30. September 2003

Gründer der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung

Am 2. August 2003 wäre der in Hermannstadt geborene Ernst Habermann hundert Jahre alt geworden. Er entstammte einer wohlhabenden Brauereifamilie. Den wirtschaftlichen Erfolg seiner Vorfahren fortsetzend, wurde Ernst Habermann einer der erfolgreichsten Wirtschaftsfachmänner und Unternehmer der Siebenbürger Sachsen. Sein Geist lebt in der von ihm gegründeten Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung in München weiter.
Die Jugendjahre verbrachte Ernst Habermann in seiner Vaterstadt und später in Kronstadt. In beiden so siebenbürgisch-sächsisch geprägten Städten entwickelte der junge Schüler und Gymnasiast ein festes Heimatgefühl, das ihn durch sein Volkswirtschaftsstudium in München begleiten sollte. Nach abgeschlossenem Studium kehrte Habermann in die Heimat zurück, wo er mit dem Aufbau eines Unternehmens begann, das während des Zweiten Weltkrieges weit über die Grenzen Rumäniens hinauswuchs. Kriegsende und die sich in Rumänien anbahnende politische Wende zwangen Habermann zum Umdenken. Seine Familie war in Rumänien mit der unmittelbaren Gefahr der Verschleppung zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion konfrontiert. Beinahe ein Jahr lebte sie quasi im Untergrund, ehe im Mai 1947 die Flucht gelang, mit Frau und neunjährigem Sohn. Im Westen angelangt, begann Habermann seine Wirtschaftsbeziehungen als freier Unternehmer aufzubauen.

Der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung, der nach dem Krieg überall in Westeuropa einsetzte, begünstigte dieses Streben nach Besitz und Wohlstand. Menschen in Not, denen Habermann während des Krieges beigestanden hatte, halfen jetzt ihm und seiner Familie. In jenen Jahren galt seine Sorge den Familienangehörigen, die er 1947 in der Heimat zurücklassen musste, und natürlich auch seinen Landsleuten, deren Lage sich zusehends verschlechterte. 1962 konnte er dreizehn Mitglieder seiner Familie und der seiner Frau aus Rumänien herauskaufen.
Ernst Habermann
Ernst Habermann


Habermann schmiedete immer neue Pläne, um den Landsleuten zu helfen. So schwebten ihm siebenbürgisch-sächsisch geprägte, in Westdeutschland anzusiedelnde Wirtschaftsgründungen vor: eine siebenbürgische Bank, siebenbürgische Betriebe. All das mit dem Ziel, ein „Unternehmen Siebenbürgen" zu schaffen. Im Zusammenhang mit den anderen von Landsmannschaft und Landsleuten im Westen, namentlich in der Bundesrepublik geschaffenen Institutionen wie Altenheimen, Siedlungen, dem Siebenbürgischen Museum, sowie dem Siebenbürgen-Institut sollte auf diese Weise der Zusammenhalt der Siebenbürger Sachsen gefördert werden. Habermann erkannte, dass nur das reiche Kulturgut der stetig wachsenden Zahl seiner Landsleute, die die Heimat im Zuge der Familienzusammenführung verlassen hatten, die Bande der nunmehr weit verstreuten Siebenbürger Sachsen festigen konnte. Hierfür galt es den finanziellen Grundstock zu legen. Habermann war zu sehr Realist, um nicht zu wissen, dass die Siebenbürger Sachsen durch den Verlust ihres bäuerlichen und handwerklichen Besitzes in der alten Heimat nicht ohne adäquate Kompensation existentiell bedroht waren. 1979 gründete er daher die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung.

Er konnte nicht ahnen, dass nur zwei Jahre nach seinem Tod im Jahre 1987 auch dem Kommunismus in seiner Heimat das Sterbeglöcklein läuten würde. Es war ihm nicht mehr vergönnt, diesen Zusammenbruch zu erleben. Gewiss wäre er in jenen für uns alle so aufregenden Wochen und Monaten nach dem Umbruch mit entsprechenden Plänen und Ideen an vorderster Stelle vertreten gewesen. Die Frage bleibt unbeantwortet, ob Habermann den Massenexodus seiner Landsleute nach 1990 gutgeheißen hätte. Bedauert hätte er allerdings mit Gewissheit das in der Folge entstandene Vakuum. Umso mehr erwies sich die Gründung der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung als ein weiser Schritt. Durch zahlreiche Zustiftungen konnte der Handlungsspielraum der Stiftung vergrößert werden. Andererseits knüpfte der Gedanke einer Stiftungsgründung an die bei den Siebenbürger Sachsen so ausgeprägte Solidargemeinschaft an, eine Solidargemeinschaft, die über Jahrhunderte hinweg in Form der Nachbarschaften dem Überleben des Volksstammes so dienlich gewesen ist. Dieses „Alle für einen, einer für alle"-Gefühl wird auch heute noch in den Heimatsortsgemeinschaften gelebt. Denen, die in Not geraten sind, besonders in der alten Heimat, zu helfen und den Alten den Lebensabend erträglich zu machen, sie vor Vereinsamung zu bewahren, war stets Handlungsmotiv jenes bedeutenden Unternehmers.

Seit ihrem Bestehen hat sich die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung in vielfacher Hinsicht für das kulturelle Erbe in Siebenbürgen eingesetzt. So ist die Kirchenburg von Tartlau seit 1992 Patenschaftsobjekt der Stiftung. Unter der fachmännischen Leitung von Architekt Dr. Hermann Fabini wurde sie aufwändig restauriert und gehört heute zum UNESCO-Weltkulturerbe. Im Zusammenhang mit dem Bemühen um den Erhalt der Kirchenburgen finanziert die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung jährlich auf Vorschlag des Landeskonsistoriums der Evangelischen Kirche Arbeiten zur Sanierung und Renovierung einzelner Objekte. Im Vorjahr wurden u. a. Restaurierungsarbeiten an der Kirche von Probstdorf gefördert. In Honigberg wurde der Glockenturm konsolidiert und restauriert. Demnächst wird in Zusammenarbeit mit dem WORLD MONUMENTS FOUND (WMF) in New York ein 140 000-Dollar-Projekt gestartet, das zu gleichen Teilen von der Stiftung und dem WMF finanziert wird. Es geht hierbei um die Restaurierung des Westportals der ehemaligen Bischofskirche in Birthälm, des Kirchensockels auf einer Länge von 200 Metern, um Arbeiten am Katholischen Turm, um Ausbesserungen an den Ringmauern sowie um die Pflasterung eines Innenhofes der Burg. Überdies gewährt die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung Stipendien an Studentinnen und Studenten, die ihre Studien in Deutschland oder Osterreich betreiben und deren Eltern in Rumänien leben. Ein weiteres Aktionsfeld der Stiftung ist die redaktionelle und finanzielle Betreuung der Heimatbücher der einzelnen Heimatortsgemeinschaften, die mit jeweils 1 000 Euro pro Band gefördert werden. Bisher hat die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung etwa 100 Buchveröffentlichungen finanziell unterstützt. In letzter Zeit, besonders im laufenden Jahr, hat die Stiftung eine Reihe von Musikprojekten gefördert, so das alljährliche Carl Filtsch-Wettbewerb-Festival in Hermannstadt. Ferner findet jeden Sommer in der Tartlauer Kirchenburg das Diletto musicale statt, bei dem Musiker aus Hermannstadt, Kronstadt, Klausenburg, Bukarest, aber auch aus Deutschland und der Schweiz auftreten. Zudem hat die Stiftung den neu gegründeten Schülerchor des Pädagogischen Lyzeums, Hermannstadt, gefördert. Der Hermannstädter Bachchor unternahm mit finanzieller Unterstützung der Stiftung diesen Sommer eine Konzertreise nach Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Schließlich sei zu erwähnen, dass die Stiftung 2003 die Hundertjahrfeier für den Siebenbürgischen Komponisten Wagner-Régeny mitorganisiert, an der Finanzierung einer Jubiläums-CD mit Werken des Komponisten beteiligt ist und für die Ausrichtung eines Porträt-Konzertes im Münchner Gasteig Anfang Dezember mitverantwortlich zeichnet.

Alle zwei Jahre wird der nach dem Gründer benannte, mit 2 500 Euro dotierte ERNST-HABERMANN-PREIS an junge Künstler verliehen. Ernst Habermann hätte seine Freude und Genugtuung an den großartigen Leistungen der von ihm ins Leben gerufenen Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung. All dies war nur durch Zustiftungen möglich, die heimatverbundene Landsleute geleistet haben und hoffentlich noch leisten werden. Die Zinslage der letzten Jahre auf dem deutschen Kapitalmarkt hat der Stiftung nicht geholfen. Im Gegenteil, es mussten einige Projekte zurückgestellt werden. Daher ergeht auch von dieser Stelle der Aufruf an die Siebenbürger Landsleute, i h r e Stiftung nicht zu vergessen. Im übertragenen Sinn ist sie eine Fortentwicklung unserer in der Vergangenheit so bewährten Nachbarschaften, durch die unser kleiner Volksstamm in erheblichem Maße in schweren Zeiten überlebt hat. Dies war auch immer das Augenmerk des Stiftungsgründers Ernst Habermann.

Hans-Joachim Acker


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 15 vom 30. September 2003, Seite 4)

Schlagwörter: Porträt, Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung, Unternehmer

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