29. April 2021

Höhepunkte aus 25 Jahren: Neue CD des Barockensemble „Transylvania“

Schon die Website ist standesgemäß, denn im Internet findet man das Barockensemble „Transylvania“ unter der Adresse www.baroque.ro. Damit wird deutlich: Die Formation hat in der Musiklandschaft Rumäniens eine herausgehobene, vielleicht sogar singuläre Stellung.
Barockensemble „Transyvania“: Titelbild der neuen ...
Barockensemble „Transyvania“: Titelbild der neuen CD
Seit mehr als 25 Jahren besteht das Ensemble in unterschiedlicher Besetzung, hat seither in halb Europa konzertiert und sieben CDs veröffentlicht, zuletzt im Jahr 2020 eine wunderbare Zusammenstellung zum Jubiläum, die mühelos auf dem europäischen Plattenmarkt mithalten kann. Zur besonderen Lebendigkeit trägt bei, dass ­einige Konzertmitschnitte, also Live-Aufnahmen, in die Auswahl aufgenommen wurden.

Aktuell besteht das Quartett aus den Musikern Zoltán Majó (Blockflöte), Mátyás Bartha (Violine), Ciprian Câmpean (Cello) und Erich Türk (Cembalo), allesamt Absolventen der Musikakademie „Gheorghe Dima“ im Klausenburg, wenngleich der Geiger Bartha inzwischen in der Schweiz lebt. Gegründet wurde das Ensemble 1995 als Trio mit den Flötisten István Nagy (1942-2018 – er ist bei einem Stück auf der neuen CD dabei), dem Cellisten István Dallos und Zoltán Majó, der bis heute Mitglied ist und darüber hinaus noch das Ensemble „Flauto Dolce“ leitet. Gründungsland waren, im Prinzip nicht erstaunlich, die Niederlande als eines der Mutterländer der historisch informierten Aufführungspraxis. Man war damals zu Gast im Hause des interessierten Ehepaars Jantine und Hans Kamp.

In den 1960er und 70er Jahren breitete sich die Alte-Musik-Bewegung von Belgien und den Niederlanden nach Deutschland und ganz Europa aus. Ihr lag die Überzeugung zugrunde, der Bezug zur authentischen Interpretation von Musik vor allem bis zum 18. Jahrhundert sei verloren gegangen und müsse durch den Bezug auf zeitgenössische Quellen und Lehrwerke, schließlich auch auf historische Instrumente wiederhergestellt werden. So entstand die „historische (später: historisch informierte) Aufführungspraxis“, die über die Jahre hinweg derart starken Einfluss gewann, dass auch modern instrumentierte Ensembles Bach, Händel und Telemann plötzlich ganz anders spielten als seit dem 19. und frühen 20. Jahrhundert üblich. Damals war die Musikepoche des Barock überhaupt erst wiederentdeckt worden. Mit ganz anderer Artikulation und weniger Vibrato bei Streichern ebenso wie bei Sängerinnen und Sängern, mit ganz neuem Klang wurde nun musiziert – um nur einige Aspekte zu nennen.

Inzwischen haben sich die Interpretationsansätze vor allem bei der barocken Musik deutlich ausdifferenziert in verschiedene Stile der Aufführungspraxis. Ohne die Pionierarbeit der Gründerzeit wäre man freilich niemals so weit gekommen. In Siebenbürgen und Rumänien gab es seit dem 20. Jahrhundert immer intensivere Bemühungen vor allem um die Musik Johann Sebastian Bachs, woran die Ensembles und Kantoren aus Kronstadt und Hermannstadt wesentlich beteiligt waren. Die Alte-Musik-Bewegung hingegen hat zwar in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen, genießt jedoch bei weitem nicht die Popularität wie etwa in Deutschland.

Umso höher ist die Bedeutung des Barockensembles „Transylvania“ einzuschätzen, das in jedem Konzert aufs Neue Werbung macht für bekannte und auch viele „unerhörte“ Werke, die für das 21. Jahrhundert zu neuem Leben erweckt werden. Mindestens Erich Türk und Zoltán Majó geben das Wissen um die historisch-authentische Interpretation von Barockmusik als Lehrkräfte an der Musikakademie und der Universität in Klausenburg auch an nächste Generationen weiter.

Das Quartett hat aber noch ein weiteres Alleinstellungsmerkmal, das nicht zuletzt bei Konzerten im Ausland immer wieder für Aufsehen sorgt: Neben dem traditionellen Repertoire aus Deutschland, Italien und Frankreich werden auch historische Quellen aus Siebenbürgen und Rumänien gesichtet und dort aufgefundene Stücke für die Praxis bearbeitet. Auf der jüngsten CD sind dies ganz reizende Melodien aus der Walachei und Moldau, aufgezeichnet von Franz Joseph Sulzer im Jahr 1781 in Wien. Doch das Barockensemble „Transylvania“ geht auch in der musikalischen Moderne auf Entdeckungsreise, lässt sich Werke von zeitgenössischen Komponisten auf den Leib schreiben und bringt sie zur Uraufführung. Hinreißend der „Kurzweilig Schwank – Till Eulenspiegel“ aus dem Jahr 2000 von Hans Peter Türk, dem Vater des Cembalisten Erich Türk.

Frische Ideen, herausragende Werke wären freilich wenig wert ohne eine großartige Interpretation, die in jedem Stück der CD deutlich wird. Besonders hervorzuheben sind „Partite sopra diverse Sonate per il Violine“ von Giovanni Battista Vitali (1680) mit dem hinreißend virtuosen Cellisten Ciprian Câmpean, eine Violinsonate von François Francœur (1698-1787) mit dem klangsinnlichen Geiger Mátyás Bartha – und überhaupt das lustvolle, aufeinander eingeschwungene Miteinander der vier Herren. Könnte man sie doch bald wieder live erleben!

Johannes Killyen

25 years Baroque Ensemble „Transylvania“ – Highlights, Label TransylvANTIQs; Werke von Bach, Händel, Francoeur, Vitali und Hans Peter Türk sowie aus anonymen historischen Quellen; Bestellung und Infos unter www.baroque.ro.

Schlagwörter: CD, Besprechung, Barockensemble Transylvania, Klassik, Klausenburg

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