27. Dezember 2020

Siwweberjelied: Siebenbürgenlied erscheint 2020 erstmals in siebenbürgisch-sächsischer Mundart

„Siebenbürgen, Land des Segens …“ – Wenn dieses Lied erklingt, horchen wir Siebenbürger Sachsen auf. Und wir singen es mit Begeisterung und Liebe, wo immer sich die Gelegenheit dazu bietet. Denn es spricht aus, was wir tief im Herzen empfinden, es ist unser Heimatlied geworden. Die Melodie dazu schuf der in Heldsdorf geborene Stadtkantor von Kronstadt, Johann Lukas Hedwig (1802-1849) im Jahr 1845 für einen Jubiläumstext des Hirscher-Hauses.
Weniger bekannt ist der Schöpfer des Liedtextes, Maximilian Leopold Moltke (1819-1894). 1819 in Küstrin (heute Polen) geboren, verlor er schon im Kindesalter seinen Vater und musste so seinem Wunsch, Theologie zu studieren, entsagen. Er wurde Buchhändler und kam über Budapest 1841 nach Kronstadt, wo er in die Nemethische Buchhandlung eintrat und deren Geschäftsführer wurde. Der literarisch begabte Moltke wirkte als Redakteur des Siebenbürger Wochenblattes, das in Kronstädter Zeitung umbenannt wurde, als er deren Schriftleitung übernahm. Dank seiner Gabe, idealen Gedanken und Gefühlen schönen Ausdruck zu verleihen, entstanden das „Siebenbürger Volkslied“ (27. Mai 1846), das Hedwig als Siebenbürgenlied vertonte, und das „Volksgebet“ (es beginnt mit dem Vers „Schütze, Gott, dein Volk der Sachsen“), für das er auch die Melodie schuf.

Moltke heiratete eine Kronstädterin und wäre vermutlich in Kronstadt oder überhaupt in Siebenbürgen geblieben, wenn die bürgerliche Revolution von 1848/49 nicht ausgebrochen wäre. Als Idealist und gutgläubig, wie er war, schloss er sich dem ungarischen Revolutionsheer an, das in Siebenbürgen unter dem polnischen General Bem kämpfte. Er glaubte, dadurch für die Sache der Freiheit, gegen den habsburgischen Despotismus und für mehr Rechte der Siebenbürger Sachsen kämpfen zu können. Nach anfänglichen Erfolgen drang aber durch, dass die ungarischen Revolutionäre die zu erkämpfenden Rechte nur für sich in Anspruch nehmen und die mitwohnenden Volksgruppen weiter unterdrücken wollten. So war es verständlich, dass sich sowohl die Siebenbürger Sachsen als auch die Siebenbürger Rumänen auf die Seite Österreichs stellten. Österreich rief zur Niederschlagung der Revolution das verbündete zaristische Russland zu Hilfe und so kamen russische Truppen nach Siebenbürgen. Moltke geriet in russische Gefangenschaft, die Russen überstellten ihn aber den Österreichern. Zweieinhalb Jahre wurde er in Triest festgehalten, wohin ihm seine Frau Luise folgte. Auf Anforderung Preußens wurde er schließlich nach Berlin entlassen, von wo er 1864 nach Leipzig übersiedelte. Nach Siebenbürgen ist Moltke zwar nicht mehr zurückgekehrt, die Verbindung zu den ihm so lieb gewordenen Siebenbürger Sachsen hat er aber bis an sein Lebensende bewahrt.
Mitte des 19. Jahrhunderts, als Moltke das Siebenbürgenlied dichtete, war die sächsische Mundart in Siebenbürgen allgemeine Verkehrssprache. Die Pfarrer predigten von den Kanzeln auf Sächsisch und die Kronstädter Zeitung wurde sächsisch gelesen. Erst nach der durch Stephan Ludwig Roth initiierten Ansiedlung von mehreren Württemberger Schwaben in einigen siebenbürgischen Ortschaften begannen die Pfarrer in diesen Orten auch auf Deutsch zu predigen. Allerdings wurden die von Bischof Georg Paul Binder im Dezember 1848 erlassene Verordnung, in Kirche und Schule statt des Sächsischen einheitlich die deutsche Sprache zu gebrauchen, sowie spätere Verfügungen von Bischof Georg Daniel Teutsch vor allem im ländlichen Raum nur zögerlich umgesetzt, so dass bis Ende des 19. Jahrhunderts aus Schulbüchern und Bibel gelegentlich noch in Mundart gelesen wurde.

In diesem Kontext ist der Wunsch, unser Siebenbürgenlied auch einmal in siebenbürgisch-sächsischer Mundart zu hören und zu singen, vielleicht nicht naheliegend, aber durchaus verständlich.

Neben Hedwigs Originalsatz für Männerchor wurden im Laufe der Zeit weitere Tonsätze geschaffen, wobei für alle Sätze immer der gleiche hochdeutsche Text verwendet wurde. Diese Sätze wurden von Anneliese Barthmes, Erich Bergel, Heinrich Bretz und Norbert Petri geschrieben.

2002, anlässlich des 200. Geburtstages des Komponisten Hedwig, ließ die Heimatgemeinschaft Heldsdorf das Siebenbürgenlied von Dan Dănilă ins Rumänische übersetzen. Den Tonsatz dazu lieferte Sergiu Eremia, ein Heldsdorfer Militärmusiker.

Erst 2020, also 174 Jahre nach seiner Entstehung, hat der Heldsdörfer Mundartdichter Hans Otto Tittes den Text der drei üblicherweise gesungenen Strophen in seinen Heimatdialekt übertragen (meistens werden nur die Strophen 1, 2 und 7 des Siebenbürgenlieds gesungen). Jede Übertragung kann nur sinngemäß geschehen, denn das Lied ist nur dann singbar, wenn der Rhythmus der Textsilben und jener der Noten zueinander passen.

Danach hat Rosemarie Chrestels die sieben Strophen in die Stadtmundart Hermannstädter Prägung, also in eine neutralere Variante, übertragen, da weder ihre Neustädter noch eine andere Dorfmundart allgemein verständlich wären. Der Text folgt der Eifler und anderen Regeln der Mundartschreibung, wie sie bei der Liedersammlung „E Liedchen hälft ängden“ angewandt wurden. Frieder Latzina hat die siebenbürgisch-sächsische Fassung des Siebenbürgenlieds in seinem Musiknotenverlag in Karlsruhe herausgegeben und sie freundlicherweise zur Veröffentlichung in der Siebenbürgischen Zeitung und in den Heimatblättern freigegeben.

Die sächsische Variante des Siebenbürgenlieds entstand leider erst in einer Zeit, in der unsere Mundart von immer weniger Personen gesprochen und gesungen wird und damit in ihrer Existenz bedroht ist.

Karl-Heinz Brenndörfer

Schlagwörter: Siebenbürgenlied, Moltke, Hedwig, Latzina, Musik, Mundart

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  • 18.01.2021, 18:20 Uhr von weilauer: Der Textdichter des Siebenbürgerliedes, Max Moltke, heiratete eine Siebenbürgerin und weilte etwa 7 ... [weiter]

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