20. März 2023

„Vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“: Hauskalender 2023 über Menschenwege und Gottes Wege

Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden, sagte der dänische Theologe und Philosoph Søren Kierkegaard. Das bedeutet, dass sich der Sinn erst im Rückblick erschließt. Und aus der Perspektive des Glaubens erkennen wir, dass uns Gott geführt hat und dass unsere Lebenswege eigentlich Gottes Wege sind. Und nicht selten sind unsere persönlichen Wege auch wichtig für die Gemeinschaft, in der wir leben.
Unter eben diesem Titel „Menschenwege und Gottes Wege“ ist der Siebenbürgisch-Sächsische Hauskalender, der im Auftrag der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD von Prof. Dr. Berthold W. Köber herausgegeben wird, als Jahrbuch 2023 erschienen. Und ein Teil der Beiträge hat die Lebenswege von Persönlichkeiten wie Dr. Hans Otto Roth und dem ehemaligen Hermannstädter Stadtpfarrer Alfred Hermann, aber auch von Menschen wie Du und Ich zum Thema. Weitere Beiträge greifen aktuelle Jubiläen unterschiedlicher Institutionen auf.

Den Reigen der Beiträge mit aktuellem Bezug eröffnet die Predigt anlässlich des Festgottesdienstes beim Heimattag 2022 in Dinkelsbühl, in der Bischof Reinhart Guib das Motto des Heimattages „Wurzeln suchen – Wege finden“ aus christlicher Sicht betrachtet.

Im Jahr 2022 hat die Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), besser bekannt auch als „Hilfskomitee“, ihr 75-jähriges Gründungsjubiläum gefeiert. Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Berthold Köber stellt in einem informativen Bericht die Tätigkeiten und das Wirken dieser Institution vor. Gegründet am 6. Januar 1947 in München mit dem Ziel den im zerbombten Deutschland gelandeten Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben Hilfestellung in ihrer Notlage zu geben, war das Hilfskomitee die erste siebenbürgisch-sächsische Organisation im Nachkriegsdeutschland. Zwei Jahre später ist dann aus dem Hilfskomitee heraus die „Landsmannschaft“, der heutige Verband der Siebenbürger Sachsen, gegründet worden. Prof. Köber geht auf die Tätigkeit in diesen ersten Jahren ein, verschweigt aber nicht die Spannungen, die sich hinsichtlich der Auswanderungsthematik zwischen dem Hilfskomitee und der Landsmannschaft ergaben, und berichtet auch über die unlauteren Bemühungen der damaligen Kirchenleitung der Heimatkirche, die siebenbürgischen Pfarrer vom Auswandern abzuhalten.

Ebenfalls in 2022 jährte sich zum 500. Mal die Erscheinung der ersten von Martin Luther ins Deutsche übersetzten Bibel. Pfarrer i. R. Hans D. Daubner hat dieses Jubiläum für einen Rückblick zum Anlass genommen. Auch die Schäßburger Bergschule konnte 2022 auf 500 Jahre seit der ersten urkundlichen Erwähnung zurückblicken. Dr. Karl Scheerer geht auf die Anfänge der Schule bis 1945 ein, zeigt die Bedeutung der Schule für diese Stadt und weit darüber hinaus auf. Der geneigte Leser ist beeindruckt von der Anzahl der Persönlichkeiten, die erst als Schüler, später dann als Lehrer an dieser Schule gewirkt haben. Der Beitrag von Claudiu Pop, Geschichtelehrer des heutigen Josef-Haltrich-Gymnasiums, über die Entwicklung der Schule nach 1945 ergänzt den vorangegangenen Beitrag zu einem vollständigen Bild über die Schäßburger Bergschule.

In ihrem Beitrag regt Ilse Philippi, Kuratorin der Evangelischen Kirchengemeinde Hermannstadt, an, die Statistischen Jahrbücher der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien wieder auflegen zu lassen, um in einem sachlichen Zeitdokument „den Pulsschlag der Kirche nachhaltig und amtlich belegbar festzuhalten“. In diesem Jahr sind es 70 Jahre seit dem Tod von Dr. Hans Otto Roth, einem der bedeutendsten sächsischen Politiker der Zwischenkriegszeit. Der Historiker Dr. Harald Roth geht auf das Wirken dieser Persönlichkeit ein, die gegen den Nationalsozialismus kämpfte und sich als Landeskirchenkurator für die Belange der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien einsetzte.

Pfarrer i.R. Dr. Thomas Pitters beleuchtet das Leben und Wirken des ehemaligen Stadtpfarrers und Bischofvikars Alfred Herrmann in schwierigen Zeiten zu Beginn der kommunistischen Herrschaft. Getreu dem Thema dieses Jahrbuches schreibt Hans Fabini seine Lebenserinnerungen für seine Enkelkinder Caspar und Christina nieder und lässt den Leser an seinem Lebensweg teilhaben.

Den Weg der evangelischen deutschen Gemeinde in Cȃmpina im Prahova-Tal zeichnet Jutta Caplat geb. Kolck, nach, die in ihrem Beitrag die persönlichen Erlebnisse ihrer Eltern schildert und damit Einblicke in die dortige deutsche Gemeinschaft ermöglicht.

Waldemar Scholtes, seines Zeichens kanadischer Einwanderer siebenbürgischer Abstammung in zweiter Generation, erzählt seine Familiengeschichte von der Auswanderung aus Bistritz über Österreich bis nach Kanada. Seine Geschichte ist ein Stück weit auch die Geschichte der siebenbürgischen Auswanderer, viele von ihnen haben sich beruflich gut etabliert und für die dortige Gemeinschaft erfolgreich gewirkt.

Heinz Bretz hat die Erinnerungen an seinen Vater Walter Bretz, der 24 Jahre lang Schuldirektor in Großau und Neppendorf war, aufgeschrieben und damit wertvolle Einblicke in die Familie der Bretz-Lehrer gegeben. Die Herausforderungen, mit denen sein Vater als Schuldirektor konfrontiert war, spiegeln gleichsam die großen Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg wider und verdeutlichen, was „produktive“ und „unproduktive“ Berufe im Sozialismus bedeuteten.

Gottes Weg kann auch ein Schulweg von Tobsdorf nach Hetzeldorf sein. Gertrud Bredt geb. Thomke ist diesen Weg all die Jahre behütet gegangen ist und blickt mit Dankbarkeit darauf zurück. Das „Märchen vom kurzen Glück“ erzählt die Geschichte einer geglückten Adoption und eines viel zu kurzen Lebensweges, und der geneigte Leser kann den großen Verlustschmerz der Eltern nur erahnen.

Für Eduard Gregor ging der Weg in den 80er Jahren erstmal von Baaßen nach Mediasch. Enttäuscht von den Folgen der Revolution im Dezember 1989, von dem falsch interpretierten Freiheits- und Demokratieverständnis, führt ihn sein Weg dann weiter nach Deutschland. Aber seine Heimat und sein Baaßen wird er nie vergessen.

Für Rosemarie Müller hingegen ist ihr Weg in Alzen weitergegangen. Als langjährige und tatkräftige Kuratorin hat sie in einer schrumpfenden Kirchengemeinde und siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft viele Aufgaben und Rollen angenommen: Lehrerin, Reiseleiterin, Kuratorin, Vertreterin der Sachsen vor Ort, Pflegerin der siebenbürgischen Kultur – um nur einige zu nennen. Für ihren unermüdlichen Einsatz wurde ihr 2021 die Honterus-Medaille verliehen. Der damalige Landeskirchenkurator Friedrich Philippi hat die Laudatio gehalten. Mit dem Titel „Leben ist Aufbruch und Veränderung“ beschreibt Hans-Viktor Krolovitsch, Hauptpastor der Schwedischen Kirche, seinen Weg durch drei Länder und drei Kirchen.

Angetrieben von dem Wunsch, anlässlich 500 Jahre Reformation etwas Besonderes zu unternehmen, hat der Wolkendorfer Pfarrer Uwe Seidner 2017 mit einer Gruppe von jungen Erwachsenen aus Wolkendorf und Heltau eine Reise entlang der Seidenstraße unternommen, um evangelische Gemeinden zu besuchen. Sein Weg führte ihn in zwei Monaten durch sechs zentralasiatische Länder, und der Erlebnisbericht erzählt von den Begegnungen mit den dort lebenden Glaubensgeschwistern.

Außerdem bietet der vorliegende Hauskalender zu Beginn die Auslegung zur Jahreslosung 2023 („Du bist ein Gott der mich sieht“, 1. Mose 16, 13) von Kirchenrätin Melitta Müller-Hansen und passend dazu einen dreistimmigen Kanon und einen vierstimmigen Chorsatz von Prof. Heinz Acker.

Weitere Andachten zu den Monatssprüchen von Pfarrern aus Siebenbürgen, Deutschland, Österreich, Holland und Schweden, der Bibelleseplan, das alphabetische Verzeichnis der Namenstage, die Feiertage anderer Kirchen und Religionen sowie die Termine unserer kirchlichen Feiertage vervollständigen das ansprechende Jahrbuch 2023 und machen es zu einem passenden Geschenk zu vielfältigen Anlässen.

Das Jahrbuch 2023 / Hauskalender der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger und Banater im Diakonischen Werk der EKD kann für 10,95 Euro, zuzüglich 2,95 Euro Verpackung und Versand, bei Georg Hutter, Egkstr. 2, 91074 Herzogenaurach, Telefon: (0174) 9659788, E-Mail: hutter.georg [ät] herzonet.de per Brief, E-Mail, SMS, WhatsApp oder telefonisch bestellt werden.

Jürgen Binder

Schlagwörter: Rezension, Hilfskomitee, Hauskalender, Jahrbuch, Köber

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