9. Februar 2018

Die Zukunft des Siebenbürgischen Museum

Das inhaltlich Unverwechselbare jener wichtigen musealen Einrichtung auf Schloss Horneck in Gundelsheim am Neckar wird auch in den kommenden Jahren auf die ursprünglich formulierte Kernaufgabe dieses seit über einem halben Jahrhundert existierenden Museums ausgerichtet bleiben: das Bewahren, Erforschen und Präsentieren von Zeugnissen längst vergangener siebenbürgischer Erfahrungswelten im Karpatenraum. Solches bedeutet jedoch nicht, dass dieses sehr lebendige Museum in einem Panzer des Ursprünglichen gefangen geblieben ist oder verbleiben soll.
Das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim versteht sich heute mehr denn je als eine Kulturinstitution im Dienste einer Gesellschaft der Veränderungen. Weil der generationsbedingte Wandel und das weltweite Phänomen der Migration die heutigen Lebensumstände schneller verändern als die Geschichte nachkommen kann, muss auch das Siebenbürgische Museum die historischen siebenbürgischen Lebensmodelle, die es analysiert und präsentiert, sinnstiftend in ihrer historischen Beispielhaftigkeit auf heutige und zukünftige soziale Leitbilder ausrichten.

Es gilt, den Erwartungen der Menschen an das Museum als Resonanzraum der Beziehung von Tradition und Wandel entgegenzukommen, zugleich das Interesse neuer gesellschaftlicher Gruppen an dieser alten Kultur europäischer Werte zu wecken. Gleichzeitig darf die wichtige Zielsetzung der derzeitigen und zukünftigen Museumsarbeit in Bezug auf die Erwartungshaltung der Erlebnisgeneration der Siebenbürger Sachsen nicht in den Hintergrund geraten: Die Museumsräume auf Schloss Horneck müssen diesbezüglich vieles sein: Räume der Erinnerung, der Vergewisserung sächsischer kultureller Identität im vielnationalen Kontext Siebenbürgens, Räume des emotionalen und ästhetischen Erlebens im Umfeld altvertrauter Dingwelten und zugleich Lehr- und Lernorte im Umgang mit dem eigenen kulturellen Erbe, Reflexionsräume rund um die Themen von Bewahrung der Überlieferung und deren Neugestaltung.
Hermann Morres: Winter in Kronstadt, 1943, Öl auf ...
Hermann Morres: Winter in Kronstadt, 1943, Öl auf Leinwand, Siebenbürgisches Museum Foto: © Siebenbürgisches Museum (Marius Tataru). Das Gemälde ist Teil der Dauerausstellung des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim.
Die Herausforderungen sind groß. Bei der heutigen Dynamik der gesellschaftspolitischen Ereignisse lassen sich Gegenwartsbefunde, die die Arbeit der Museumsfachleute mitzubestimmen haben, nicht immer zügig in ihrer Vielfalt und Relevanz entsprechend beurteilen. Es geht hierbei um kulturgesellschaftliche Phänomene wie den boomenden Kulturtourismus, die Digitalisierung, den Umgang mit Objekten in postfaktischer Zeit, die Relevanz des Museums für Lehr- und Lernkontexte, die Vernetzung auch mit Institutionen aus den bis dato weniger beachteten Bereichen wie Wirtschaft (Kreativwirtschaft), politische Organisationen, soziale Netzwerke und Medien. Das grenzüberschreitende Arbeiten mit Institutionen in Rumänien, Ungarn und darüber hinaus gehört mit zu den Zielkoordinaten musealer Arbeit in Gundelsheim, genauso wie die Aufgabe, verstärkt auch jene Gemeinschaften in Europa und Übersee (Österreich, Kanada, USA) mit in die Darstellung einzubeziehen, die sich nach Aussiedlung und Auswanderung in ihrer Identität auf das siebenbürgische Erbe berufen.

Erweiterung und Neugestaltung der Dauerausstellung

Die Voraussetzungen, das Siebenbürgische Museum erfolgreich in die Zukunft zu führen, sind in vielem gegeben. Gerade erst wurde die 20000er Marke in Bezug auf den Sammlungsbestand überschritten. Viele dieser Objekte, die größtenteils als Schenkungen ins Haus kamen, haben ihre Geschichte und die ihrer ehemaligen Besitzer mitgebracht, so dass zukünftige Präsentationen Dingwelten mit Erlebniswelten erfolgreich zusammenführen werden. Es ist bei einem derart reichen Sammlungsbestand leichter möglich, eine sogenannte „pädagogische Sammlung“ vorzubereiten, damit in den Ausstellungen Sachen ausprobiert und angefasst werden können, damit der Mitmachaspekt eine Konstante der pädagogischen Arbeit im Hause werden wird.
Dr. Irmgard Sedler, Vorsitzende des Trägervereins ...
Dr. Irmgard Sedler, Vorsitzende des Trägervereins Siebenbürgisches Museum Gundelsheim e.V. Foto: privat
Die größte Herausforderung in den nächsten zwei Jahren bleibt der Erweiterung und Neugestaltung der Dauerausstellung vorbehalten. Die Vorbereitungen für die einzurichtende Schatzkammer sind in vollem Gange, das Präsentationskonzept steht, ein Teil der jahrhundertealten Kostbarkeiten – Abendmahlkelche, Patenen, Paramente und Velum – werden derzeit restauriert. Das kostenintensive Projekt, das ein Glanzlicht im Museum darstellen soll, schreitet allerdings in dem Rhythmus weiter, in dem die Finanzierung möglich ist.

In enger Zusammenarbeit mit dem Schlossverein und seinem Vorsitzenden Dr. Konrad Gündisch steht das Projekt der Erweiterung der Dauerausstellung mit einer ca. 400 Quadratmeter umfassenden Bodenfläche im ersten Stock des Schlosses an. Mit der hier angedachten Präsentation des bedeutenden Kunstbestandes unseres Hauses erfüllt das Siebenbürgische Museum den Herzenswunsch vieler Besucher, einen Ausstellungsbereich mit der auratischen Kraft des Musischen einzurichten, gleichzeitig aber auch der siebenbürgischen Kunst der letzten anderthalb Jahrhunderte einen würdigen Standort im öffentlichen deutschen Bewusstsein zu geben und Namen wie Coulin, Mies, Eder, Graeser, Csaki-Copony sowie etablierten Gegenwartskünstlern zu mehr Bekanntheit zu verhelfen. Ein begehbares Graphikkabinett wie auch Depots sollen hier ebenfalls ihren Platz finden.

Kompetenzteam verwirklicht zeitgemäße Museumsvision

In diesen Zusammenhang fügt sich das Wirken der Museumsleute zu einer schrittweisen Verwirklichung einer Museumsvision, die das Sammeln, Erforschen und Präsentieren siebenbürgischer Kultur entsprechend den Anforderungen unserer Zeit sowohl in die Tiefe wie in die Breite zu tragen vermag. Bei knappen personellen wie finanziellen Ressourcen gelingt es, die Erwartungen des heutigen Besucherpublikums mit dem Anspruch eines unverwechselbar eigenen, individuell auf die siebenbürgischen Themen zugeschnittenen Museums zusammenzuführen.

So gelang es Kurator Dr. Markus Lörz, bei seinem Amtsantritt 2013 die technisch überholte Internetseite des Museums komplett zu modernisieren. Heute informiert sie sowohl grundlegend als auch tagesaktuell über die Aktivitäten des Hauses und das gleich dreisprachig – deutsch, englisch und rumänisch. Jährlich bilanziert das Museum über 20000 Nutzer. Zeitgleich wurde ein Auftritt auf der sozialen Medienplattform Facebook gestartet, ein Newsletter informiert in Abständen über die Belange des Hauses. Die pädagogische Bildungsarbeit am Museum – Gemeinschaftsprojekte mit Schulen, Kindergärten, anderen Bildungseinrichtungen – ist ein weiteres Standbein von Dr. Lörz und wird akribisch zukunftsweisend konzipiert.

Mit dem Dienstantritt der Museologin Julia Koch im Jahr 2015 wurde die Digitalisierung des Sammlungsbestandes vorangetrieben. Bilddaten und Zusatzinformationen zu den üblichen Erfassungsdaten der einzelnen Objekte erhöhen den fachwissenschaftlichen Wert dieser Arbeit. Seit jüngster Zeit findet die museale Arbeit ihren medien- und breitenwirksamen Widerhall in der Arbeit von Dr. Heinke Fabritius, die als Kulturreferentin am Museum die Belange siebenbürgischer Kulturinstitutionen in Deutschland in grenzüberschreitende Netzwerke einbindet und der Arbeit am Museum weitere zukunftsweisende Dimensionen einschreibt.

Uns selbst bleibt es auch weiterhin vorbehalten, die Koordinaten der Museumstätigkeit in Gundelsheim in Richtung einer vielschichtigen wissenschaftlichen wie breitenwirksamen Entwicklung voranzutreiben, um im heutigen Konfliktfeld von „Wahrem Museum“ und „Ware Museum“ deren Prägnanz im Sinne der tiefgehenden und sinnstiftenden Erforschung und Präsentation siebenbürgischer Kultur in der Gegenwart zu schärfen.

Dr. Irmgard Sedler




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Schlagwörter: Siebenbürgisches Museum Gundelsheim, Sedler

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