21. Dezember 2021

Brukenthal geht online - Quellenedition über das Wirken des Gubernators

Zur Vorgeschichte: Am 11. März 1904 wurde der Historiker und Pfarrer Dr. Georg Adolf Schuller (1862-1939) vom Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. in Hermannstadt und dem damaligen Stadtpfarrer D. Friedrich Teutsch beauftragt, eine Biografie Samuels von Brukenthal abzufassen. Er hinterließ ein umfangreiches Manuskript der Darstellung des Lebens und Wirkens dieser vielseitigen Persönlichkeit. Sie konnte erst in den Jahren 1967-1968 in zwei Bänden der „Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission“ abgedruckt werden.
In der „Vorbemerkung zum 2. Band“ schrieb „die Redaktion“, höchstwahrscheinlich Prof. Dr. Karl Kurt Klein: „Schuller hatte für die Brukenthal-Biographie einen umfangreichen Anhang vorgesehen, der einen großen Teil der Quellen im Wortlaut enthalten sollte. Dieser Anhang stand jedoch bei der Drucklegung des Werkes nicht zur Verfügung.“

Lange Zeit galt dieses Manuskript eines dritten Bandes als verschollen. Umso mehr war die Fachwelt freudig überrascht, als die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien 2013 vermeldete: „Ein Hauptwerk zu Samuel von Brukenthal aufgetaucht – Ein Dachbodenfund: Handschriften und Typoskripte zu Georg Adolf Schullers Brukenthal-Biografie.“ Der Autor der Meldung, Dr. Frank-Thomas Ziegler, berichtete: „Im Zuge der Mansardierung des ev. Pfarrhauses im Hermannstädter Hypodrom-Viertel wurde im Mai 2013 in einem Versteck ein unscheinbarer Koffer aufgefunden. Sein Inneres war bis zum Anschlag mit sorgfältig verpackten Schriftstücken gefüllt, die sich bei der Sichtung als Arbeitsmaterialien zu Georg Adolf Schullers Brukenthal-Biografie zu erkennen gaben.“ Zur spannenden Geschichte des Fundes schreibt der Verfasser zudem: „Die Geschichte des wertvollen Schriftwerkes, wie sie sich aus dem Kofferinhalt rekonstruieren lässt, ist folgende: Als die Publikation der Brukenthal-Biografie in München ab den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts vorbereitet wurde, konnte nicht der gesamte Koffer mit den Schuller-Archivalien die gefährliche Reise nach Süddeutschland antreten; nur eine Kopie des Typoskriptes wird nach München gelangt sein, während der große Rest der wertvollen Materialien in Hermannstadt sorgsam vor der Staatswillkür versteckt werden musste. Wann der Koffer aber in das Pfarrhaus am Hypodrom gelangt ist, bleibt ungewiss.“
Der geöffnete „Brukenthal-Koffer“. Foto: Frank ...
Der geöffnete „Brukenthal-Koffer“. Foto: Frank-Thomas Ziegler
Ziegler bot auch einen ersten Überblick über den Inhalt des Koffers: „Notizen und Abschriften aus dem Wiener Haus- und Hofarchiv, von Briefen verschiedener Verfasser und behördlicher Erlasse. Dabei lag auch ein Notizbuch, in das zahlreiche handbeschriebene Notizzettel eingelegt waren, und in vier Päckchen gebündelte Handzettel mit Personen- bzw. Ortsnamen, die, in alphabetischer Reihenfolge zusammengelegt, offenkundig in Vorbereitung der entsprechenden Register entstanden sind.“

Im März 2021 wurde Dr. Konrad Gündisch gebeten, den Inhalt dieses „Brukenthal-Koffers“ näher zu analysieren. Er erstellte eine ausführliche, fotodokumentierte Übersicht und empfahl abschließend: „Eine Transkription der von Schuller abgeschriebenen Quellen würde sich für die Forschung sehr lohnen und könnte vorerst als Online-Publikation des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde in diesem Brukenthal-Jahr (300. Geburtstag) angedacht werden. In einem zweiten Schritt könnte man an eine gedruckte Veröffentlichung (3. Band von G. A. Schullers Brukenthal-Biografie) denken.“
D. Dr. Georg Adolf Schuller an seinem ...
D. Dr. Georg Adolf Schuller an seinem Schreibtisch im Baron Brukenthalischen Museum (1923). Schuller, der auch der Großvater des bekannten Zeichners Helmut v. Arz und des Legationsrates Herbert Arz v. Straussenburg war, konnte zuletzt wegen seiner Schwerhörigkeit nur noch mit Zetteln mit seiner Familie und den beiden Enkeln, die ihn innig liebten, kommunizieren. Dass unter den wiederaufgefundenen Materialien auch eine Ausgabe des „Neuen Weg“ von 1965 war, lässt darauf schließen, dass sich der Koffer damals noch im Besitz der Familie Helmut v. Arz befand, die im selben Jahr in die Bundesrepublik auswanderte. 1972 folgte als letzter G.A. Schullers Sohn Konrad, Mitbegründer und technischer Direktor der SETA in Hermannstadt. Foto und Text: Konrad Klein (Sammlung Herbert Arz v. Straussenburg).
Diese Empfehlung wurde vom Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat in Gundelsheim aufgegriffen, der bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien einen Antrag auf Projektförderung stellte, dem dankenswerterweise stattgegeben wurde. Die Transkription (Abschrift) der keineswegs leicht lesbaren Kurrent- und Sütterlin-Handschriften G. A. Schullers und anderer von ihm beauftragter Gewährsleute wurde dem Frühneuzeit-Historiker Jonas Schwiertz M.A. anvertraut, der bereits zahlreiche Quellen aus dem 18. Jahrhundert eingesehen und transkribiert hat. Konrad Gündisch übernahm ehrenamtlich die Koordination des Projektes, einschließlich der Kollationierung (Gegenlesung) und editorischen Bearbeitung der Quellen. Dr. Ralf Thomas Göllner ist für die Publikation der transkribierten und bearbeiteten Quellen auf der Homepage des Siebenbürgen-Instituts verantwortlich.

Was verspricht die Online-Edition?

Sie verspricht nicht die Wiedergabe der Originale! Diese befinden bzw. befanden sich in unterschiedlichen Archiven, vor allem in dem Hausarchiv Brukenthals, dessen größter Teil 1948, nach der Enteignung des Brukenthalmuseums, in willkürlicher, unverantwortlicher Weise in das Staatsarchiv Hermannstadt überführt wurde, wobei Schullers jahrzehntelang erarbeitete Ordnung durcheinandergewirbelt wurde; dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien, das am Ende des Zweiten Weltkriegs den Verlust der ausgelagerten Akten des Österreichischen Staatsrates aus den Jahren 1760-1833 zu beklagen hatte, so dass wichtige – von G. A. Schuller glücklicherweise abgeschriebene – Quellen über Brukenthal nicht mehr als Originale verfügbar sind; dem Ungarischen Landesarchiv in Budapest, das auch unwiederbringliche Verluste während des Zweiten Weltkriegs und während der 1956er-Revolution erlitten hat. Soweit Originale erhalten sind, können Schullers Abschriften später überprüft und gegebenenfalls in der Online-Publikation korrigiert werden; auch die Edition anderer wichtiger Quellen zu Brukenthal ist darin in den nächsten Jahren möglich. Für die Forschung wird auf diese Weise ein wichtiges Grundlagenwerk zur Verfügung gestellt, das laufend ergänzt werden kann.

Brukenthals Plan zur Gründung einer ­Universität ...
Brukenthals Plan zur Gründung einer ­Universität in Hermannstadt, 1766.
Auf einige besonders wertvolle Quellen, die nun bis zum Jahresende ediert werden, sei kurz hingewiesen. Ausführlich hat sich Samuel von Brukenthal dem „Sächsischen Schuldenstand“, damit verbunden, dem Zehnten der siebenbürgisch-sächsischen Pfarrerschaft und dem siebenbürgischen Steuersystem gewidmet. In beiden Fällen ging es um aus seiner und seiner Landsleute Sicht ungerechtfertigte Forderungen des Fiskus, denen er mit detailliert ausgearbeiteten Argumenten entgegengetreten ist. Ein Leitgedanke, der viele der entsprechenden Quellen durchzieht, ist die Verteidigung der siebenbürgisch-sächsischen Privilegien: Brukenthal erläutert sie Maria Theresia und den Wiener Hofstellen und greift auf eine Fülle von Dokumenten und Informationen zurück. In seiner immer wieder angeführten Argumentationskette entwirft er ein auf Tradition und Gewohnheit aufbauendes Narrativ, das die „Sächsische Nation“ als Opfer der beiden anderen siebenbürgischen Stände, des ungarischen Adels und der Szekler, stilisiert. Diese Quellen sind auch im Hinblick auf Brukenthals „Denkwürdigkeiten zur Geschichte der Sachsen in Siebenbürgen“ interessant, die nun erstmals ungekürzt und mit den Anmerkungen des Verfassers versehen herausgegeben werden. Diese Schrift stellt sich im Licht der edierten Quellen weniger als eine intendierte Geschichtsschreibung, vielmehr als Argumentationsschrift für eine Reform des Besteuerungs- und Privilegiensystems der Sachsen heraus und scheint als Basis für seine Denkschriften und Eingaben, insbesondere an Maria Theresia gedient zu haben.

Hochinteressant sind Brukenthals „Vorläuffige allerunterhänigste Gedancken über die Errichtung einer Universität in dem Fürstenthum Siebenbürgen“ von 1766. Es sollte eine protestantische Universität mit Sitz in Hermannstadt werden. Auszüge aus dem Plan sind zwar veröffentlicht worden, die geradezu bis ins letzte Detail gehende Ausarbeitung auf zwanzig Papierbögen jedoch ist unbekannt; sie ist nur in dieser Abschrift erhalten, da das Original 1944/1945 verbrannt ist.

Nicht zuletzt werden mehrere neue Quellen zum Aufruhr des griechisch-orthodoxen Priesters Sofronie in den Jahren 1759-1761 ediert, die zum Teil von dem ansonsten als Militärkartograph bekannten Siebenbürger Sachsen Stephan Lutsch von Luchsenstein (1707-1792) stammen, der hier als habsburgischer Oberkapitän des Kommandierenden Generals Adolf von Buccow (1760-1764) aufgetreten ist und eine Vermittlung in diesem Konflikt angestrebt hat.

Konrad Gündisch

Schlagwörter: Brukenthal, Forschung, Schuller, Hermannstadt, Universität, online, Quellen, Konrad Gündisch, Projekt

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