25. Dezember 2024

Hegt wird gesangen!: „E sachsesch Chrästlied“

Ernst Helmut Chrestel wurde am 24. Dezember 1916 als siebtes Kind von Andreas Wilhelm Chrestel und Luise Oczko in Hetzeldorf geboren. Schon in jungen Jahren zeigte er eine ausgeprägte musikalische Begabung und konnte bereits vor Schuleintritt Lieder am Klavier harmonisieren. Er erhielt Geigen- und Klavierunterricht. Das Singen im Kirchenchor während seiner Gymnasialzeit in Mediasch übte auf ihn einen nachhaltigen Eindruck aus.
Das Studium der Theologie führte ihn über Riga nach Tübingen, Leipzig und Halle. Während seiner Studienjahre schloss er sich der Singbewegung an und entschied, einen großen Teil seines Wirkens in der Heimat dem kirchlichen Chorgesang zu widmen. Parallel zum Theologiestudium nahm er Orgelunterricht und belegte Kurse für Harmonielehre, Kontrapunkt und Chorleitung. 1941 beendete Chrestel erfolgreich das Theologiestudium und ergänzte anschließend seine musikalische Ausbildung an der Kirchenmusikschule in Berlin.

Ende 1942 kehrte Chrestel in die Heimat zurück und wurde in Marktschelken als Pfarrer ordiniert. Zusätzlich wirkte er in verschiedenen Gemeinden als Singpfarrer mit der Aufgabe, Singgemeinschaften zu gründen. Frühjahr 1943 heiratete er die Mediascherin Ilse Maria Pauer. Im Kriegsjahr 1944 wurde dem Ehepaar Töchterchen Ilse Maria geschenkt – die später international gefeierte Konzertorganistin Ilse Maria Reich. Im schrecklichen Januar 1945 wurde auch Pfarrer Chrestel zusammen mit 70000 arbeitsfähigen Frauen und Männern deutscher Nationalität auf Stalins Befehl in Viehwaggons in ein sowjetisches Arbeitslager deportiert. Er arbeitete in Kohlengruben (siehe „Atemschaukel“ von Herta Müller) und übte auch sein Amt als Seelsorger und später auch als Chorleiter aus. Damit versuchte er seinen Landsleuten durch Singen das Lagerleben zu erleichtern. Nach fünfjähriger Zwangsarbeit kehrte er zu seiner Familie zurück.
Ernst Helmut Chrestel (Mitte) 1957 mit ...
Ernst Helmut Chrestel (Mitte) 1957 mit Kantorenschülern in Baaßen. Foto: Familienbesitz
1950 wurde Ernst Helmut Chrestel als Pfarrer nach Baaßen berufen. Dort wurden der Familie noch weitere vier Kinder geboren (1950 Gretchen, 1953 Ernst, 1955 die Zwillinge Adelheid und Gudrun). Töchterchen Ilse Maria erhielt von ihrem Vater Klavier- und Orgelunterricht. Nachdem 1948 die deutschen Schulen verstaatlicht wurden, herrschte in Siebenbürgen großer Organistenmangel. Solange die Schulen in kirchlicher Trägerschaft waren, gehörte zu den Aufgaben der Lehrer auch die Leitung eines Kirchenchors und der Orgeldienst. Im kommunistischen Rumänien wurde den Lehrern der Besuch des Gottesdienstes untersagt. Chrestel reichte bei Bischof D. Friedrich Müller das Konzept einer Kantorenschule ein. Am 7. Oktober 1956 fand in Baaßen die feierlicher Eröffnung der Kantorenschule mit einem Festgottesdienst statt, und die ersten 15 Schüler wurden durch Handschlag vor dem Altar von Bischofsvikar Alfred Hermann verpflichtet. Mangels eines Organisten/einer Organistin musste Ilse Maria bereits 1954 als Zehnjährige den Organistendienst in Baaßen übernehmen und spielte auch bei diesem feierlichen Gottesdienst die Orgel. Die Kantorenschule hatte das Pfarrhaus in Beschlag genommen und die ganze Familie wurde eingespannt. Chrestel war jahrelang gleichzeitig Gemeindepfarrer, Leiter und Lehrer der Kantorenschule. Unterstützt wurde er von Pfarrer Egon Heidel aus Mediasch, der die Fächer Liturgik, Choralkunde, Kathechetik und Geschichte der Kirchenmusik unterrichtete.

1965 zog die Kantorenschule nach Almen um und 1969 nach Hermannstadt. 1984, als Chrestel in den Ruhestand ging, wurde die Kantorenschule aufgelöst. In den 28 Jahren ihres Bestehens wurden in dieser Institution 153 Organistinnen und Organisten erfolgreich ausgebildet – ein Lebenswerk, auf das Chrestel stolz zurückblicken konnte.Als Rentner lebte Chrestel in seinem Elternhaus in Hetzeldorf und leitete das von ihm eingerichtete Musikzentrum. 1998 übersiedelte er in die Bundesrepublik nach Landshut, wo er im Jahr 2000 verstarb.

In Siebenbürgen war es Tradition, am Heiligen Abend in der Kirche ein Krippenspiel aufzuführen. In den dörflichen Gemeinden wurden sie gewöhnlich in dem jeweiligen Ortsdialekt einstudiert. Ein Weihnachtslied in sächsischer Mundart fehlte jedoch. Deshalb dichtete und komponierte Pfarrer Chrestel „E sachsesch Chrästlied“ (Maria uch Josef), das im Dezember 1961 beim Krippenspiel der Kantorenschule in Baaßen uraufgeführt wurde und in den folgenden Jahren dort zum festen Repertoire gehörte. Die vielen Kantorenschüler nahmen dieses Lied in ihre jeweiligen Gemeinden mit und sorgten somit für seine schnelle und weite Verbreitung. Auch heute noch erklingt dieses Lied traditionsgemäß auf den Weihnachtsfeiern unserer Landsleute. In die Liedersammlung „E Liedchen hälft ängden – alte und neue Lieder aus Siebenbürgen“ haben wir den dreistimmigen Satz von E. H. Chrestel übernommen. Bei Bedarf kann ich auch einen vierstimmigen Satz vom Autor liefern. Hören Sie das Weihnachtslied unter siebenbuerger.de/go/2L165 mit dem Zeidner Gesangstrio und einer Liveaufnahme von 2016 aus der Stadtkirche in Karlsruhe mit der Siebenbürgischen Kantorei. Sehr interessant wäre festzustellen, ob noch weitere Advents- oder Weihnachtslieder in Mundart bekannt sind. Wenn ja, bitte rufen Sie mich an: (0178) 7190141.

Angelika Meltzer

Schlagwörter: Hegt wird gesangen, Lieder, Mundart

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