaren und Szeklern bewohnten Gebiete im Norden und Osten Siebenbürgens mit Klausenburg, Bistritz, Sächsisch-Regen und den Szekler Stühlen wurden Ungarn zugesprochen. Durch das „Wiener Diktat“ wurde Siebenbürgen erstmals in seiner Geschichte geteilt, auch die Siebenbürger Sachsen gehörten plötzlich zwei miteinander weiter rivalisierenden Staaten an.
Deutsch-rumänische Waffenbrüderschaft beim ...
Deutsch-rumänische Waffenbrüderschaft beim „Unternehmen Barbarossa“: Dr. Otto Folberth, Berichterstatter der volksgruppeneigenen Propagandaabteilung (P.A.), im Gespräch mit einem reichsdeutschen Stuka-Pilot im Juli 1941 in Bessarabien. Abbildung aus „Der Marsch in den Osten. Kriegsberichte der Deutschen Volksgruppe in Rumänien“. Hermannstadt 1941. Foto: Oskar Netoliczka (oder Albert Schotsch)
Carol II., der gleichzeitig die erzwungene Abtretung Bessarabiens und der Nordbukowina an die Sowjetunion zu verantworten hatte, musste zurücktreten; der autoritäre Marschall Ion Antonescu und die rechtsradikale „Eiserne Garde“ übernahmen die Macht. Sowohl Rumänien als auch Ungarn mussten sich angesichts der überdeutlichen Macht und der nunmehr unverhohlenen Einmischung des Deutschen Reiches auch im Umgang mit ihren deutschen Minderheiten dem Willen Berlins fügen. In deutsch-rumänischen und deutsch-ungarischen Protokollen wurden den jeweiligen nationalsozialistisch orientierten deutschen Volksgruppen der beiden Länder weitestgehende Selbstveraltungsrechte eingeräumt. Daraufhin wurde am 20. November 1940 ein rumänisches Gesetz erlassen, das die „Deutsche Volksgruppe“ zur „juristischen Person“ und zum „nationalen Willensträger“ aller rumänischen Staatsbürger erklärte, „deren deutsche Volkszugehörigkeit auf Grund ihres Bekenntnisses zum Deutschen Volk von Seiten der Volksgruppenführung anerkannt wurde“. Die Volksgruppe durfte „zur Erhaltung und Festigung ihres nationalen Lebens Bestimmungen mit verpflichtendem Charakter für ihre Angehörigen“ erlassen und neben der rumänischen „auch die Flagge des deutschen Volkes hissen“. Praktisch stimmte die rumänische Regierung damit der Bildung eines „Staates im Staate“ zu, machte die Angehörigen seiner deutschen Minderheit, ob sie es wollen oder nicht, zu Angehörigen einer nationalsozialistischen Einheitspartei. Der nach dem Krieg wiederholt erhobene Vorwurf, alle Rumäniendeutschen seien NSDAP-Mitglieder gewesen, ihre nunmehrige Verfolgung als Gruppe sei demnach berechtigt, fällt auf den Staat selbst zurück.
Andreas Schmidt betrieb keine sächsische Minderheitenpolitik, sondern tat, von der VoMi gegängelt, alles, was den Interessen des Deutschen Reiches diente. Zunächst leitete er systematisch die Gleichschaltung aller sächsischen Institutionen und Gruppierungen ein. Bischof Viktor Glondys, ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus, wurde aus seinem Amt gedrängt und durch den völkisch-radikalen Pfarrer Wilhelm Staedel ersetzt. „Ämter der Volksgruppenführung“ arbeiten als Quasiministerien für „Volkswirtschaft“, „Landesbauernschaft“, „Schulwesen“ oder „Presse und Propaganda“. Die Schulaufsicht wurde der Landeskirche entzogen, die alten Presseorgane wurden aufgelöst und im Zentralorgan Südostdeutsche Tageszeitung zusammengefasst, ein Amt für Rassenhygiene gegründet, die Vereine aufgelöst oder einfach mundtot gemacht, so auch der traditionsreiche „Verein für siebenbürgische Landeskunde“, dessen Periodika eingestellt wurden. Selbst vor dem identitätsstiftenden Namen der Sachsen machte die offizielle Sprachregelung nicht Halt: sie mussten sich nun „Siebenbürger Deutsche“ nennen. Schmidt erfüllte zwar mit reichsdeutscher Rückendeckung praktisch alle sächsischen Forderungen der Zwischenkriegszeit, doch dienten diese Erfolge nicht seinem Volk, dem er von Anfang an entrückt war, sondern seiner persönlichen Macht und, vor allem, seinen Berliner Befehlsgebern. Er führte keine sächsische, auch keine rumäniendeutsche Politik, im Gegenteil, er band seine „Volksgenossen“ unlösbar und unentrinnbar an das Schicksal einer abenteuerlich-expansionistischen Reichspolitik, die im Desaster endete.

Einen weiteren Höhepunkt dieser Auslieferung der Rumäniendeutschen an das Reich bildete das deutsch-rumänische Abkommen von 1943, das die Einreihung rumänischer Staatsbürger in die Waffen-SS vorsah. Die paradoxe Folge: Siebenbürger Sachsen dienten während des Krieges in drei Truppenverbänden. Die vor 1943 Einberufenen waren Soldaten im rumänischen oder ungarischen Heer, die Wehrpflichtigen der jüngeren Jahrgänge wurden Angehörige der Waffen-SS. Zwar wurde im Abkommen das Prinzip der Freiwilligkeit vorgesehen, doch gab es eigentlich keine Alternative angesichts des Gruppenzwangs, den die politische und auch die kirchliche Führung, die überlieferte Minderheitendisziplin, der moralische Druck der Nachbarn und Freunde ausübten. Die tragischen Folgen: Viele der sächsischen Jugendlichen wurden im Dienst der SS-Division „Prinz Eugen“ Opfer eines mörderischen Krieges, fielen oder wurden verstümmelt. Sie erlebten etwa die Brutalitäten des Balkanfeldzugs und mussten sich an ihnen beteiligen. Manche wurden zu Wachtrupps von Konzentrationslagern abkommandiert, einige zu grausamen Tätern, unter ihnen Dr. Fritz Klein, der 1946 als Kriegsverbrecher hingerichtet wurde, und der gleichfalls verurteilte Auschwitz-Apotheker Dr. Viktor Capesius. Nach dem Krieg konnten die SS-Mitglieder auch nicht in die Heimat zurückkehren, wurden von ihren Familien getrennt.
„Eheweihe“ von Volksgruppenführer Andreas Schmidt ...
„Eheweihe“ von Volksgruppenführer Andreas Schmidt und Krista Berger (1922-1942), einer Tochter des reichsdeutschen Chefs des SS-Hauptamtes Gottlob Berger, vollzogen am 8. Februar 1941 in Berlin. Als Brautgeschenk überreichte der „Reichsführer-SS“ Heinrich Himmler (hinten rechts) dem Paar zwei silberne Hochzeitsbecher (siehe Foto in der Südostdeutschen Tageszeitung, Ausgabe Siebenbürgen, vom 29. März 1941). Foto: Friedrich Franz Bauer, Bildarchiv Konrad Klein
Opfer einer von ihnen nicht mitbestimmten Politik wurden auch die Daheimgeliebenen, nachdem das Kriegsglück Hitler verlassen hatte. 1944 rückten sowjetische Verbände auf rumänischem Boden vor, am 23. August des Jahres unterzeichnete Rumänien einen Waffenstillstand mit den Alliierten und erklärte seinem bisherigen Bündnispartner den Krieg.
Für diese Situation hatte die Volksgruppenführung kein Konzept ausgearbeitet. Sie flüchtete oder versteckte sich und überließ die Sachsen ihrem Schicksal. Ihrem Gegner, dem von ihnen kaltgestellten konservativen Politiker Hans Otto Roth, blieb es überlassen, seine Landsleute am 31. August aufzurufen, ruhig und besonnen zu bleiben und Kontakte zu den Politikern der neuen rumänischen Regierung zu knüpfen.

Allein im zu Ungarn gehörenden Nordsiebenbürgen war man einigermaßen vorbereitet. Der SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Artur Phleps, ein Siebenbürger Sachse, ordnete hier am 7. September die Evakuierung der sächsischen Bevölkerung an. In organisierten Trecks verließen die Sachsen aus Nord- und einigen Gemeinden Mittelsiebenbürgens, die zum ungarischen Teil gehörten, ihre Heimat. Es war ein herzergreifender Abschied für immer. Die meisten erreichten, nach zahlreichen Entbehrungen, Österreich und ließen sich später in Deutschland nieder. Damit zeichneten sie einen Weg der nunmehr auf zwei Worte verkürzten Alternative sächsischer Entscheidung – Bleiben oder gehen? – vor, einen Weg, den in der Folgezeit, immer mehr Landsleute beschritten.

Im Oktober 1944 wurde auch Nordsiebenbürgen von sowjetischen und rumänischen Truppen besetzt, der Wiener Schiedsspruch rückgängig gemacht. In ganz Siebenbürgen setzte nun, wie im gesamten rumänischen Staat, die systematische Verfolgung der Anhänger des faschistischen Regimes ein. Zu ihnen wurden pauschal alle Deutschen des Landes gezählt. Enteignung, Entrechtung, Deportation sind nur einige der Folgen, die die deutsche Bevölkerung im Zuge der kommunistischen Machtübernahme und Umgestaltung des Landes besonders trafen, allerdings auch unzählige andersnationale Mitbewohner. An der Gestaltung des Landes wurden sie nicht mehr beteiligt, auf eine eigenständige Politik allerdings hatten sie schon vor einigen Jahren verzichtet.

Dr. Konrad Gündisch

Schlagwörter: Geschichte, Streiflichter

Bewerten:

51 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.