14. März 2018

Eine Züricher Affäre: „Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen“ von Dana Grigorcea

Anna und Gürkan begegnen einander an der Seepromenade in Zürich. Strahlen der ersten Frühlingssonne lassen das Wasser glitzern, Boote mit weißen Segeln und ein Schwan ziehen vorbei – ein perfekter Tag „in einer der schönsten Städte der Welt“ bildet den Einstieg in Dana Grigorceas Ende Januar erschienene Novelle „Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen“. Fünf kurze Sätze, mehr braucht sie nicht, um eine postkartengleiche Szenerie zu entwerfen, und als Leser kann man fast die kühle Brise vom See, die schon kräftige Sonne auf der Haut spüren und das Wasser plätschern hören.
Anna, die „Ballerina, die sie schließlich noch war, obschon sie nur noch Charakterrollen tanzte“, und Gürkan, der Kurde aus der Türkei, der „als Gärtner und Zulieferer arbeitete“, beginnen eine Affäre, obwohl beide verheiratet sind: sie mit „einem gestandenen Arzt“ mit eigener Praxis, er „mit seiner Cousine natürlich“, mit der er drei Kinder hat. Für sie, die „ein Gefühl für den Pas de deux“ hat, ist es nicht das erste Mal, für ihn, „abwechselnd selig und niedergeschlagen“ in ihrer Gegenwart, schon – daraus ergibt sich bereits die erste Dissonanz in dieser Verbindung. Die zweite liegt offensichtlich in der unterschiedlichen Herkunft der beiden begründet. Die Lebenswelten, in denen Anna und Gürkan sich bewegen, lassen sich schwer vereinbaren: eine Künstlerin, gut bürgerlich verheiratet und finanziell abgesichert, und ein Flüchtling, der „zum Projektleiter bei der Begrünung des oberen rechten Zürichseeufers befördert worden“ ist und eine fünfköpfige Familie versorgt, passen nicht recht zueinander. Dana Grigorcea braucht nicht viele Worte, um die emotionalen Spannungen zwischen ihren Protagonisten zu skizzieren. Da wird nichts ausgeführt, sondern nur angedeutet, aber das kunstvoll.
Dana Grigorcea. Foto: © Ayșe Yavas ...
Dana Grigorcea. Foto: © Ayșe Yavas
Wieder entwirft die 1979 in Bukarest geborene Autorin ein detailliertes, liebevolles Stadtporträt. In ihrem 2015 erschienenen Roman „Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit“ schickte Grigorcea ihre Protagonistin durch die rumänische Hauptstadt, nun legt sie eine Hommage an ihre neue Heimat Zürich vor. Man möchte einen Stadtplan vor sich ausbreiten und Annas Wege durch Straßen, Gassen und über Plätze nachverfolgen, wissen, wo sie sich bewegt, verstehen, warum sie bestimmte Orte aufsucht.

Das titelgebende maghrebinische Hündchen spielt eine Doppelrolle. Es dient einerseits der Anbahnung der Affäre zwischen Anna und Gürkan, der es mit einem Keks anzulocken versucht, und ist zudem selbst eine Art Flüchtling, der ihr in Algerien am Strand zugelaufen sei, wie Anna ihrem Liebhaber erzählt; sie habe das Tier in ihr Hotelzimmer geschmuggelt und mit nach Zürich genommen. Dort ein Strand und eine „Mischung aus maghrebinischem Windhund und dahergelaufenem Spitz“, hier ein Seeufer und ein türkischer Kurde: eine interessante Parallele, über die sich nachzudenken lohnt.

Einsamkeit, Zweisamkeit, Zugehörigkeit: Welcher Platz gebührt mir in einer Ehe, einer Beziehung, der Gesellschaft? Wer gehört zu wem und warum? Solche Fragen stehen zwischen den Zeilen von Dana Grigorceas Novelle, die schnell gelesen ist, aber lange nachwirkt. Der kleine, schlanke, schlicht, aber edel ausgestattete Band ist hoffentlich schon ein Vorgeschmack auf den nächsten Roman.

Dana Grigorcea wird ihr Buch bei verschiedenen Veranstaltungen an allen Messetagen in Leipzig vorstellen, unter anderem in einem Gespräch mit Thomas Böhm am ARTE-Stand am 18. März um 12.00 Uhr. Außerdem nimmt sie am 17. März um 11.00 Uhr an einem Podiumsgespräch teil und moderiert am selben Tag ab 19.00 Uhr die „Lange Nacht der rumänischen Literatur“ in der Schaubühne Lindenfels.

Doris Roth


Dana Grigorcea, „Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen“, Novelle, Dörlemann Verlag, Zürich, 2018, 128 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-03820-055-0.

Schlagwörter: Buch, Novelle, Rezension, Rumänien, Schweiz

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