7. Juni 2023

„Eine Tracht Heimat!“ in Dinkelsbühl ausgestellt

Zum Auftakt des diesjährigen Heimattags wurde am Freitag, dem 26. Mai, im Haus der Geschichte Dinkelsbühl die Sonderausstellung „Eine Tracht Heimat! Trachten – Vielfalt – Gemeinschaft. Aquarelle von Juliana Fabritius-Dancu“ als Kooperation des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim mit dem Haus der Geschichte Dinkelsbühl und dem Kulturreferat des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland eröffnet. Dr. Markus Lörz führte in die Ausstellung ein.
Sommerliche Unbeschwertheit bei der ...
Sommerliche Unbeschwertheit bei der Ausstellungseröffnung im Haus der Geschichte in Dinkelsbühl, von links: Dr. Christoph Hammer, Dr. Markus Lörz, Ute Heiß, Nora Engelhard und Rainer Lehni. Foto: Siegbert Bruss
Mit einem Glas Wein versammelte sich das zahlreich erschienene Publikum an dem lauen Frühlingsabend im Innenhof des Hauses der Geschichte, wo zunächst Ute Heiß vom Haus der Geschichte Dinkelsbühl die Anwesenden begrüßte und das Wort an Rainer Lehni, Bundesvorsitzender des Verbands der Siebenbürger Sachsen, als Ausrichter des Heimattags übergab. Er hob in seiner Rede die herausragende Bedeutung der Werke Fabritius-Dancus für die Siebenbürger Sachsen heraus; erfreuten sie sich doch ab den 1980er Jahren großer Beliebtheit und waren in fast jedem sächsischen Haus als Kalenderblätter oder Postkartenserien präsent. Insofern sei die Ausstellung ein Gewinn für den Heimattag und eine großartige Gelegenheit die originalen Aquarelle einmal im Zusammenspiel mit den realen Festtagstrachten, wie sie am Pfingstsonntag beim traditionellen Trachtenumzug getragen werden, sehen zu können.

Nach der Rede Rainer Lehnis folgte das Grußwort des Oberbürgermeisters von Dinkelsbühl, Dr. Christoph Hammer. Er dankte für die inzwischen beinahe auch schon zur Tradition gewordene erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Haus der Geschichte Dinkelsbühl und dem Siebenbürgischen Museum. In seiner Rede stellte Oberbürgermeister Dr. Hammer außerdem den Wert der Tracht als gemeinschaftsstiftendes Element einer Gesellschaft heraus und zog Vergleiche zwischen der Vielfalt der siebenbürgisch-sächsischen und der bayerischen Trachtenlandschaft. Als Ausnahme wies er darauf hin, dass in Dinkelsbühl das Tragen von Tracht historisch kaum Bedeutung gehabt hätte und daher auch keine Bürgertracht überliefert sei, da hier die Kinderzeche und deren Brauchtum die Funktion als heimatliches Bindungsglied für die Stadtgesellschaft seit dem 19. Jahrhundert übernommen habe, während andernorts in Franken und Bayern hierzu seit dieser Zeit das Trachtenwesen diene.

Den Abschluss der Reden bildete die Einführung in die Ausstellung durch den wissenschaftlichen Leiter des Siebenbürgischen Museums, Dr. Markus Lörz.

Eine Tracht, also eine gehörige Portion, Heimat bekomme man dieses Jahr mit den Trachtendarstellungen präsentiert, was gut zum Heimattag passe, so Dr. Lörz. Das ironische Wortspiel solle aber gleichsam auch verdeutlichen, dass es bei der diesjährigen Schau heiterer und unbeschwerter zugehen solle als bei den Gedächtnisausstellungen zur Deportation der Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion aus den vergangenen Corona-Jahren.

In farbenfrohen Aquarellen hat die Volkskundlerin und Illustratorin Juliana Fabritius-Dancu ab den 1970er Jahren bis zu ihrem frühen Tod 1986 hunderte von Menschen in ihren sächsischen Ortstrachten sowie deren jeweilige Besonderheiten und Unterschiede detailreich festgehalten. Sie spiegeln die Vielfalt der Trachten der einzelnen Ortsgemeinschaften wider.

Die Bilder sind für Dr. Lörz aber auch historische Zeitdokumente unschätzbaren Werts, da sie die siebenbürgisch-sächsische Trachtenlandschaft um die Mitte der 1970er Jahre im Bild festhalten und bis heute vermitteln. Er wies darauf hin, dass sich die vielfach publizierten Aquarelle seit den 1990er Jahren zu einem Großteil im Besitz des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim befinden, jedoch aufgrund der Lichtempfindlichkeit des Materials nicht dauerhaft ausgestellt werden können. Für die Ausstellung in Dinkelsbühl wurden aus den über hundert Blättern dreißig beispielgebende Werke ausgewählt.

Dr. Markus Lörz nahm die Gelegenheit wahr, die Anwesenden um Informationen zu bitten, falls der ein oder die andere sich selbst oder jemanden aus der Verwandtschaft dargestellt finde. „Die Geschichten hinter den Bildern sind ein wichtiger Teil ihrer Geschichte, die wir gern dokumentieren würden“, so Dr. Lörz. Hierzu sei bereits eine Zuschrift eingegangen und das Siebenbürgische Museum freue sich über weitere Hinweise (E-Mail: info[ät]siebenbuergisches-museum.de).

Juliana Fabritius-Dancu: Deutsch-Weißkirch. Blau ...
Juliana Fabritius-Dancu: Deutsch-Weißkirch. Blau geschleierte junge Frau am ersten Tag nach der Hochzeit. Aquarell, o. J., Siebenbürgisches Museum Gundelsheim. Foto: © Siebenbürgisches Museum, Julia Koch
Im Weiteren ging er auf die Bedeutung der Tracht aus kulturhistorischer Sicht ein. Kleider, sagt das Sprichwort, machen Leute, und dies nicht von ungefähr. Kleidung kann, wie kaum ein anderer Bereich der Alltagskultur, Symbol für den wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Status einer Person sein. Dies war so und ist bis heute so geblieben. Kleidung kann auch eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe nach außen wie nach innen sichtbar machen. Heute gut ablesbar, so Lörz, etwa bei Fußballfans, die das Vereinstrikot tragen, oder in der Jugendkultur, in der eine bestimmte Kleidung und „Haar-Tracht“ ebenso die Gruppenzugehörigkeit definieren.

Der seit einigen Jahren zunehmende Trend der Suche nach dem heilen Heimeligen in einer immer schwerer fassbaren und krisenhaften Zeit führe auch dazu, dass die „Tracht“ wieder salonfähig geworden sei. Allerorten, wie etwa von ihm beim Mannheimer Maimarkt beobachtet, trage man Dirndl und Lederhosen. Aber ist dies wirklich Tracht, wenn Kurpfälzerinnen oberbayrische Dirndl tragen? – Nein, dies sei lediglich „Trachtenmode“, als volkstümelnder Ausdruck einer „Nostalgie nach dem Heimeligen, der vermeintlichen Heimat“, so Dr. Lörz.

Echte Tracht ist in der Tradition einer Region oder eines Ortes verankert, mit Bräuchen und wichtigen Stationen des Lebens – Konfirmation, Hochzeit, Trauer – verbunden und von Generation zu Generation weitergetragen. Diese Trachten seien nicht „heimattümelnd, sondern authentisch mit der Heimat verbunden“. Von solchen, in unserem Fall siebenbürgisch-sächsischen Trachten handele diese Ausstellung und ebensolche seien beim Trachtenumzug während des Heimattags vielfach zu sehen.

Juliana Fabritius-Dancu habe die Trachten der Siebenbürger Sachsen in einer entscheidenden Phase festgehalten, als das Tragen der Festtracht immer mehr durch zeitmodische Kleidung abgelöst wurde. Ihre Bilder können uns heute und in Zukunft daher Auskunft über Traditionen, regionale Gemeinsamkeiten und ortstypische Unterschiede geben, auch wenn bald vielleicht nur noch wenige unter uns sind, die diese Traditionen pflegen.

Die Tradition sei, so Dr. Lörz, nicht nur in der Nutzungs- und Trageweise der Trachten nachweisbar, sondern ganz konkret im Weitergeben bestimmter Elemente von einer Generation an die andere, etwa den berühmten Hefteln, die teils über Jahrhunderte vererbt wurden. Die siebenbürgische Trachtenlandschaft zeige sich außerdem als sensibler Indikator des kulturellen Mit- und Nebeneinanders, der ständigen Neubestimmung des Eigenen ebenso wie des Austausches. Der kulturelle Austausch werde beispielsweise an ungarischen Elementen in manchen Ortstrachten sichtbar, die die Vielfalt des so einzigartigen multiethnischen Kulturraums Siebenbürgen verdeutlichen.

Zum Abschluss seiner Einführungsworte dankte Lörz den Kolleginnen und Kollegen vom Haus der Geschichte sowie Dagmar Seck, Bundeskulturreferentin des Verbands der Siebenbürger Sachsen, für die sehr gute Zusammenarbeit. Er dankte ebenso der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen in Bayern für die finanzielle Förderung der Schau. Abschließend galt sein besonderer Dank Dr. Irmgard Sedler, Vorsitzende des Trägervereins des Siebenbürgischen Museums, die als Volkskundlerin und ausgewiesene Expertin im Bereich der siebenbürgisch-sächsischen Trachten in großem Maße an der Vorbereitung der Ausstellung beteiligt war.

Die Eröffnungsfeier klang mit einem Rundgang durch die Ausstellung und vielen interessierten und guten Gesprächen aus. Für all diejenigen, die beim Heimattag nicht dabei sein konnten, wird die Ausstellung in erweiterter Form nochmals vom 14. Oktober 2023 bis 7. April 2024 im Siebenbürgischen Museum Gundelsheim gezeigt.

Schlagwörter: Heimattag 2023, Ausstellung, Fabritius-Dancu, Aquarelle

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