23. Juli 2021

300 Jahre seit der Geburt von Samuel von Brukenthal (1721-1803): Festvortrag von Thomas Șindilariu am Digitalen Heimattag 2021

Samuel von Brukenthal gehört zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte. Warum eigentlich? Mit einem Begriffspaar, wie etwa bei Johannes Honterus und Reformation, will die Antwort nicht gelingen. Komplex und teils verwirrend, ganz so wie unsere Gegenwart, war auch die Lebenszeit von Samuel von Brukenthal – seine Lösungen und Antworten waren aber originell! Eines jedoch verbindet beide Persönlichkeiten: Sie sind ohne Zweifel deshalb bedeutend, weil sie unseren siebenbürgischen Winkel Europas näher an das Zentrum des Kontinents gerückt haben. Ihr Engagement, und das gilt es zu unterstreichen, ist keines gewesen, das sich auf die siebenbürgisch-sächsische Gesellschaft allein beschränkt hat, sondern es berücksichtigte alle Völkerschaften Siebenbürgens, selbstverständlich auch unter Einschluss der heutigen rumänischen Mehrheitsbevölkerung. Am 26. Juli 1721 wurde Samuel Breckner (von Brukenthal) in Leschkirch geboren.
Samuel von Brukenthal im Alter von etwa 60 ...
Samuel von Brukenthal im Alter von etwa 60 Jahren. Ev. Stadtpfarramt Hermannstadt. Foto: Stefan Jammer
Der Leschkircher Königsrichter Michael Breckner hatte sich wie die ­Gesamtheit der Sachsen früh und entschlossen auf die Seite der neuen Herrscher über das Fürstentum Siebenbürgen aus dem Hause Habsburg gestellt. Als die letzten Versuche unternommen wurden, die frühere Eigenständigkeit des Fürstentums wieder herzustellen und die Herrschaft der Habsburger abzuschütteln, geriet Michael Breckner bei Leschkirch in Gefangenschaft. Die Flucht daraus gelang mithilfe eines Leschkircher Rumänen aus der Niedergasse – „Scoală, Breckner“ (Steh auf, Breckner!) hieß es am Fluchttag und wurde zum geflügelten Wort in der Familie über Generationen hin. Diese Zeitspanne der Unsicherheit und permanenten Raubzüge ist als „Kuruzenzeit“ in das Gedächtnis der Siebenbürger Sachsen eingegangen, in vielen Orten gibt es Erinnerungen daran. Das Grauen endete 1711, also zehn Jahre ehe Samuel, als jüngster Sohn des Königsrichters, das Licht der Welt erblickte – als Kind einer neuen Zeit gewissermaßen, die aber – Stichwort „Scoală, Breckner“ – um das Elend der Vergangenheit noch wusste, für die der neue Wohlstand keine Selbstverständlichkeit war. Die Treue seines Vaters zum Monarchen brachte der Familie die Erhebung in den Adelsstand 1724 durch Kaiser Karl VI., sie trug fortan das Prädikat „von Brukenthal“.

Gediegene Ausbildung und weitgespannte Vernetzung Grundlage des Erfolgs

Ein Adliger also! Wie passt das zu der auf Rechtsgleichheit fußenden siebenbürgisch-sächsischen Autonomie im historischen Siebenbürgen? Georg Scherg hat ihren Inhalt so treffend in dem Buchtitel „Da keiner Herr und keiner Knecht“ zusammengefasst. Die Brukenthals waren nicht die einzigen Sachsen mit Adelstitel, die mütterliche Verwandtschaft aus der Familie Conrad von Heydendorff und viele andere wären hier zu erwähnen.
Brukenthals Namensgeber und Großvater ...
Brukenthals Namensgeber und Großvater mütterlicherseits: Samuel Conrad von Heydendorff (1647-1727), Gubernialrat und Bürgermeister von Mediasch. Zeitgenössisches Gemälde in Privatbesitz. Foto: Hansotto Drotloff
Das Außergewöhnliche an den Sachsen mit Adelstitel war, dass ihnen die neue Standeszugehörigkeit außer sozialem Prestige rein gar nichts brachte, zumindest nicht auf dem Königsboden. So es ihnen finanziell möglich war, erwarben einige, wie die Brukenthals Güter auf Komitatsboden, etwa Untermühlendorf/Sambăta de Jos. Auf dem Königsboden zahlten die sächsischen Familien mit Adelsprädikat wie jeder normale Bürger Steuern, wovon der Adel sonst aber grundsätzlich befreit war. Der Adelstitel war jedoch insbesondere im 18. Jahrhundert die Voraussetzung, um mit den obersten Verwaltungsstellen des Habsburgerreiches in Verbindung treten zu können. Der Adelstitel war folglich ein notwendiges Übel und breitete sich in den Reihen der auf dem bisherigen städtischen Patriziat fußenden Führungsschicht des siebenbürgisch-sächsischen Landstandes aus, um überhaupt heranzukommen an den Tisch, wo die Entscheidungen gefällt wurden. Der Zugang zum Verhandlungstisch ist auch heute noch das Grundprinzip unserer gemeinschaftlichen politischen Vertretung.

Aus den jährlichen Steuerverzeichnissen von Freck und Hermannstadt, die aus dem 18. Jahrhundert in beträchtlicher Konsistenz für übrigens fast jeden sächsischen Ort, Hof für Hof, Eigentümer für Eigentümer in den Staatsarchiven erhalten sind, kann man entnehmen, dass Brukenthal keinerlei steuerliche Vorteile genoss, sondern einer der größten Steuerzahler gewesen ist – so zahlte er in Hermannstadt 1790/91 stattliche 93 fl. (Gulden).

Eine überdurchschnittlich gute Vernetzung und eine solide Ausbildung waren die nächsten beiden Voraussetzungen für den atemberaubenden Erfolg Brukenthals. Er war in der Lage, in beides gezielt und entschlossen investieren zu können, da er auf das ihm als Jüngstem zustehende väterliche Erbe verzichtet hatte und sich als erst 22-Jähriger hatte auszahlen lassen infolge des frühen Todes beider Eltern. Noch ehe er seinen Studienort Halle an der Saale erreicht hatte, ist er 1743 in Wien unter den Mitgliedern der dortigen neu gegründeten Freimaurerloge „Aux Trois Canons“ zu finden. Wie er es hinbekommen hat, den Anschluss an diese Kreise zu finden, die dem Umfeld von Franz von Lothringen, dem Gemahl von Maria Theresia, zugeschrieben wurden, das wüsste ich nur zu gerne im Detail! Fakt ist, dass wir ihn hier wie aus dem Nichts inmitten einer Gesellschaft wiederfinden, die sich der Ideale der Humanität und Aufklärung verpflichtet fühlte und zudem zur geistigen Elite des gesamten Reiches zu zählen war. In Halle war Brukenthal ebenfalls als Freimaurer aktiv und gründete und leitete die Loge „Zu den drei Schlüsseln“. Diese war eine Tochterloge der Berliner Loge „Zu den drei Weltkugeln“, die dem Umfeld des Preußenkönigs Friedrich des Großen zugeordnet wurde. Es soll sich sogar eine Begegnung zwischen Brukenthal und dem Alten Fritz zugetragen haben, wobei dieser versucht haben soll, Brukenthal in seine Dienste zu übernehmen. Brukenthal lehnte jedoch unter Hinweis auf seine Treue zur Monarchin und seine Heimatliebe ab, was nicht ohne Eindruck blieb.
Die Breckners gehörten von alters her zu den ...
Die Breckners gehörten von alters her zu den führenden Familien des Marktfleckens Leschkirch im Harbachtal. Als Samuel Breckner kam hier am 26. Juli 1721 der spätere Gubernator zur Welt. Foto: Schiller-Verlag Hermannstadt-Bonn
Bei dem in Halle lehrenden, aus Kronstadt stammenden Historiker Martin Schmeitzel (1679-1747), der als Begründer der universitären Hungarologie und Transylvanologie gilt, dürfte Brukenthal einen erheblichen Teil seiner späteren rechtsgeschichtlichen Argumentationsweise erlernt haben. Zugleich war Schmeitzel ein Experte in Numismatik und dürfte Brukenthal zum Sammeln von Münzen, Büchern und anderen Kulturgütern als Ausdruck der Weltgewandtheit angeregt haben. Übrigens ist auch Franz von Lothringen ein leidenschaftlicher Sammler alter Münzen gewesen, was einiges erklären könnte, selbst wenn es im Detail nicht nachweisbar ist.

Das Selbstbild des jungen Brukenthal mit deutlichem Nachwirken bis an sein Lebensende bringt die Gedenkmedaille zum Ausdruck, die er als Vorsteher der Hallenser Loge 1744 prägen ließ. Die Initialen „C.S. v. BR.“ stehen für seinen vollständigen Namen Carl Samuel von Brukenthal, die Umschrift „Studio, Sapientia, Silentio“, also Streben bzw. Fleiß, Weisheit, Ruhe bzw. Verschwiegenheit können als authentisches Lebensmotto angesehen werden. Der Brukenthal zugeschriebene Wahlspruch „Fidem genusque servabo“ ist zwar zutreffend, der Beleg, dass der Spruch von Brukenthal selbst stammt und nicht das Werk seines ersten Biographen ist, ließ sich noch nicht ausfindig machen. In älterer, freier Interpretation lautet er „Meinem Glauben und meinem Volk will ich treu bleiben“, treffender ist aber „Der Treue bzw. dem Glauben und dem Volk will ich dienen“. „Studio, Sapientia, Silentio“ ist aber gewiss authentisch.
Brukenthal als junger Vorsteher der ...
Brukenthal als junger Vorsteher der Freimaurerloge in Halle. Brukenthal-Museum Hermannstadt.


Zurückgekehrt nach Hermannstadt heiratete er Sophia von Klocknern (1725-1782). Eine glückliche Ehe schloss sich an, die allerdings vom Tod des einzigen Kindes, Sophia (1748-1752), im Alter von nur vier Jahren stark getrübt wurde. Sophia brachte als Tochter des Provinzialbürgermeisters Daniel Klockner von Klocknern auch ein erhebliches Vermögen in die Ehe ein, das einen unerlässlichen Grundstein für den weiteren Aufstieg Brukenthals darstellte – die Studienzeit und die Investitionen in ein europaweit gespanntes Bekanntschafts- und Freundschaftsnetzwerk hatten Brukenthal ein Vermögen gekostet. Über ihn hieß es bei seiner Rückkehr: „Er kam aus Deutschland als ein von Wissenschaften und Cultur glänzender junger Mann, eine Schönheit eines Mannes, nach Hermannstadt zurück, aber außer sich mit keinen anderen Mitteln.“ Neid für das Erreichte, teils von unvorstellbar primitiver Art, sollte folglich ein dauerhafter Begleiter von Brukenthals Lebensweg werden.

Auf den Sprossen der Karriereleiter bis zum Gubernator

Die ersten Jahre Brukenthals im Dienste der Verwaltung der Sächsischen Nation seien hier nur erwähnt. Es soll hier vielmehr der Gesamtkontext seines beruflichen Erfolges bis ins höchste Amt der Provinzialverwaltung, des Gubernators (1777-1787), skizziert werden.

Die Karriere von Samuel von Brukenthal kann auch als ein lang anhaltendes Durchsetzen des meritokratischen Leistungsprinzips in einer Welt der höfischen und bürokratischen Intrigen betrachtet werden. Freilich, Erfolg hierbei ist auf Partner angewiesen, die desgleichen dem meritokratischen Prinzip verpflichtet sein müssen. Brukenthal hat in dieser Hinsicht vor allem eine Partnerin gehabt, die Thronerbin selbst, Kaiserin Maria Theresia (1717-1780). Anders als ihre Söhne und Nachfolger verfügte sie über die Gabe, sich ein Netzwerk von fähigen, langjährigen Mitarbeitern zu bilden. Die Treue der Elite aus der Entourage von Maria Theresia war von einer Art, die weit jenseits ökonomischer Abhängigkeit oder gar Furcht vor der Kaiserin stand, vielmehr handelte es sich hierbei um partnerschaftliche Beziehungen, die auf ­gegenseitigem Vertrauen fußten. Dem historischen Forschungsstand gemäß war das solchermaßen geknüpfte Netzwerk von überaus großer Bedeutung, was den erfolgreichen Zusammenhalt und die Bekämpfung der wahren Probleme des Länder- und Provinzenkonglomerats der Habsburgermo- narchie anbelangt. Einer Monarchie, die übrigens eine sehr kritische Phase durchlief, als Brukenthal 1753 in direkte Verbindung zu Maria Theresia trat. Dies gelang ihm binnen weniger Tage nach seiner Ankunft in Wien – Delegationen anderer brauchten oft mehrere Monate, bis eine Audienz beim Herrscher zustande kam. Als Erklärung dafür werden neuerdings die Kontakte Brukenthals gesehen, die er bereits 1743 bei seinem ersten Wienaufenthalt geknüpft haben dürfte.

Das heute in Polen liegende Schlesien, rund um die Stadt Breslau/ Wrocław, zählte im 18. Jahrhundert zu den produktivsten und ertragreichsten Provinzen der Habsburgermonarchie. 1740 war es vom König Preußens, Friedrich dem Großen, erobert worden. Der sich anschließende Konflikt währte in mehreren Etappen bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 und hat die Habsburgermonarchie in die Nähe des vor allem finanziellen Zusammenbruchs getrieben. Der Verlust Schlesiens kann ohne Weiteres mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU verglichen werden. Die östlichen Provinzen der Habsburgermonarchie rückten folglich verstärkt in das Blickfeld der Wiener Regierung. Tiefgreifende Reformen und tatsächliches Know-how zur Begegnung der Krisen waren erforderlich.
Wappen aus dem Adelsbrief der ...
Wappen aus dem Adelsbrief der Breckners/Brukenthals von 1724 mit der Brücke im Mittelpunkt. Staatsarchiv Hermannstadt. Foto: Thomas Șindilariu
Als sich diese Erkenntnis zunehmend einstellte, war die Habsburgermonarchie noch auf die möglichst vollständige Durchsetzung der katholischen Konfession in all ihren Territorien ausgerichtet, um ein einigendes Band zwischen den so unterschiedlichen Reichsteilen zu knüpfen, sei es durch eine Union mit Rom, wie etwa im Falle der griechisch-unierten Kirche unter den Rumänen, sei es durch Rekatholisierungsmaßnahmen, die sich um rechtliche und konstitutionelle Garantien wenig kümmerten. In Siebenbürgen etwa war dies das Leopoldinische Diplom von 1691, auf dessen Grundlage Siebenbürgen in die Habsburgermonarchie integriert worden war und das den Schutz für die protestantischen Konfessionen vorsah. Den vertraglichen Garantien zum Trotz wurde der Übertritt zur katholischen Konfession in Brukenthals Zeit als ein Zeichen der Loyalität gegenüber dem Herrscherhaus angesehen, im Falle dass man anstrebte, eine höhere Beamtenlaufbahn zu beschreiten. Man ging sogar noch weiter: Die Geometrische Proportion kam in den 1750er Jahren auf, eine Bestimmung, der zufolge mindestens 50 % der Stadträte eines siebenbürgischen Ortes der katholischen Konfession angehören mussten – ein Ding der Unmöglichkeit in weitgehend geschlossenen protestantischen Gebieten, wie etwa den Städten der Siebenbürger Sachsen! Die Folge war eine regelrechte Parteibuchwirtschaft, wo die Zugehörigkeit zur katholischen Konfession mehr zählte als Ausbildung und Fähigkeit. Beispiele der Folgen, wenn gegen das meritokratische Prinzip geherrscht wird, sind auch heute allgegenwärtig. Ähnlich war es damals, die Konfession wechselten oft Personen, die gegen das Gesetz verstoßen hatten; Achtung in der Gesellschaft hatten jene, die standhaft beim Glauben der Väter blieben und, wie Brukenthal, überaus fähig waren.

Brukenthal war im Übrigen in die Gegenmaßnahmen zum Abfangen der Folgen der genannten Geometrischen Proportion auf kirchlichem Gebiet einbezogen. Angesichts der nicht mehr gegebenen konfessionellen Einheitlichkeit der Stadträte, die auch für Kirchenfragen und vor allem das Kirchenvermögen weitgehend zuständig waren, wurde der erste Anlauf zur Einführung einer von der politischen Verwaltung unabhängigen konsistorialen Kirchenverfassung 1754 unternommen. Brukenthal war hintergründig involviert, um das neue System zum Laufen zu bringen. Die damals eingeführten Grundprinzipien sind auch heute noch in der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien zu finden.

Ausnahmen bestätigen auch in Sachen Konfessionswechsel die Regel. Einige wenige gab es, wenn es um prägende Figuren des zentralen Beamtenapparates ging, die eine universitäre Bildung von außerhalb der Monarchie vorweisen konnten und dadurch für den Reformprozess der Habsburgermonarchie unverzichtbar waren. Es ging darum, die finanziellen Probleme des Staates durch Reformen zu lösen, um in militärischer Hinsicht standhalten zu können, was enorme Summen erforderte. Dies war der Kontext, in dem es Brukenthal wagen konnte, letztlich mit Erfolg, eine dieser Ausnahmen zu sein und als hoher Beamter seinen evangelischen Glauben beizubehalten. Als man von ihm 1762 die Konvertierung erwartete, im Moment, als er die Leitung der Siebenbürgischen Hofkanzlei übernahm, gab er der Kaiserin zur Antwort, wie es denn möglich sein könne, von ihm den Konfessionswechsel zu erwarten als ein Zeichen der Loyalität, wo doch die Konfessionsangehörigkeit eines der intimsten Dinge im Leben eines Menschen sei, von der, einmal abgefallen, man auch sonst schwerlich treu sein könne.

Erfolgreicher Reformer

Die bedeutendste Reform, die Samuel von Brukenthal für Siebenbürgen umsetzen konnte, war die Einführung eines neuen Steuersystems. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus Kopf- und Grundsteuer. Das reformierte Steuersystem steigerte das jährliche Steuereinkommen Siebenbürgens nach seiner endgültigen Einführung 1770 um 1350802 fl. (Gulden). Damals konnte man für etwa 2000 fl. in Hermannstadt ein stattliches Haus in bester Lage erwerben. Brukenthal erhöhte demnach die Steuereinnahmen in Siebenbürgen um den Gegenwert von 675 Bürgerhäusern – fast eine ganze Stadt!

1774 wurde Brukenthal der Vorsitz des Guberniums von Siebenbürgen, also der obersten Verwaltungsbehörde mit Sitz in Siebenbürgen, damals in Hermannstadt, anvertraut. Das Gubernium war das Pendant der Siebenbürgischen Hofkanzlei in Wien, die Brukenthal bis dahin geleitet hatte. 1777-1787 bekleidete er auch förmlich als Gubernator dieses höchste öffentliche Amt in Siebenbürgen – freilich auch das bestbezahlte.
Rund ein Jahrzehnt lang, ehe Brukenthal die ...
Rund ein Jahrzehnt lang, ehe Brukenthal die Leitung des Guberniums in Hermannstadt 1774 übernahm, war er einer der gefragtesten hohen Staatsbeamten, auf dessen Rat sich die Kaiserin weit jenseits des siebenbürgischen Rahmens stützte. Maria-Theresien-Platz in Wien mit dem Denkmal der Herrscherin von Carl von Zumbusch aus dem Jahr 1888. In der Personengruppe im Hintergrund stellt das zweite Reliefbild von links Brukenthal dar. Foto: Erwin Horst Schuller
1780 machte der Tod der Kaiserin Maria Theresia den Weg frei für den lange gebremsten Sohn, Kaiser Joseph II. Er war weit mehr noch als seine Mutter ein Anhänger der Aufklärung, aber, und darin unterschied er sich in zentraler Weise von seiner Mutter, er war ein abstrakt denkender Technokrat. Er sah allein das große Fernziel des unabhängig von Ethnie, Konfession und Stand geeinten Gesamtstaates. Er hielt sich nicht damit auf, ob die Fülle an Reformen und Verordnungen verstanden werden und zu den gewachsenen Verwaltungsstrukturen passten. Die Geduld, damit zusammenwächst, was zusammengehört, um es mit der Terminologie der Deutschen Einheit zu sagen, fehlte Joseph II. vollkommen. Bedenken, wie sie Brukenthal und viele andere in wiederholter Folge vortrugen, wurden nicht als sachliche Einwände und potenzielle Gefahren, sondern als Ungehorsam ausgelegt. Brukenthal verwandelte sich jedoch nicht in ein verantwortungsloses administratives Werkzeug, so dass seine Entlassung als Gouverneur von Siebenbürgen 1787 keine Überraschung war. Das Scheitern des gesamten Reformwerkes von Kaiser Joseph II. kam desgleichen nicht überraschend, hatte es doch die gesamte Monarchie an den Rand der Funktionsunfähigkeit gebracht, so vielfältig und gleichzeitig waren seine Reformen angelegt. Wenige Wochen vor seinem Tod 1790 nahm Joseph II. sein gesamtes Reformwerk bis auf die religiöse Toleranzgesetzgebung zurück.



Soweit die politische und administrative Karriere Samuel von Brukenthals, doch er war weit mehr als das. Die Habsburger, wie jedes andere Herrscherhaus, waren bestrebt, auch in entfernt vom Zentrum liegenden Territorien eine treue Anhängerschaft oder Elite zu bilden. Dass diese Bemühungen auch dazu gedacht waren, in die Gesellschaft auszustrahlen, dafür dürfte Brukenthal eines der besten Beispiele sein.

Initiator des institutionalisierten Kulturerbegedankens – das erste öffentliche Museum Südosteuropas

Brukenthal verstand es, den ihm zuteilwerdenden Reichtum im Sinne des ­Allgemeinwohls einzusetzen – mit 18000 fl. Jahresgehalt hatte ihm die Kaiserin als Gouverneur etwa das Doppelte des im Rang zweiten Gubernialrats zugesprochen. Der erreichte gesellschaftliche Repräsentationsstatus machte es ihm möglich, für Siebenbürgen in Wien von gleich zu gleich aufzutreten. In der Provinz nützte er seinen Wohlstand jenseits von dienstlichen und privaten Repräsentationszwecken, die gleichermaßen aus dem Gehalt bestritten werden mussten, insbesondere auch, um die Allgemeinheit in Hinblick auf die wirtschaftliche, landwirtschaftliche und kulturelle Belange zu fördern.

An erster Stelle sind hier seine bedeutenden Sammlungen zu nennen, die enorme Summen verschlungen haben, Bücher, Handschriften, Münzen, Gemälde, Graphik etc. In der Zeitspanne 1764-1803 gab er insgesamt 62181 fl. nur für Anschaffungen aus, davon allein 43283 fl. für Bücher! In das oben gebrauchte Bild erneut heranzuziehen: seine Anschaffungskosten entsprachen dem Gegenwert von 31 Bürgerhäusern! Die Hochphase dieser Ausgaben fiel in Brukenthals letzte 15 Lebensjahre, als er mit zu Unrecht erlittenen Rentenkürzungen zu kämpfen hatte. In diesem Zeitabschnitt dürfte der Gedanke zum Entschluss gereift sein, der Nachwelt eine gut ausgestattete Institution zu hinterlassen, die zur Hebung der Kultur der Allgemeinheit auf lange Sicht beitragen möge. Für die Umsetzung seines Willens fand er über sein Testament einen rechtlich originellen Weg, der all sein juristisches Wissen erkennen lässt. Er legte nicht nur die Unteilbarkeit seiner Vermögensmasse fest und setzte einen bestimmten Familienzweig als Nutznießer ein, solange er männliche Erben hatte, sondern verpflichtete dazu, seine Sammlungen der Allgemeinheit bereits nach seinem Tod zugänglich zu machen.
Erbaut als gesellschaftlicher Mittelpunkt der ...
Erbaut als gesellschaftlicher Mittelpunkt der Stadt und zur Präsentation seiner Sammlungen: das Brukenthal-Palais am Großen Ring in Hermannstadt, Sitz des Museums. Foto: Thomas Șindilariu
Die Sammlungen und sein Vermögen sollten langfristig ins Eigentum der Evangelischen Kirchengemeinde Hermannstadt übergehen. Das war ein gewagtes Unterfangen, da es von der Rechtsgewohnheit der institutionalisierten Erbteilung bei den Sachsen abzuweichen schien. Streit war vorprogrammiert, da ein anderer Familienzweig praktisch ausgeschlossen wurde. Im Verlauf der Auseinandersetzungen erwies sich, dass Brukenthal mit seiner Interpretation des Erbrechtes Recht hatte. Praktischer Nebeneffekt des Erbstreites unter den Neffen Brukenthals: Die Fronten klärten sich, die Idee der öffentlich zugänglichen Institution schlug dadurch starke Wurzeln im Bewusstsein der Öffentlichkeit. 1817 gelang es schließlich, seine Sammlungen als siebenbürgisch-sächsisches Nationalmuseum zu eröffnen, wie der Hermannstädter Stadtpfarrer Johann Filtsch (1753-1836) sich damals ausdrückte. Es war das erste öffentlich zugängliche Museum in ganz Südosteuropa. Das Museum gibt es heute noch als Muzeul Național Brukenthal, als Brukenthal Nationalmuseum, wobei ausdrücklich nicht spezifiziert ist, welche Nation damit gemeint ist – vielleicht ist es auch ganz gut so, denn dann kann sich eine jede ethnische Gemeinschaft darin wiederfinden.

Bodenständiger Kosmopolit

Das wirtschaftliche Denken Samuel von Brukenthals verrät seine bäuerliche Herkunft, für die er sich gewiss nicht schämte. Weltgewandte Repräsentation und die Pflege des siebenbürgisch-sächsischen Dialekts in all seinen Häusern waren kein Widerspruch, sondern Normalität. Desgleichen schätzte er die Tracht der Menschen, wie mehrfach belegt ist – Ansätze einer originellen Verbindung von Tradition und Moderne lassen sich da erkennen, über die man nachdenken sollte, auch heute.
Das wissenschaftlich ausgerichtete Segment ...
Das wissenschaftlich ausgerichtete Segment unserer Vereinslandschaft in Deutschland geht auf den Arbeitskreis Junger Siebenbürger Sachsen zurück. In der schwierigen Anfangsphase der Nachkriegszeit stellte sich dieser ganz bewusst ab dem Erscheinen der ersten Nummer seines Korrespondenzblattes, 1953, mit fidem genusque servabo in die Nachfolge Brukenthals. Archiv der Honterusgemeinde Kronstadt. Foto: Bernhard Heigl
Als Spross einer Bauernfamilie war für Brukenthal die redliche Bewirtschaftung all seiner Güter oberstes Gebot. Durch ihre Modernisierung, durch Erwerb neuer Pflanzen, durch Kreuzungen wollte er beweisen, dass man auch durch Landwirtschaft Wohlstand erzeugen kann. Ein besonderes Interesse galt der Obstzucht, vor allem der Äpfel. Für den Eigenbedarf, aber auch für den Hermannstädter Markt züchtete er exotische Früchte, in Freck und in seinem Sommeranwesen in Hermannstadt auf den Hallerwiesen. Als man bei Brukenthals Tod sein Vermögen inventarisierte, stellte man insgesamt 1162 Limetten- und Orangenbäume in der Frecker Orangerie fest, die auf den Wert von 1989 fl. geschätzt wurden – der Gegenwert eines stattliches Bürgerhauses.
Auf allen Landsitzen, so auch in Freck, sorgte ...
Auf allen Landsitzen, so auch in Freck, sorgte Samuel von Brukenthal dafür, dass nach modernsten Erkenntnissen Landwirtschaft betrieben wurde. Foto: Schiller-Verlag Hermannstadt-Bonn
Begehrt waren im In- und Ausland die von ihm in Sâmbăta gezüchteten Pferde. Da Brukenthal sich gerne auch mit den Bauern über landwirtschaftliche Fragen unterhielt und ihnen bei der Zucht half, so dürfen wir davon ausgehen, dass die Pferde, die heute noch auf Siebenbürgens Straßen zum Einsatz kommen, zum Teil mit der Pferdezucht Brukenthals in Verbindung stehen. Für die Einführung der Kartoffel setzte sich Brukenthal desgleichen ein, ferner für den Kleeanbau und er erwog, dafür landwirtschaftliche Vereine entstehen zu lassen. Weiße Büffel hatte er aus Ägypten importiert und züchtete sie erfolgreich. Sie hatten die Neugier Josephs II. während einer seiner Reisen durch Siebenbürgen geweckt und er bekam sie zu Gesicht. Infolgedessen wurden acht Explare davon als diplomatisches Geschenk an das Königreich Neapel verwendet, freilich erst nachdem der Kaiser sie bezahlt hatte.

Ein Vermächtnis von Aktualität mit vielfachen Anknüpfungspunkten

Abschließend kehre ich zur Eingangsfrage nach dem kollektiven Orientierungswert des Lebens und Wirkens von Samuel von Brukenthal zurück. Der mit Abstand am meisten beeindruckende Aspekt ist für mich: Mit enormem Wissensdrang und Arbeitseifer gelang ihm ein atemberaubender Aufstieg vom Sohn des Königsrichters, also des Bürgermeisters eines recht abgelegenen bäuerlichen Marktfleckens, zum Landeschef in Stellvertretung des Monarchen. Sei­ne Herkunft hat er bei aller Aufgeschlossenheit gegenüber den modernen Geistesströmungen nie geringgeschätzt, ganz im Gegenteil! Er hat die Zukunftstauglichkeit der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaftsstrukturen früh erkannt, ihren Wandel immer wieder gefördert und sein Wirken auf Landesebene um diesen Grundaspekt herum aufgebaut, letztlich zum Vorteil aller Völker Siebenbürgens.
Nach dem Arbeitsessen im Brukenthal-Palais ...
Nach dem Arbeitsessen im Brukenthal-Palais „Familienbild“ der Staats- und Regierungschefs der EU zum Abschluss des Hermannstädter Gipfels am Europatag des Jahres 2019. Foto: Präsidialverwaltung Rumäniens
Der zweite Aspekt ist seine Vorreiterrolle. Der institutionalisierte Kulturerbegedanke sowie die ersten landeskundlich ausgerichteten wissenschaftsorganisatorischen Impulse unserer Geschichte stehen in Verbindung mit Samuel von Brukenthal. Sie sind heute noch fester Bestandteil unserer gemeinschaftlichen Wirklichkeit. Bäuerlich umsichtiges Denken und wirtschaftlich effizientes Handeln, wenn möglich auf Vereinsgrundlage, sind desgleichen noch gegenwärtig. Den Grundstein zur Kirchenordnung der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien habe ich erwähnt – die Umstände der Errichtung des neuen Schulgebäudes der heutigen Bruken­thalschule zeitgleich zu Brukenthals städtischem Palast, die mit einer Reform des Schulwesens insgesamt verbunden war, müssten noch genauer untersucht werden. Es wird diesbezüglich vom Einfluss Halles gesprochen. Auch heute wird von einem der unseren dafür gesorgt, dass die Landespolitik möglichst qualitätsvoll und bedingungslos europaorientiert gestaltet wird. Die Belange der deutschen Minderheit sind dabei ein weit kleinerer Aspekt, als dies zu Brukenthals Zeiten der Fall war. Heute geht es ja auch um Rumänien, nicht mehr „nur“ um Siebenbürgen, aber wenn sich die Gelegenheit bietet, weist Präsident Klaus Johannis auf den europäischen Gehalt von Brukenthals Wirken hin, darauf, für was wir stehen, wie beim EU-Gipfel am Europatag des Jahres 2019 in beeindruckender Weise geschehen. Kurzum, alles, was unsere Gemeinschaft heute ausmacht, lässt sich bis auf Brukenthal zurückverfolgen, in seinem Beispiel kann Orientierung gefunden werden, auch in schweren Zeiten!

Thomas Șindilariu

Schlagwörter: Brukenthal, Jubiläum, Leschkirch, Hermannstadt, Freck, Brukenthalmuseum, Habsburg, Maria Theresia, Wien, EU, Klaus Johannis

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