10. Dezember 2024
Zweiter musikalisch-literarischer Salon in Düsseldorf: Frédéric Chopin und Carl Filtsch
Zum zweiten Mal fand der musikalisch-literarische Salon zur Carl-Filtsch-Reihe in Düsseldorf statt. Das Kulturreferat der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen lud am Sonntag, den 27. Oktober, ins Stadtmuseum Düsseldorf ein. Diese Veranstaltung ist eine Initiative der Schriftstellerin Dagmar Dusil (Bamberg/Hermannstadt), die das Werk des siebenbürgischen Wunderkindes Carl Filtsch (1830-1845) würdigt und in Ehren halten möchte. Neben seinen grandiosen Kompositionen, die hierbei zu Gehör gebracht werden, beleuchtet Dusil in eigenen literarischen Texten sein Leben und Wirken und wählt die entsprechenden Musikstücke aus. Der musikalisch-literarische Salon findet unter der Federführung der Schriftstellerin seit 2022 im Rahmen des seit fast 30 Jahren alljährlich in Hermannstadt angesiedelten Carl-Filtsch-Wettbewerb-Festivals statt – seit 2023 nun auch in Deutschland (Bamberg/Düsseldorf) und Österreich (Wien).
![Die Künstlerinnen Ramona Munteanu und Dagmar ...](/bild/artikel/normal/2024/musikalisch_literarischer_salon_duesseldorf_2024.jpg)
Die junge rumänische Pianistin Ramona Munteanu präsentierte am Konzertflügel mit einer bemerkenswerten Virtuosität abwechselnd Werke beider Komponisten. Munteanu, die aus Klausenburg stammt, lebt heute in Venedig. Sie ist Gewinnerin zahlreicher Wettbewerbe wie dem Internationalen Musikwettbewerb von Lugano oder dem Internationalen Wettbewerb King’s Peak in Großbritannien. Als Solistin und Kammermusikerin agiert sie in verschiedenen kulturellen Vereinigungen. In ihrer neuen Heimatstadt Venedig setzt sich Munteanu für den in Venedig 15-jährig verstorbenen Carl Filtsch ein, insbesondere durch die Pflege seines Grabes auf der Insel San Michele.
Zwischen den musikalischen Darbietungen las Dagmar Dusil aus ihren gut recherchierten und ausdrucksstarken Texten über das Leben beider Genies. Dies gelang ihr meisterhaft, mit viel Empathie schlug Dusil literarische Brücken zu den von Munteanu dargebotenen Klavierstücken.
Mit „Fantaisie Impromptu Op. 66“ von Chopin gelang der Pianistin ein wundervoller Auftakt zur Matinee. Es folgte eine spannende Erzählung zur Herkunft Chopins. Sein Vater, ein französischer Kleinbürger, wanderte aus Lothringen nach Polen ein, wo er eine verarmte Adlige, die Klavier spielte, heiratete. Die Mutter erkannte sehr früh sein Talent und so erhielt Frédéric schon mit sechs Jahren seinen ersten Klavier- und mit zwölf Jahren seinen ersten Kompositionsunterricht. Mit 19 Jahren blickte Chopin bereits auf seine beiden Klavierkonzerte und einige anspruchsvolle Etüden zurück. Von seinem außergewöhnlichen Talent zeugt auch der „Minutenwalzer“, der folgte – eine musikalische Poesie!
Ungefähr zur selben Zeit erblickte Carl Filtsch als zehntes Kind einer Pfarrersfamilie das Licht der Welt. Dusil beschreibt diesen Wunderknaben, der „von den Nornen mit Gaben überhäuft wurde“, als potentiellen „siebenbürgischen Mozart“, dessen Lebensfaden jedoch viel zu früh abgerissen wurde.
Die miniatureske Komposition der lyrischen „Mazurka“ von Filtsch, die als Nächstes dargeboten wurde, leitete die Charakterisierung beider Komponisten ein, die sich im Kindesalter kaum ähnlicher sein konnten: heimatverbunden, von großem Heimweh geplagt, still und in sich gekehrt, beide aber auch gesundheitlich angeschlagen. Während ihres ersten Treffens 1841 entstand eine besondere Verbundenheit. Aus dem Zustand der Sehnsucht, Trauer und Resignation sollten sich beide bis zu ihrem Tod nie befreien können. Chopins nostalgisches „Präludium in e-moll, Op. 28“ zeugte ebenso wie Filtschs „Impromptu in b-Moll“ davon, dessen Charakter von virtuos-brillanter Spielform die Pianistin mit ihrer Präzision mehr als gerecht wurde.
1830 emigrierte Chopin nach Frankreich. Auf seinen Zwischenstationen nach Paris komponierte er die „Revolutionsetüde“. Munteanu interpretiert dieses, durch ein schnelles und energisches Tempo ausgezeichnetes, feuriges und leidenschaftliches Werk Chopins meisterhaft und voller Emotionen. In Paris wurde Chopin schnell zu einem gefeierten Pianisten und Komponisten, zudem zu einem der begehrtesten Klavierlehrer seiner Zeit. So wurde 1841 der junge Carl Filtsch in Begleitung seines Bruders und der Gräfin Bánffy von Wien, wo er bereits seit 1837 weilte, nach Paris gebracht, um Chopin vorzuspielen. Der junge Carl wurde Chopins Lieblingsschüler und erhielt Zugang zur gehobenen Gesellschaft von Paris. Bei Konzerten in einflussreichen Salons begeisterte Carl Filtsch sein Publikum und spielte sich in die Herzen der Menschen.
Die bereichernde und zugleich beglückende gemeinsame Zeit in Paris bettete Ramona Munteanu in den „Walzer Op. 34 Nr. 2“ von Chopin und die fließend-melodische „Barcarolle in Ges-Dur“ – ein bewegtes Gondellied – von Filtsch ein.
Bereits nach vier Jahren endete diese für beide heilvolle Begegnung. Beim Abschied von Chopin war es für Filtsch, „als verließe er Bruder und Schwester“. Es war ein Abschied für immer; Filtsch starb zwei Jahre später. Während Filtsch, das Wunderkind aus Siebenbürgen, in Vergessenheit geriet – ebenso wie seine wenigen Werke von beachtlicher Meisterschaft –, erlangte Frédéric Chopin schon zu Lebzeiten Weltruhm. Beide schöpften kompositorisch aus ihrer nie endenden Sehnsucht. Chopins Wiegenlied „Berceuse Op. 57“ ist ein weiteres Zeugnis dieser Musik der Sehnsucht. Munteanu spielte die nahezu dahin perlenden Klänge mit einer überwältigenden Einfühlsamkeit.
Mit der Rezitation des Gedichts „Berceuse“, welches Hermann Hesse Chopin widmete, leitete Dagmar Dusil zum abschließenden „Nocturne cis-Moll, Opus posthum Nr. 20“ über. Das Klavierstück klingt wie ein letzter Abschied Chopins von dieser Welt. Die ausklingende Melodie verliert sich wie mit einem letzten Atemzug.
Angerührt von den tragischen Schicksalsparallelen beider Komponisten und der emotionalen Klaviermusik, voller Liebe, Hoffnung und Träume, die häufig auch von Trauer und Nostalgie durchzogen war, verweilten die Gäste noch eine Weile im Foyer des Stadtmuseums. Ein von Heike Mai-Lehni (Landeskulturreferentin des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in NRW) liebevoll zubereitetes Büfett mit feinstem siebenbürgisch-italienischem Fingerfood erwartete sie dort. So bot sich die Gelegenheit, miteinander, aber auch mit der Pianistin Ramona Munteanu und der Autorin Dagmar Dusil ins Gespräch zu kommen oder auch nur das gerade Erlebte nachklingen zu lassen.
Die Matinee wurde vom Kulturreferat der Landesgruppe NRW, vertreten durch seine Kulturreferentin Heike Mai-Lehni, in Kooperation mit dem Stadtmuseum Düsseldorf und der Deutsch-Italienischen Gesellschaft „Dante Alighieri“ durchgeführt. Rainer Lehni, Bundes- und Landesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, begrüßte in seiner Ansprache zum Salon die Partner, die diese Veranstaltung ermöglicht haben: Dr. Susanne Anna (Direktorin des Stadtmuseums), Svenja Wilken (Wissenschaftliche Leiterin Bildung und Vermittlung) und Helene Grecu (Vorsitzende der Deutsch-Italienischen Gesellschaft) und dankte ihnen. Gefördert wurde die Matinee vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Für die Idee, das Konzept, die Organisation und Umsetzung dieser außergewöhnlichen Matinee sei allen Verantwortlichen herzlich gedankt.
Agathe Wolff
Schlagwörter: Musik, Literatur, Filtsch, Chopin
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