23. Juli 2017

750 Jahre Mediasch

In der Urkunde vom 3. Juni 1267 erwähnt Stephan V, Mitregent seines Vaters, Béla IV, dass „Jula, Medies, Mykazaza (Fägendorf), preadium Nicolai (Furkeschdorf) und Thobiasfalu (Tobsdorf)“ sich im Besitz des siebenbürgischen Woiwoden Nikolaus befunden hatten. Am Ufer der Großen Kokel gelegen, wird Mediasch hier erstmalig urkundlich erwähnt, damals noch ein kleines Dorf auf ungarischem Adelsboden. Das spätestens ab 1365 als „Zwei Stühle“ (Medisch und Schelk) bekannte Gebiet rund um die heutige Stadt erringt im 14. Jahrhundert den rechtlichen Anschluss an den Königsboden. Mehrere reiche Orte konkurrieren dort lange um die Vorherrschaft. 1552 obsiegt Mediasch vor Birthälm, Meschen und Reichesdorf und wird zum bleibenden Sitz des Königsrichteramts; es erhält das Statut einer „königlichen freien Stadt“.
Schon vorher hatten die stolzen Mediascher jene äußeren Zeichen ihrer Leistungskraft erschaffen, die bis heute das Bild der Stadt prägen: Die Stadtkirchenburg mit der gotischen Marienkirche und dem Tramiterturm, den man mit vier Türmchen versah und einem glasierten Ziegeldach, das an St. Stephan in Wien erinnern sollte.

Dem Weinbau und zahlreichen Handwerkern verdankt die Stadt über viele Jahrhunderte einen nicht unerheblichen Wohlstand. Aber erst die Entdeckung des Erdgases Anfang des 20. Jahrhunderts führt zu einem raschen wirtschaftlichen Aufstieg. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung stark an. Zwei Glasfabriken, eine Emaillegeschirrfabrik, eine große Gerberei und zahlreiche kleinere und mittlere Industriebetriebe sorgen dafür, dass die Stadt auch noch in der Zeit des Kommunismus leistungsstark und angesehen ist. Zu Beginn der 1980er Jahre erreichte die Bevölkerung ihren Höchststand mit ca. 83000 Einwohnern, davon rund 10000 Deutsche. Nach 1989 verließen die meisten Sachsen ihre Heimatstadt, so dass heute nur noch wenig mehr als 800 Deutsche in Mediasch leben. Da die traditionelle Industrie nach dem Umsturz weitgehend zugrunde ging und keine nennenswerten Neuansiedlungen gelangen, sank die Stadtbevölkerung auf etwa 47000 Einwohner (2011).
Seit über fünf Jahrhunderten bewachen und ...
Seit über fünf Jahrhunderten bewachen und bewahren sie die Stadt: Kastell, Margarethenkirche und „Tramiter“, 2013. Foto: Hansotto Drotloff
Zahlreiche, auch über die Grenzen der Stadt bekannte Persönlichkeiten stammen aus Mediasch oder haben hier gelebt und geschaffen: der humanistische Dichter Christian Schesaeus, der Pfarrer, Schulmann und Kämpfer für Verständigung und Frieden unter den Ethnien Siebenbürgens Stephan Ludwig Roth, der „Vater der Weltraumfahrt“ Hermann Oberth u.a. Am 3. Juni 2017 organisierten die Stadtverwaltung und zahlreiche Vereine und Institutionen eine Reihe von Feierlichkeiten. Sie begann mit einer Buchvorstellung und wissenschaftlichen Tagung. Die Mediascher Historiker Helmuth Julius Knall und Vasile Mărculeț stellten den dritten Band aus der Reihe „Mediaș 750“ vor. Im Zeitraum 2015-2019 werden insgesamt fünf Bändchen mit Studien zur Stadtgeschichte vorgelegt werden. Von den 15 Referaten sollen nur einige besonders hervorgehoben werden. Gudrun Liane Ittu (Hermannstadt) referierte über das Stadtleben im 18. Jahrhundert, wie es in den Tagebüchern und Briefen der Familie Heydendorff widerspiegelt ist. Viorel Ștefu vom Munizipalmuseum Mediasch berichtete über das kulturelle Leben der sächsischen Gemeinschaft zwischen den beiden Weltkriegen, Marian und Vladimir Turcu über die Tätigkeit des Mediascher Turnvereins im 19. Jahrhundert. Besonders interessant war der reich bebilderte Vortrag von Helmuth Julius Knall, der bisher unbekannte alte Bücher und Manuskripte aus Mediascher Bibliotheken und Archiven vorstellte.

Im ehemaligen Kreuzgang des Franziskanerklosters am Zekesch, wo heute das Museum der Stadt untergebracht ist, wurde die Ausstellung „Mediasch in der Kartographie“ eröffnet. Das städtische Museum, das Archiv der Stadt und die Heimatgemeinschaft Mediasch haben eine komplette Schau der Karten, Stadtpläne und alten Veduten der Kokelstadt zusammengestellt. Sie kann auch während des Mediascher Treffens vom 11.-14. August besichtigt werden.

Im Schulerhaus fand sodann ein Ereignis statt, das für Mediasch als ehemaliges Zentrum des Weinbaus im Kokelland hoffentlich mehr als nur eine symbolische Bedeutung hat. Der Unternehmer Octavian Isăilă, der vor Jahren bereits die Makenrechte für den Namen Caspari erworben hat, ließ erstmals seit vielleicht 70 Jahren wieder Wein unter diesem prestigeträchtigen Namen abfüllen. Unter dem Motto „Caspari – eine Legende lebt wieder auf“, erinnert Isăilă damit nicht nur an ein bekanntes Weinlabel von der Kokel, sondern gleichzeitig an eine alteingesessene Mediascher Familie. Der Name von Friedrich Caspari (1858-1935) ist mit dem Wiederaufleben des Weinbaus in Siebenbürgen eng verbunden. In den 1880er Jahren hatte die Reblaus (Phyloxera) die Weinberge in Siebenbürgen praktisch vollständig zerstört. Caspari, der von 1892-1902 staatlicher Phylloxera-Kommissär tätig war, gelang es durch die Einfuhr von sogenannten „Amerikaner-Reben“ gegen Reblaus resistente Träger zu ziehen, auf die bekannten Edelreben aufgepfropft wurden. Aus seinen eigenen Amerikaner-Rebmuttergärten und Rebschulen für Pfropfreben lieferte er auch weit über die Grenzen Siebenbürgens hinaus. Durch den „Zusammenbruch“ und die bald installierte kommunistische Diktatur ging sein Vermögen, wie das so vieler anderer, verloren. Die Umweltgifte aus den Kopischer Buntmetall- und Rußwerken vernichteten die Weingärten an der Kokel, auch das Wissen um die Arbeit im Weinberg ging weitgehend verloren.

Octavian Isăilă gehört zu jenen jüngeren Unternehmern in Siebenbürgen, die an alte Traditionen anknüpfen wollen, um sie unter den heutigen Gegebenheiten fortzuführen und weiter zu entwickeln. Für den 3. Juni 2017 hat er die ersten Flaschen Neuburger aus dem Weingut in Seiden (Jidvei) an der Kleinen Kokel unter dem Namen „Caspari Mediaș“ auf Flaschen ziehen lassen und wird die elegant beschrifteten und in Holzkistchen verpackten Produkte ab diesem Sommer zum Verkauf anbieten. Neuburger ist insofern eine interessante Wahl, als diese einst von Caspari vermarktete Sorte derzeit nicht auf dem Markt zu finden ist. Sie wird bisher nur zum Verschnitt weniger edler Riesling-Weine genommen. Natürlich hätte man bei dieser Gelegenheit lieber einen Wein aus Mediascher Rebhängen in den Caspari-Flaschen gesehen, doch das könnte oder sollte ein nächster Schritt sein. Octavian Isăilă hätte alles richtig gemacht, wenn seine Initiative nicht nur die Legende eines mit dem Weinbau eng verbundenen Familiennamens wieder beleben würde, sondern den Weinbau an der Kokel selber.

Der Tag des denkwürdigen Jubiläums endete mit einem Umzug, an dem sich Mitglieder mittelalterlicher Vereine in ihren Kostümen und Trachtengruppen der drei Ethnien – Rumänen, Ungarn und Sachsen – beteiligten, sowie einem bunten Musikabend auf dem Platz vor dem Rathaus. Die Veranstaltungen zum 750. Stadtjubiläum gehen am Ufer der Kokel weiter. Ihren Höhepunkt finden sie am 11. August, zeitgleich mit dem sechsten Mediascher Treffen, zu dem hoffentlich recht viele Besucher den Weg ins Weinland finden werden.

Hansotto Drotloff

Schlagwörter: Mediasch, Stadtgeschichte, Jubiläum

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