7. Dezember 2022

„Du solltest dich mal hören!“: Podiumsdiskussion zum Film „Die Unbeugsamen“

Der Dokumentarfilm des Regisseurs und Drehbuchschreibers Torsten Körner nahm uns am 10. November auf eine Zeitreise in das Bonn der 60er, 70er und 80er Jahre mit. Damals war es alles andere als selbstverständlich, Abgeordnete, Ministerin oder gar Kanzlerin zu sein. Doch wie wir uns überzeugen konnten, haben die im Film porträtierten Politikerinnen auf die männlichen Abwehrreaktionen, Vorurteile, Beleidigungen und sexistischen Äußerungen mutig, überlegt, kenntnisreich und nicht selten mit einem Augenzwinkern reagiert. Das nach dem Film von Dagmar Seck moderierte Podium zeigte uns auch, wie weit wir in Deutschland seither gekommen sind.
Podiumsdiskussion in Nürnberg, von links nach ...
Podiumsdiskussion in Nürnberg, von links nach rechts: Herta Daniel, Verena Osgyan, MdL, Dagmar Seck, Renate Schmidt, MdB a.D., und Petra Guttenberger, MdL. Foto: Annette Folkendt
Für das Podium konnten drei Politikerinnen und Herta Daniel als Ehrenamtliche bzw. Ehrenvorsitzende des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland gewonnen werden. Renate Schmidt, Programmiererin, Systemanalytikerin, Betriebsrätin, SPD-Mitglied seit 1972, 1991-2000 Landesvorsitzende der SPD Bayern, u.a. 2002-2005 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wurde ständig gefragt, wie sie Familie und Politik unter einen Hut bekommt. Heute lebt sie in Nürnberg. Petra Guttenberger, Oberregierungsrätin/Volljuristin beim Freistaat, CSU-Mitglied seit 1982, u.a. seit 1998 Mitglied des Bayerischen Landtags, lebt in Fürth. Verena Osgyan, Redakteurin beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen, danach Managerin für Online-Marketing, ist Mitglied bei den Grünen seit 1989, u.a. Mitglied des Bayerischen Landtags seit 2013 und lebt in Nürnberg. Herta Daniel, Chemikerin, in pharmazeutischen Unternehmen 30 Jahre in leitenden Funktionen gewesen, war u.a. 2015-2019 Bundesvorsitzende des Verbands der Siebenbürger Sachsen.

Im Film ist der weibliche Zusammenhalt über Parteigrenzen hinweg besonders interessant. Renate Schmidt erzählte, wie sie und Ursula Männle (CSU) sich gegenseitig halfen, um danach vor den Männern richtig zu punkten. Es kam außerdem vor, dass man als Frau in 15 Minuten Redezeit im Plenum 52 Mal durch Zwischenrufe von Männern unterbrochen wurde. Dann stellte Frau Schmidt fest, dass die Frauen bei Frauenthemen keine Zwischenrufe bekamen, nur dort, wo Männer dachten, es seien ihre Themen, wie z.B. Wirtschafts- oder Innenpolitik oder Bundeswehr. Petra Guttenberger meint, dass man für seine Themen kämpfen soll, aber nicht immer gewinnen kann. Trotzdem darf man nie persönlich angreifen und sollte sich selbst nicht so ungeheuer wichtig nehmen. Verena Osgyan blies anfangs bei den Grünen auch nur die Luftballons auf. Bis dann eine Grüne aus dem Landtag nicht mehr antrat und sie ihren Hut in den Ring warf. Genau wie Renate Schmidt war sie vor der ersten Rede im Landtag sehr aufgeregt. Ihre Meinung: „Frauen sind mit sich selber kritischer als Männer.“ Renate Schmidt sagte ihrem Mann, als man ihr anfangs kurzfristig das Amt der Ortsvorsteherin angetragen hatte: „Ich schaff das nicht, ich kann keine Rede halten!“ Ihr Mann reagierte mit: „Du kannst keine Rede halten?! Du solltest dich mal hören!“ „Frauen machen sich eher klein“, sagte auch Petra Guttenberger. „Aber immer mehr Frauen lassen sich nicht mehr alles gefallen.“ Herta Daniel geht mit ihrer Vereinserfahrung, dass Frauen im Verband der Siebenbürger Sachsen gut vertreten sind, einen Schritt weiter: „Frauen werden vorgeschickt, wenn schwierige Probleme auftreten.“ Auch hat sie öfters erfahren, dass bei drohender Auflösung einer Kreisgruppe sich dann doch meist Frauen bereiterklärt haben, diese weiterzuführen, damit die Kreisgruppe weiter besteht. Renate Schmidt hat auch die Erfahrung gemacht, dass „dann, wenn der Karren im Dreck ist, man sich besinnt, dass es Frauen gibt“.

Aus dem Publikum wurde die heutige optimale Sitzverteilung 50/50 im Nürnberger Stadtrat gelobt und zur Nachahmung vorgeschlagen. Dazu Renate Schmidt: „In den Gemeinden auf dem Land sieht’s zappenduster aus!“ Auf das Gendersternchen angesprochen, erklärten die Podiumsteilnehmerinnen, dass sie versuchen, das Sternchen zu umgehen, indem sie die männliche und weibliche Form benennen. Verena Osgyan: „Es reicht nicht mehr aus, nur Polizisten zu sagen, wir sehen, wie sich Sprache entwickelt.“ Renate Schmidt ergänzt, dass das Gendersternchen uns daran erinnert, dass z.B. noch immer Frauen weniger verdienen als Männer. Für weitere Fragen fehlte einfach die Zeit. Trotzdem war der Abend interessant und kurzweilig. Und vielleicht anregend für die Frauen und Männer aus dem zahlreichen Publikum, nach guten Lösungen zu suchen, wie wir gemeinsam und auf allen Ebenen die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern beseitigen könnten.

Vielen Dank an Moderatorin Dagmar Seck und ganz besonders an die vier Frauen, die ihre Erfahrungen und Ansichten so offen und sympathisch mit uns geteilt haben!

Doris Hutter

Schlagwörter: Frauen, Podiumsdiskussion, Filmvorführung

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