29. Mai 2024

Siebenbürgisch-sächsisches Leben verpixelt, beschrieben und zusammengesteckt: Ein Buch- und Ausstellungsprojekt, wie man es selten sieht: Legos von Alexander Hauptkorn beim Heimattag in Dinkelsbühl

Alexander Hauptkorn ist ein Münchner siebenbürgisch-sächsischer Herkunft. Er ist Grafikdesigner und Gewinner der RTL-Fernsehsendung „Lego Masters“ 2022. In den letzten Jahren hat er sich verstärkt mit seinen Wurzeln beschäftigt. Mischt man all diese Elemente zusammen, kommt dabei ein spannendes, berührendes und unterstützenswertes Buch- und Ausstellungsprojekt heraus, das beim Heimattag in Dinkelsbühl zum ersten Mal vorgestellt wurde.
Den Schäßburger Stundturm hat Alexander Hauptkorn ...
Den Schäßburger Stundturm hat Alexander Hauptkorn aus Lego-Steinen angefertigt. Foto: Andreas Schoppel
Wer zu Pfingsten die Ausstellung „Wurzeln der Sehnsucht“ im Konzertsaal des Spitalhofs besucht hat, musste teilweise recht nah an die Vitrinen herantreten, um die Ausstellungsstücke gut zu sehen. Mit Lego-Steinen kann man Welten im Miniaturformat erschaffen und so gab es ein typisch sächsisches Diorama, das einem kleinen Haus mit mehreren Zimmern ähnelte: Zwei Figuren spielen Canasta, eine andere Akkordeon, eine Frau kocht Vogelmilch und eine andere putzt den Kukuruz, der draußen wächst. In den Wolken, über einem Bett aus Rosen, sitzt eine weibliche Figur mit Engelsflügeln und schaut sich das Treiben unter ihr an.

Dieses kleine Engelchen ist Gerlinde, genannt Linde, sie war die Mutter des Künstlers und ihr Tod vor zwei Jahren hat bei Alexander Hauptkorn eine intensive Beschäftigung mit seinen siebenbürgisch-sächsischen Wurzeln ausgelöst. Er reist nach Siebenbürgen, besucht Hermannstadt und Schäßburg, die Herkunftsorte seiner Eltern, und schreibt danach selbst, dass er, geprägt von der Suche nach Selbstfindung und der Verarbeitung von Verlust und Trauer, in der Schönheit Siebenbürgens eine Quelle der Inspiration und Heilung fand. Zu seiner Auseinandersetzung mit der Familiengeschichte gehören neben einer 54 cm hohen Nachbildung des Schäßburger Stundturms aus Lego-Bausteinen insbesondere Lego-Figuren in Tracht, mit denen der Künstler in unterschiedlichsten Anordnungen „Familienfotos“ nachstellt: Gruppenfoto mit Täufling, Porträtbild der Mutter, Foto von Vater und Mutter beim Tanz, Vater und Sohn mit dem ersten Fahrrad und so weiter. Die Bilder sind deshalb so rührend, weil man sie genau so im eigenen Familienalbum wiederfindet.
Stundturm als Grafik. Foto: Alexander Hauptkorn ...
Stundturm als Grafik. Foto: Alexander Hauptkorn
Viel tiefer geht Alexander Hauptkorn aber mit seinem Buch „Siebenbürgen – Wurzeln der Sehnsucht“, das eine sehr persönliche Hommage an Linde ist und von dem beim Heimattag bereits einige Seiten in einer Vitrine ausgelegen sind. Mit der Flucht der Mutter über Ungarn im Jahr 1982 und dem Siebenbürgen-Besuch des Sohnes im Jahr 2023 werden schlaglichtartig und beispielhaft zwei Erfahrungen siebenbürgisch-sächsischer Existenz geschildert, wie sie im 20. und 21. Jahrhundert vielfach vorkamen und vorkommen.

Mehr Raum noch als der Text nehmen im Buch aber die Fotos und Illustrationen ein. Während die Schwarz-Weiß-Fotos aus dem Familienarchiv im zweiten Teil des Buches zumeist Menschen in Tracht zeigen, deren Community und Lebenswelt heute in der Form nicht mehr existieren, holen die Illustrationen des studierten Grafikdesigners das Thema ins Heute. Sie begleiten den Text und sie sind auch schwarz-weiß, aber sie sind neu, ungewohnt und modern: Es sind im Prinzip Pixelgrafiken. Zumindest die Autorin dieser Zeilen hat Siebenbürgen so noch nie gesehen. Alexander Hauptkorn selbst sagt, er strebe danach, die Geschichte und Schönheit von Siebenbürgen lebendig zu erhalten und einem breiten Publikum näher zu bringen.

Es ist genau diese Mischung aus dem Alten und dem Neuen, dem Bekannten und dem Überraschenden, das Hauptkorns Projekt so spannend macht. Denn ja, es ist im Moment erst ein Projekt: Unter www.startnext.com/wurzelndersehnsucht hat der Künstler eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, deren Ziel der Druck des Buches, aber auch eine begleitende gleichnamige Ausstellung ist, die eine „eindrucksvolle Sammlung von Artefakten, Fotografien und Illustrationen aus dem Buch, die die Geschichte und Traditionen dieser Region zum Leben erwecken“, präsentiert.
Das Diorama aus Lego zeigt Szenen, wie sie die ...
Das Diorama aus Lego zeigt Szenen, wie sie die meisten Sachsen von zu Hause vermutlich kennen – bestickte Wandbehänge inklusive. Foto: Alexander Hauptkorn
Man kann das Projekt ohne jegliche Gegenleistung mit einer Spende unterschützen oder, je nach Höhe des Betrags, zwischen Lego-Paar in Tracht oder dem fertigen Buch wählen. Die Kampagne läuft noch bis zum 1. Juli.

Die Schäßburger Bergkirche in Pixelgrafik und Lego-Figuren in Tracht – so hat man Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen vermutlich noch nicht gesehen. Dieser neue, ungewohnte Blick ist nicht nur für Landsleute spannend, sondern bietet auch anderen Zugang zur Kultur und Geschichte der Siebenbürger Sachsen. Es ist Hauptkorns erklärtes Ziel, „anderen ein unvergessliches kulturelles Erlebnis zu bieten“ und „die Geschichte Siebenbürgens bekannter zu machen“.

Ich freue mich schon auf mein handsigniertes Buch und werde es gerne all meinen Freunden zeigen.

Dagmar Seck

Schlagwörter: Heimattag 2024, Ausstellung, Lego

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