26. Februar 2025

Dr. Franz Payer in die Sowjetunion deportiert/Vor 80 Jahren: Evakuierung aus Nordsiebenbürgen 1944-1945

Zum Zeitpunkt des Einmarsches der Roten Armee in Bistritz (ab 13. Oktober 1944) lebten noch 867 Deutsche im Nösnerland (vorwiegend ältere Männer und Frauen). Der Bistritzer Historiker Viorel Rus beschreibt das „tragische Schicksal“ der örtlichen Siebenbürger Sachsen am Ende des Krieges, unter anderem auch die Deportation von – nach seinen Recherchen – etwa 150 von ihnen „in den sowjetischen Gulag“. Ab dem Abend des 13. Januar 1944 wurden zwischen 200 und 300 Sachsen aus allen Ortschaften in das örtliche Sicherheitshauptquartier gebracht, was gegen die Bestimmungen der Befehle der sowjetischen Führung verstieß bezüglich des Alters. Einer davon war auch Dr. Franz Payer, geboren 1923, damals Medizinstudent. Er schätzt, dass in der Kaserne zwischen 200 und 300 Personen versammelt wurden. Er schreibt u.a. in seinem Buch „Mein Leben“ (2002) im Kapitel: Am Ende unserer Winterreise:
Lebenserinnerungen von Dr. Franz Payer, Bukarest. ...
Lebenserinnerungen von Dr. Franz Payer, Bukarest. 2003
„Es war der Abend des 6. März 1945, als unser Zug plötzlich hielt und unsere Begleitmannschaft uns mit dem russischen ,Priechali, priechali – angekommen, angekommen‘, wachrüttelte. Es empfing uns ein erbarmungsloser Schneesturm, genannt Buran, wahrscheinlich identisch mit dem amerikanischen Blizzard, der durch Mark und Knochen drang. Die Türen unseres dreiwöchigen Kerkers wurden zur Seite geschoben und wir zum Empfangsraum getrieben, begleitet von dem nicht enden wollenden Geschrei unserer Bewacher. ,Dawaji, dawaji, bistro, bistro‘.

Die Männer wurden von ihrer Haarpracht befreit, die Kleider kamen in die Entlausungskammer (Eniwa genannt) und das übrige Gepäck wurde den eigentlichen Eigentümern einfach weggenommen und in einer nur den Russen zugänglichen Baracke verwahrt. Meinem Kollegen Pfister und mir selbst wurden die Haare belassen. Und ich persönlich durfte auch meinen Wolfspelz behalten.

Bei dieser Gelegenheit wurde mir bewusst, dass Ärzte, Feldscher, bei den Russen in großen Ehren standen. Registriert wurde Herr Pfister als ,Zubnoi Wratsch‘ – Zahnarzt und ich als ,Wratsch‘ – Arzt. Als solche durften wir uns in der Baracke die Schlafplätze selber aussuchen.

Unser Lager 1901 lag in der Ortschaft Kubandik im südlichen Ural am Fluss des Sakmara, ein Nebenfluss des Ural-Flusses, der ins Kaspische Meer mündet …“

Textauswahl: Horst Göbbel

Quelle: WIR NÖSNER 1944-2014 Die Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen 1944 und ihre Folgen, Wiehl-Drabenderhöhe 2014, S. 172ff

Schlagwörter: Flucht und Evakuierung, Nordsiebenbürgen, Erinnerungen

Bewerten:

15 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.