28. Juni 2023

Ein Füllhorn an Köstlichkeiten: Irina Georgescu verführt in ihrem neuen Buch mit süßen Leckereien

„Tava“ heißt Irina Georgescus neues Buch, das Rumänien als „Schmelztiegel der Kulturen“ präsentiert und über 80 Kuchen- und Dessertrezepte aus der vielfältigen rumänischen Küche mit ansprechenden großformatigen Fotos beinhaltet. Der Untertitel „Süße Köstlichkeiten aus Rumänien und anderen osteuropäischen Ländern“ ist dabei irreführend, da es um „Rezepte […] der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und Regionen des Landes“ geht, „die unsere Landesküche mitsamt ihrer typischen Gerichte geprägt haben“, wie die Autorin in der Einleitung schreibt. „Dieses Buch erzählt von der jahrhundertealten Vielfalt sich vermischender Kulturen, aus denen die rumänische Küche mit all ihren herrlichen Aromen und Texturen hervorgegangen ist.“
Sechs in Rumänien beheimatete Bevölkerungsgruppen und ihre Geschichte hat Irina Georgescu berücksichtigt, um diese Vielfalt abzubilden: Szekler und Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben und Armenier, Magyaren (Ungarn) und Juden werden in Überblicksdarstellungen zwischen den zehn Rezeptkapiteln vorgestellt. Einen eigenen Text widmet sie Samuel von Brukenthal (1721-1803), der sich mit dem Anbau verschiedener Lebensmittel, vor allem Früchte, beschäftigte, die Wasserbüffel aus Ägypten nach Siebenbürgen brachte und eine Vorliebe für Obst und Eingemachtes hatte. Ein Rezept für „Brotpudding nach Baron Brukenthal“ folgt. Ebenfalls eigenständig behandelt wird die rumänische Aristokratie, die mit ihren weit verzweigten dynastischen Verbindungen vielfältige kulinarische Akzente setzte. Nachkochen kann man dazu „Aprikosen-Minz-Sorbet“ sowie „Kaffee-Parfait mit dunkler Schokolade“.

Für den Text über die Siebenbürger Sachsen hat Irina Georgescu unter anderem Caroline Fernolend aus Deutsch-Weißkirch getroffen, die in ihrem Heimatort ein Vorzeigeprojekt zur Bewahrung traditioneller handwerklicher Techniken geschaffen hat, die nach der politischen Wende 1989 und dem damit verbundenen Wegzug vieler ortsansässiger Sachsen in Vergessenheit zu geraten drohten. Rezepte und Küchenpraxis gehören natürlich auch zum überlieferten Erbe, und darum wird an dieser Stelle im Buch der Klassiker „Sächsische Pflaumen-Hanklich“ präsentiert – mit dem Hinweis, dass Caroline Fernolend potenziellen Investoren stets Hanklich und süße Knödel servierte und dazu ein Gläschen Pflaumenschnaps reichte, „der traditionelle Willkommensgruß der Siebenbürger Sachsen“.

Die in „Tava“ versammelten Rezepte lassen schon anhand der thematisch gewählten Kapitelüberschriften den kulinarischen Reichtum erkennen: Es gibt „Kekse und Plätzchen“, „Gedeckte Kuchen und Fladenbrote“, „Hefegebäck“, „Strudel, Tartes und gefülltes Gebäck“, „Crêpes, Knödel, Nudeln und Getreidespeisen“, „Krapfen und Schmalzgebäck“, „Biskuit- und Mürbeteigkuchen“, „Torten und nostalgisches Konditoreigebäck“, „Gluten- oder laktosefrei“ sowie „Süße Snacks und Mitbringsel“. So verspricht das Inhaltsverzeichnis ein Füllhorn an Köstlichkeiten, die es zu entdecken gilt. Weil die Entscheidung schwer fällt, seien beispielhaft nur genannt: Walnuss-Kaffee-Macarons, Kürbisstrudel, Vanillecremeschnitten mit Eierlikör, Crêpes mit Apfelsaft-Rosmarin-Sauce, Diplomatentorte mit Rum-Ananas, Budapester Gerbeaud-Schnitten, Gestürzter Birnen-Salbei-Kuchen, Süßer Maismehlkuchen. Bereichernd ist, dass die Süßspeisen auch mit ihren rumänischen Namen vorgestellt werden; unverzichtbar, dass am Ende des aufwändig gestalteten Buchs ein Register zu finden ist.

Irina Georgescu, die 2020 mit ihrem Erstling „Carpatia. Eine kulinarische Reise durch Rumänien“ einen wunderbaren Überblick über die Küche ihres Heimatlandes vorgelegt hat, zeigt sich in „Tava“ erneut begeistert von dessen vielfältiger Kulinarik, die „außerhalb ihrer regionalen Grenzen […] nur wenigen Kennern bekannt“ sei, wie sie schreibt. Das Buch der gebürtigen Bukaresterin, die seit über 15 Jahren in Großbritannien lebt, soll Abhilfe schaffen und Lust machen auf diese wenig bekannte Küche, deren gegenwärtiges Erscheinungsbild sich aus so unterschiedlichen, über die Jahrhunderte miteinander verflochtenen Einflüssen speist. „,Tava‘ ist ein Backbuch mit einem historischen Blickwinkel und auch ein Reisebuch, da ich Orte in Rumänien, die man besuchen, Menschen, die man treffen, und Gerichte, die man probieren kann, vorstellen wollte“, schreibt die Autorin auf ihrer Webseite. Hinzufügen möchte man: Es ist genauso ein kulturwissenschaftliches Lesebuch und ein Bildband, der nicht nur die Speisen, sondern auch rumänische Landschaften, Interieurs, Architektur ansprechend in den Fokus rückt.

Doris Roth

Irina Georgescu: „Tava“. Süße Köstlichkeiten aus Rumänien und anderen osteuropäischen Ländern. Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 2023, 272 Seiten, 38 Euro, ISBN 978-3-8369-2194-7.

Schlagwörter: Backen, Buchbesprechung, Kulinarik

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