6. November 2017

Erinnerungen des siebenbürgischen Orgelbauers Karl Einschenk

So betrachtete der Kronstädter Orgelbauer und Firmengründer Karl Einschenk (1867-1951) seinen Werdegang, den er in seinen jüngst veröffentlichten Erinnerungen beschreibt. Die Lektüre ist natürlich für Organisten und Orgelbauer fachlich sehr interessant. Allerdings ist das Buch genauso gut einem breiten Publikum zu empfehlen, da es eine sehr lebendige und vielschichtige Perspektive auf das Alltagsleben des ausgehenden 19. Jahrhunderts bietet.
Einschenks Werdegang begann in Siebenbürgen und führte ihn des Weiteren zehn Jahre lang durch Budapest, Wien, Bayern, die Schweiz, die Steiermark und durch Slowenien. Umgangssprachlich und zwanglos erzählt, gibt der Text Einblick in das erlebte soziale Umfeld: den Status eines Lehrlings, Beziehungen unter den Gesellen, Geschäftsführung des Meisters (nicht immer verantwortungsvoll), Arbeit in kalten Kirchen oder in einer edlen Adligenresidenz. Interessant ist auch das Bild, das von der Arbeitsmoral in den verschiedenen Gegenden vermittelt wird: übertriebener Alkoholkonsum, Zwist, Faulheit und Misswirtschaft werden auch in solchen Werkstätten angetroffen, deren Instrumente teilweise auch heute noch recht ordentlich ihren Dienst tun. Auch Stadtbesuche und Freizeitprogramme werden erwähnt, wobei der eindeutige Höhepunkt von Einschenks Wanderjahren die Schweiz ist: „Die schönsten Tage meines Lebens habe ich in der Schweiz erleben dürfen, und nun fängt ein zweiter Abschnitt meines Lebens an. Dieser ist voll von Enttäuschung, Kummer und Sorgen” (S. 76). Eine solche Enttäuschung erfährt Einschenk, als er nach Kronstadt zurückkehrt. Obwohl er eigentlich mit seinem ersparten Geld nach Amerika wollte, lässt er sich überzeugen, in der Heimat zu bleiben und das Kapital in eine eigene Firma zu investieren. Dabei erfährt er hinterher weit weniger Unterstützung und Interesse als erhofft, zumindest bis 1901. Dies ist das Ende der Zeitspanne, die diese Erinnerungen beschreiben.

In dem von Christine Chiriac und Ursula Philippi herausgegeben Buch folgen auf Einschenks Memoiren ein kurzer Brief und zwei Gedichte des Orgelbauers, sodann noch Erinnerungen einiger seiner heute lebenden Nachkommen. Das Buch vermittelt Zeitgeschichte auf lebendige Art, vor allem im Hauptteil, der so anschaulich die damaligen (ca. 1870-1901) Zustände in der österreichisch-ungarischen Monarchie, Bayern und der Schweiz beschreibt.

Obwohl die Erinnerungen der Nachkommen das Bild von Einschenks Leben in sowohl interessanter als auch subjektiver Weise abrunden, wäre eine ausführlichere Ergänzung über die folgenden 50 Jahre (1901-1951) willkommen. Es ist nicht nur eine Zeitspanne geschichtlicher Turbulenzen, die niemanden verschonten, sondern auch die Zeit der Blüte von Karl Einschenks Firma. Trotz schwieriger Umstände baute er damals über 40 neue Orgeln und führte zahlreiche Reparaturen und Umbauten, nicht nur in evangelischen Kirchen, sondern auch in ungarischsprachigen Gemeinden durch.

Es ist sehr begrüßenswert, dass die Persönlichkeit Karl Einschenks mit diesem Buch eine Würdigung erfährt. Dank seiner in langen Wanderjahren erworbenen fundierten Kenntnissen war seine gediegene Arbeit absolut auf der Höhe ihrer Zeit und ließ Siebenbürgen an den hohen Standards Westeuropas teilhaben. Trotz „Enttäuschung, Kummer und Sorgen”, die ihm das Leben in Siebenbürgen brachte, oder auch gerade dadurch, hat Karl Einschenk seiner Heimat treu gedient. Auch wenn seine Umbauten heute aus denkmalpflegerischen Gründen manchmal rückgängig gemacht werden, ist seine Arbeit insgesamt betrachtet für die siebenbürgische Orgellandschaft eine Bereicherung. Die Orgeln erklingen bis heute nicht nur in evangelischen Gemeinden zum Lob Gottes.

Erich Türk


„Dass die höchsten und tiefsten Accorde schön harmonieren ...“. Erinnerungen des siebenbürgischen Orgelbauers Karl Einschenk. Herausgegeben von Christine Chiriac und Ursula Philippi, Schiller Verlag, Bonn – Hermannstadt, 2017, 126 Seiten, 12,80 Euro, ISBN 978-3-946954-08-8, erhältlich im Buchhandel und direkt beim Schiller Verlag, www.schiller.ro, deutsche Festnetznummer: (02 28) 90 91 95 57.

Schlagwörter: Buch, Vorstellung, Orgelbauer, Kronstadt

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