23. Dezember 2024
Krautfleckerl und andere Geschenke des Alltags
Eine Geschichte von Susanne Karres
Es ist Dienstag, der 5. November 2024. Ich hänge über dem Kochtopf und bin dabei Krautfleckerl zuzubereiten.
Krautfleckerl? Ja!
Ich überlege, wann ich das letzte Mal Krautfleckerl gegessen habe … Hm – schätzungsweise vor vierzig Jahren, und zwar am Chiemsee, als Hildi-Tante – die Mutter unserer Freunde und damalige Köchin im Siebenbürgerheim Rimsting – uns mit diesem leckeren Gericht überraschte.
Nach vier Jahrzehnten werde ich von einem Bild, das Bernd Fabritius vor ein paar Tagen auf Facebook gepostet hat, dazu animiert, dieses Gericht nachzukochen.
Zugegeben, Fleckerl – eine traditionelle Nudelsorte der österreichischen, böhmischen und siebenbürgischen Küche – habe ich keine, aber ich ersetze sie durch italienische Farfalle und fühle mich dabei extrem europäisch. Und ja, Herr Fabritius, Sie haben recht, dieses Essen ist sehr schmackhaft, schnell zubereitet, preiswert und weckt Kindheitserinnerungen. Danke für Ihren Post!
Tagelang wundere ich mich, wieso eine einfache Mitteilung auf Facebook mich so in Hochstimmung versetzen konnte und mich nun sogar an den Herd zwingt … Meistens stehe ich Social Media-Beiträgen eher skeptisch gegenüber. Aus welchen Gründen auch immer …
Ein simpler Post. Eine Kleinigkeit. Oder doch nicht?
Ich werde nachdenklich. Vermutlich begegnen uns im täglichen Leben ständig sogenannte Kleinigkeiten und sehr wohl auch außerhalb von Facebook – aber nehmen wir sie wahr? Ich beschließe, in den nächsten Tagen meinen Blick verstärkt auf die kleinen Freuden des Alltags zu richten.
Belanglosigkeiten? Bagatellen? Oder doch nicht?
Die Welt ist ins Wanken geraten und bei den vielen wachsenden Unsicherheiten und Ängsten brauchen wir Dinge, die uns erfreuen, uns aufmuntern. Dafür erteile ich allen Trumpisten, Putinisten & Co. ein striktes, eindeutiges Hausverbot! Ihr müsst draußen bleiben! Und Nachrichten gibt es nur noch einmal pro Tag. Sämtliche Diskussionen über Leopard, Taurus/Stier … etc. hängen mir zum Hals heraus. Weshalb beleidigen wir mit solchen Bezeichnungen die betreffenden Tiere? Haben sie es verdient?
Aha, eine jammernde Pazifistin! Eine, die die Augen vor der Realität verschließt.
Keineswegs, aber mein Kopf schreit nach Entrümpelung. Ich möchte mich auf Weihnachten vorbereiten, auf ein friedliches Fest, auf ein Fest der Liebe, der Familie und der Freundschaft.
Und siehe da, es gibt sie, diese überraschend einfachen Dinge, die uns wahres Wohlbefinden schenken. Es gibt sie tatsächlich, nur dürfen wir nicht verlernen, sie zu sehen.
Hier nur einige Beispiele, die mir innerhalb kürzester Zeit widerfahren sind.
Nachbarin Steffi hat mitbekommen, dass sich unser Pkw in der Werkstatt befindet. Sie ruft an und fragt, ob wir etwas von Lidl benötigen. Eigentlich nicht, liebe Steffi, aber danke für deine Hilfsbereitschaft!
Am selben Tag überreicht mir eine wildfremde Frau einen Parkschein, mit dem ich noch 40 Minuten im Schwalbenhof parken darf. „Ich war nur ganz kurz im Veeh-Gewürzladen“, ruft sie mir zu und verabschiedet sich mit einem freundlichen Winken.
In der Posaunenprobe stelle ich fest, dass ich ausgerechnet das „Weihnachtsheft für Posaunenchöre“, aus dem wir heute spielen sollen, nicht dabei habe. Mist! Vergessliche Nudel! Ich schon wieder … Voller Unbehagen schiele ich zu unserer Chorleiterin. Michael, der mit der großen Tuba, bemerkt meine Panik, rückt etwas näher, reicht mir schnell und unauffällig das Notenheft seiner Frau und flüstert: „Sibylle kann heute nicht dabei sein.“ Dankbar lege ich das Buch auf den wackligen Notenständer und spiele – mit einer kurzen Verzögerung – erleichtert und recht forte: „Wir sagen euch an den lieben Advent.“ Juchhe! Schussel Susanne ist gerettet!
Oder heißt es, um die geschlechtergerechte Sprache zu benutzen und um die Männerwelt in diesem Fall nicht zu beleidigen „Juchhe, die Schusselin ist gerettet?“
Ich könnte auch noch andere Beispiele anführen, die zeigen, dass interessante Begegnungen oder spontane Gespräche eine Bereicherung sein können, etwa das bemerkenswerte Gespräch mit einem Obdachlosen, einem ehemaligen Abiturienten, der mehrere Sprachen spricht, mir von Nadia Comăneci, Ion Ţiriac und Ilie Năstase erzählt. Er kennt sogar die Geschichte der Siebenbürger Sachsen und die der Banater Schwaben, obwohl er ein eingefleischter Unterfranke ist – Woher hat er all sein Wissen? „Ich lese viel, habe ja sonst nichts zu tun“, sagt er kaum hörbar. Nachdenklich trete ich den Heimweg an und spüre, dass ich soeben von einem Ausgestoßenen unserer Gesellschaft reich beschenkt wurde.
Erwähnen möchte ich auch Franks liebevollen, jedoch vergeblichen Versuch, mit einem Tesafilm den abgebrochenen Bügel meiner Brille zu befestigen – und das kurz vor Beginn des Gottesdienstes. Pech! Es klappt nicht! Aber allein Franks Bemühungen, mir zu helfen, berühren mich zutiefst.
Ohne Brille, als halbblindes Huhn, spiele ich mehr schlecht als recht „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“.
Geschenke des Alltags!
Besonders kostbare Geschenke!
Alle zum Nulltarif und nicht nur zu Weihnachten!
Schöne Adventszeit und ein frohes, friedvolles Fest wünscht euch
Krautfleckerl? Ja!
Ich überlege, wann ich das letzte Mal Krautfleckerl gegessen habe … Hm – schätzungsweise vor vierzig Jahren, und zwar am Chiemsee, als Hildi-Tante – die Mutter unserer Freunde und damalige Köchin im Siebenbürgerheim Rimsting – uns mit diesem leckeren Gericht überraschte.
Nach vier Jahrzehnten werde ich von einem Bild, das Bernd Fabritius vor ein paar Tagen auf Facebook gepostet hat, dazu animiert, dieses Gericht nachzukochen.
Zugegeben, Fleckerl – eine traditionelle Nudelsorte der österreichischen, böhmischen und siebenbürgischen Küche – habe ich keine, aber ich ersetze sie durch italienische Farfalle und fühle mich dabei extrem europäisch. Und ja, Herr Fabritius, Sie haben recht, dieses Essen ist sehr schmackhaft, schnell zubereitet, preiswert und weckt Kindheitserinnerungen. Danke für Ihren Post!
Tagelang wundere ich mich, wieso eine einfache Mitteilung auf Facebook mich so in Hochstimmung versetzen konnte und mich nun sogar an den Herd zwingt … Meistens stehe ich Social Media-Beiträgen eher skeptisch gegenüber. Aus welchen Gründen auch immer …
Ein simpler Post. Eine Kleinigkeit. Oder doch nicht?
Ich werde nachdenklich. Vermutlich begegnen uns im täglichen Leben ständig sogenannte Kleinigkeiten und sehr wohl auch außerhalb von Facebook – aber nehmen wir sie wahr? Ich beschließe, in den nächsten Tagen meinen Blick verstärkt auf die kleinen Freuden des Alltags zu richten.
Belanglosigkeiten? Bagatellen? Oder doch nicht?
Die Welt ist ins Wanken geraten und bei den vielen wachsenden Unsicherheiten und Ängsten brauchen wir Dinge, die uns erfreuen, uns aufmuntern. Dafür erteile ich allen Trumpisten, Putinisten & Co. ein striktes, eindeutiges Hausverbot! Ihr müsst draußen bleiben! Und Nachrichten gibt es nur noch einmal pro Tag. Sämtliche Diskussionen über Leopard, Taurus/Stier … etc. hängen mir zum Hals heraus. Weshalb beleidigen wir mit solchen Bezeichnungen die betreffenden Tiere? Haben sie es verdient?
Aha, eine jammernde Pazifistin! Eine, die die Augen vor der Realität verschließt.
Keineswegs, aber mein Kopf schreit nach Entrümpelung. Ich möchte mich auf Weihnachten vorbereiten, auf ein friedliches Fest, auf ein Fest der Liebe, der Familie und der Freundschaft.
Und siehe da, es gibt sie, diese überraschend einfachen Dinge, die uns wahres Wohlbefinden schenken. Es gibt sie tatsächlich, nur dürfen wir nicht verlernen, sie zu sehen.
Hier nur einige Beispiele, die mir innerhalb kürzester Zeit widerfahren sind.
Nachbarin Steffi hat mitbekommen, dass sich unser Pkw in der Werkstatt befindet. Sie ruft an und fragt, ob wir etwas von Lidl benötigen. Eigentlich nicht, liebe Steffi, aber danke für deine Hilfsbereitschaft!
Am selben Tag überreicht mir eine wildfremde Frau einen Parkschein, mit dem ich noch 40 Minuten im Schwalbenhof parken darf. „Ich war nur ganz kurz im Veeh-Gewürzladen“, ruft sie mir zu und verabschiedet sich mit einem freundlichen Winken.
In der Posaunenprobe stelle ich fest, dass ich ausgerechnet das „Weihnachtsheft für Posaunenchöre“, aus dem wir heute spielen sollen, nicht dabei habe. Mist! Vergessliche Nudel! Ich schon wieder … Voller Unbehagen schiele ich zu unserer Chorleiterin. Michael, der mit der großen Tuba, bemerkt meine Panik, rückt etwas näher, reicht mir schnell und unauffällig das Notenheft seiner Frau und flüstert: „Sibylle kann heute nicht dabei sein.“ Dankbar lege ich das Buch auf den wackligen Notenständer und spiele – mit einer kurzen Verzögerung – erleichtert und recht forte: „Wir sagen euch an den lieben Advent.“ Juchhe! Schussel Susanne ist gerettet!
Oder heißt es, um die geschlechtergerechte Sprache zu benutzen und um die Männerwelt in diesem Fall nicht zu beleidigen „Juchhe, die Schusselin ist gerettet?“
Ich könnte auch noch andere Beispiele anführen, die zeigen, dass interessante Begegnungen oder spontane Gespräche eine Bereicherung sein können, etwa das bemerkenswerte Gespräch mit einem Obdachlosen, einem ehemaligen Abiturienten, der mehrere Sprachen spricht, mir von Nadia Comăneci, Ion Ţiriac und Ilie Năstase erzählt. Er kennt sogar die Geschichte der Siebenbürger Sachsen und die der Banater Schwaben, obwohl er ein eingefleischter Unterfranke ist – Woher hat er all sein Wissen? „Ich lese viel, habe ja sonst nichts zu tun“, sagt er kaum hörbar. Nachdenklich trete ich den Heimweg an und spüre, dass ich soeben von einem Ausgestoßenen unserer Gesellschaft reich beschenkt wurde.
Erwähnen möchte ich auch Franks liebevollen, jedoch vergeblichen Versuch, mit einem Tesafilm den abgebrochenen Bügel meiner Brille zu befestigen – und das kurz vor Beginn des Gottesdienstes. Pech! Es klappt nicht! Aber allein Franks Bemühungen, mir zu helfen, berühren mich zutiefst.
Ohne Brille, als halbblindes Huhn, spiele ich mehr schlecht als recht „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“.
Geschenke des Alltags!
Besonders kostbare Geschenke!
Alle zum Nulltarif und nicht nur zu Weihnachten!
Schöne Adventszeit und ein frohes, friedvolles Fest wünscht euch
Susanne Karres
Schlagwörter: Weihnachten, Erzählung
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