24. Juni 2022

Überragende Gestalt: Historiker Martin Rill führt in Brukenthal-Ausstellung in Dinkelsbühl ein

Anlässlich des 300. Geburtstags Samuel von Brukenthals wurde am Pfingstwochenende in Dinkelsbühl die Ausstellung „Samuel von Brukenthal. Eine Dokumentation“ im Katholischen Pfarrzentrum gezeigt. Lesen Sie im Folgenden die Einführung des siebenbürgischen Historikers Martin Rill in die vierzehn Roll-Ups umfassende Wanderausstellung.
Der Historiker Martin Rill führt in die ...
Der Historiker Martin Rill führt in die Brukenthal-Ausstellung im Katholischen Pfarrzentrum ein. Foto: Christian Schoger
Vielen Dank für die Einladung, heute, beim 72. Heimattag die Ausstellung zur dreihundertsten Wiederkehr des Geburtstags von Brukenthal zu eröffnen! Besondere Anerkennung gilt all denen, die es ermöglicht haben, diese Ausstellung zu Ehren Brukenthals zu realisieren, allen voran der Kreisgruppe Heilbronn, der Landesgruppe Baden-Württemberg, der Bundeskulturreferentin des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. und dem Nationalen Brukenthal-Museum Hermannstadt, das Brukenthals Namen trägt, sein Erbe und seine Bemühungen fortführt.

Ich werde im Folgenden nicht auf das Leben und Wirken dieser wohl bedeutendsten Persönlichkeit der Siebenbürger Sachsen eingehen, dessen Geburtstag sich am 26. Juli 2021 zum 300. Mal jährte. Die Bildtafeln veranschaulichen Brukenthals Jugend und Studium, erste Schritte seiner Karriere, im Landesdienst, seine Bautätigkeit, seine Sammlungen und Brukenthals Erbe.

Freiherr Samuel von Brukenthal ist der einzige Siebenbürger Sachse, dem es vergönnt war, ohne Verleugnung seiner bürgerlichen Herkunft und protestantischen Konfession im Habsburger Reich zum leitenden Staatsmann aufzusteigen. Seine Persönlichkeit wurde für die Siebenbürger Sachsen zur überragenden Gestalt mit weitreichenden Auswirkungen auf seine Zeit und seine Nachwelt. Zahlreiche Autoren, wie seine Biographen Michael Conrad von Heydendorff und Johann Georg Schaser setzen ihm bereits im 19. Jahrhundert ein Denkmal. Georg Daniel und Friedrich Teutsch beleuchten sein politisches Wirken und fordern eine Darstellung der Persönlichkeit auf Basis des umfassenden Familien-Archivs. Diese Aufgabe erfüllte der in Schäßburg geborene Georg Adolf Schuller, der eine zweibändige Brukenthal-Monographie erarbeitete, gestützt auf eine eindrucksvolle Quellenlage, die postum 1967 in München erschien und bis heute als das Standardwerk über Brukenthal gilt.

Zahlreiche Autoren befassen sich schon seit dem 19. Jahrhundert mit den Brukenthalischen Sammlungen, allen voran die Kustoden Michael Csaki und Rudolf Speck. Bedeutende Feierlichkeiten zum Gedächtnis Brukenthals fanden 1903, 1921, 2017 zum 200. Jahrestag der Museumseröffnung und im letzten Jahr aus Anlass der 300. Wiederkehr seines Geburtstages statt. Zu erwähnen ist die Wanderausstellung „Samuel von Brukenthal – ein früher Europäer“ und „Excurs Brukenthal“ auf Tafeln auf dem Großen Ring in Hermannstadt, sowie die Ausstellung auf Roll-Ups „Samuel von Brukenthal. Eine Dokumentation“, die Sie anschließend besichtigen können.

Höhepunkt der Feierlichkeiten bildete der 11. September 2021, als Staatspräsident Klaus Johannis und Hermannstadts Bürgermeisterin Astrid Fodor die bronzene Statue Samuel von Brukenthals auf dem Großen Ring enthüllten. Das über drei Meter hohe und 4,7 Tonnen schwere Standbild des Gubernators von Siebenbürgen wurde von Bildhauer Árpád Deák aus Großwardein/Oradea geschaffen.

Lassen sie mich bitte noch einiges über das politische Wirken Brukenthals sagen. In der älteren und zum Teil neueren rumänischen Geschichtsschreibung wird Brukenthal die Niederschlagung des Aufstandes Horia Cloşca und Crişan angelastet. Sogar ein Redner zu den Feierlichkeiten im Juli 2021 vertrat während einer dieser Veranstaltungen diese These. Wie Dokumente, Briefe und die Korrespondenz mit dem Wiener Hof belegen, war Brukenthals Handeln während des Aufstandes ein anderes.

Als Maria Theriesia ihn 1777 zum Gouverneur von Siebenbürgen ernannte, formulierte die Kaiserin seine Aufgaben in einem persönlich verfassten Hand-Billet: Verbesserung der Gesetze, Reform der Steuern und Abgaben, Förderung des modernen Handwerks, Vorbereitung der Volkszählung, Förderung der katholischen Religion und Gleichbehandlung der Untertanen, „gerechte Behandlung der Untertanen aller Nationen ohne Unterschied, vor allem der Schutz der zu Unrecht Unterdrückten” und Erarbeitung einer neuen Grundbesitzordnung (Urbarialordnung). Diese vertrauensvollen Worte der Kaiserin waren die Basis seines Wirkens im höchsten Amt.

Die meisten dieser Vorhaben setzte Brukentahl im Großfürstentum um. Doch die Hoffnungen der Unterdrückten auf eine Neugestaltung der Grundbesitzverhältnisse blieben unerfüllt. Unter dem Einfluss des Adels, der auch wichtige Positionen in der Verwaltung des Fürstentums innehatte, ging diese Regelung wiederum zu Lasten der Armen und der rumänischen Leibeigenen. Alles Bemühen und Drängen Brukenthals war vergebens. Der Adel machte etwa 12 % der Bevölkerung des Fürstentums aus, dominierte aber das öffentliche Leben. Die Adligen lebten frei auf ihren Gütern, ohne jegliche Verpflichtungen, und zahlten keine Steuern. Die abhängigen Bauern, die größte Bevölkerungsgruppe innerhalb der nobiliären und kirchlichen Domänen, unterlagen den senorialen Pflichten, aber auch den öffentlichen Pflichten.

Die Unzufriedenheit der Bauern schwoll 1784 zu einer Bewegung an, breitete sich schließlich in der gesamten Region der Westkarpaten aus. Der Aufstand richtete sich gegen die Grundbesitzverpflichtungen gegenüber dem Adel, die ein bedrückendes Ausmaß erreicht hatten, in der Hoffnung, dem Joch der Leibeigenschaft zu entkommen. Brukenthal informierte den Wiener Hof und den Obersten Kanzler Esterházy über die Ereignisse, die sich im Frühjahr 1784 im gesamten Apuseni-Gebirge zugetragen hatten.

Esterházy ordnete in seiner Antwort an Brukenthal an, dass diese Aufstände energisch unterdrückt werden sollten, selbst mit Anwendung des Kriegsrechts. Brukenthal und der kommandierende Generaal von Preiß setzten diesen Befehl nicht um.

Brukenthal ist zutiefst beunruhigt über den Ausbruch des Konflikts, der zu den ersten Opfern geführt hat. Er wendet sich an die beiden Bischöfe, den orthodoxen und den griechisch-katholischen und bittet sie in schriftlichen Noten, auf ihre Gläubigen beruhigend einzuwirken und befiehlt den Beamten in der Kreisverwaltung, ihnen nur mit Gefängnis und Strafe zu drohen.

In einem schriftlichen Befehl bat er den kommandierenden General von Preiß, nicht gewaltsam einzugreifen, und bestand darauf, dass hauptsächlich deutsche Truppen aus dem Westen der Monarchie herangeführt werden sollten, da zu erwarten war, dass die Truppen, insbesondere die Szekler, mit Leidenschaft gegen die Aufständischen vorgehen würden. In mehreren Berichten an Joseph II. spricht er sich dafür aus, dass die entsandten Truppen entschlossen, aber gewaltlos vorgehen sollten. Der Kaiser ordnet jedoch auf Anraten von Esterházy die gewaltsame Niederschlagung des Aufstandes an, einschließlich der Anwendung des Kriegsrechts. Der Oberbefehlshaber der siebenbürgischen Truppen, von Preiß, wird durch General Fabris ersetzt, der den Aufstand im Dezember 1784 niederschlägt. Noch bevor Graf Jankovich, der kaiserliche Bevollmächtige, die Rädelsfürer der Bauernerhebung zum Tode verurteilte, schickte Brukenthal seinen Hofmaler Johann Martin Stock nach Karlsburg. Dieser malte die Portraits Horia, Cloşca und Crişan.

Wegen seiner Einwände gegen die Reformen Joseph II. wurde er 1787 vom Kaiser pensioniert. Josephs Bruder und Nachfolger Leopold II. schätzte ihn mehr und verlieh 1790 auch Brukenthals Nachkommen den erblichen Freiherrentitel.

Nach dem Tod seiner Gattin 1782 und dem Ende seiner politischen Laufbahn zieht sich Brukenthal aus dem öffentlichen Leben zurück, widmet sich seinen Sammlungen und verfasst sein Testament. Um eine Zersplitterung seines Eigentums und der wertvollen Kunstsammlungen zu verhindern, fasste er sein Erbe als Ganzes, als Nießbrauch zusammen. Dadurch wurde das Vermögen nicht in das Eigentum des Nutznießers überführt, es wurde diesem nur das Gebrauchsrecht eingeräumt mit der Verpflichtung, es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nach Ableben der männlichen Linie des Alleinerben sollte das Vermögen als Ganzes einer Institution überlassen werden, nämlich dem evangelischen Gymnasium, das von der evangelischen Stadtpfarrkirche verwaltet wurde.

1774 ist der Palast gelegentlich zugänglich, 1817 wird er erstes öffentliches Museum in Südosteuropa. Im Jahr 1948 wurde das Museum verstaatlicht und erst 2005 dem rechtmäßigen Besitzer, der evangelischen Hermannstädter Kirchengemeinde, rückerstattet. Ein Regierungserlass vom Mai 2021 regelt die Aktivitäten des Nationalen Brukenthal-Museums.

Martin Rill

Schlagwörter: Heimattag 2022, Brukenthal, Ausstellung, Rill

Bewerten:

24 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.