1. Juni 2025
Kabinettausstellung in Dinkelsbühl: „Von Braas bis Droos. Kreuz und quer durch 75 Jahre Siebenbürgische Zeitung“
Ich weiß, was Sie denken: Wer liest denn da bitte Korrektur? Ist denen bei der Siebenbürger Zeitung nicht aufgefallen, dass es „Von Broos bis Draas“ heißen muss? Doch, natürlich. Aber die Schreibung hat einen Grund. Ist Ihnen übrigens aufgefallen, dass es Siebenbürgische Zeitung heißen muss? Es lohnt sich, ganz genau hinzuschauen. Nicht, weil es mein Lebensziel ist, Fehler aufzustöbern. Nein, sondern weil spannende Infos auch in Details stecken können. Das will ich in einer kleinen Ausstellung anlässlich des 75. Geburtstags der Siebenbürgischen Zeitung (SbZ) am Heimattag unter Beweis stellen.

Mir geht es in diesem Beitrag und in meiner Ausstellung am Heimattag um etwas anderes. Stellen Sie sich vor, Sie blättern in der Zeitung und stoßen am 17. Juli 1953 auf folgende Kontaktanzeige: „Für meine Freundin suche ich heimattreuen Siebenbürger, da es an Gelegenheit fehlt, einen Landsmann kennenzulernen. Sie war in Rußland, trotzdem heiteres Wesen, 27/169, viel Heimatliebe! Von Braas bis Droos sollte sich niemand finden, der hübsches Siebenbürger Mädel sucht?“ Lassen Sie den Tipp- bzw. Druckfehler (oder vielleicht war es ein Scherz?) Braas/Droos mal auf Seite und lesen Sie sich den Satz davor noch einmal durch. „Sie war in Rußland, trotzdem heiteres Wesen.“ Wirft das bei Ihnen nicht auch sofort unzählige Fragen auf? Wieso wird das hier eigens erwähnt? Warum wird nicht viel eher mit anderen Eigenschaften geworben? Welchen Raum nahm die Deportationserfahrung im Leben der Leute damals ein? Und wie ging es wohl anderen jungen Frauen? Wie schrecklich, dass dieser Zusatz als nötig erachtet wurde!
Mich hat diese Kontaktanzeige umgehauen. Einerseits, weil sie ein ziemlicher Schlag in die Magengrube ist. Andererseits, weil sie wunderbar zeigt, dass sich die große Geschichte sehr gut auch im Kleinen zeigen lässt. Ich habe also weitergeblättert und bin sehr schnell auf andere Artikel gestoßen, die mich berührt, amüsiert, neugierig oder auch stutzig gemacht haben. Und das häufig fernab der Schlagzeilen. Natürlich sind die großen Themen auf der ersten Seite wichtig. Die SbZ informiert seit ihrer Gründung im Jahr 1950 über alle relevanten Ereignisse und Hintergründe, sie hat zudem politisch Einfluss genommen und tatsächlichen Impact gehabt. Doch ebenso interessant sind meines Erachtens die Informationen, die zwischen den Zeilen aufscheinen. Was kann man aus der Zeitung indirekt über „unsere Leute“ herauslesen? Was sagt mir ein Artikel über die Person, die ihn geschrieben hat? Wie sieht sie sich selbst, und wie sieht sie die Welt? Was sind ihre Bedürfnisse, Interessen und Werte? Vieles davon kann man ganz nebenbei auch aus abseitigen Artikeln herauslesen. Bei den größeren Schlagzeilen wiederum finde ich die Frage spannend: Was hat das wohl mit den Leserinnen und Lesern gemacht? Wie hat sie das berührt? Reagiere ich heute auf dieselbe Art wie unsere Landsleute vor vier, fünf, sechs Jahrzehnten?
Und wie reagieren Sie darauf? Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie die ausgewählten Texte in der Ausstellung lesen? Ihre Meinung ist gefragt: Ich lade Sie dazu ein, sich vor Ort einen Stift und ein Post-it zu greifen und Ihre Gedanken danebenzukleben! Ich möchte gerne von Ihnen wissen, was die Texte in Ihnen auslösen.
Wundern Sie sich dabei nicht über die Textauswahl. Sie ist weder repräsentativ noch allzu bedeutungsschwanger. Ich habe schlichtweg Texte gewählt, die mich überrascht und/oder in mir etwas zum Klingen gebracht haben. Entweder, weil es etwas war, was wir so heute nicht mehr in der Zeitung haben, z.B. den Paketversand nach Rumänien, die Tätigkeiten des Siedlungsreferates oder den Hungerstreik für Familienzusammenführung im Jahr 1976. Oder es waren eben Themen, die wir fast genauso auch heute noch bringen: Tracht, Mundart, Veranstaltungsbericht aus einer Kreisgruppe.
Angemerkt sei ferner, dass die reproduzierten Texte allesamt aus den Jahren 1951 bis 1990 stammen. Ab der Wende klingen die Artikel zunehmend wie in der heutigen Zeit, außerdem lebt meine Familie seit 1989 in der Bundesrepublik, d.h. die Themen sind mir eher geläufig. Demgegenüber finde ich es eine unheimlich spannende Entdeckungsreise, mich mit der Sprache und den Themen der ersten Jahrzehnte auseinanderzusetzen.
Egal, ob Sie es heuer zum Heimattag und in die Ausstellung schaffen oder nicht, meine Empfehlung ist klar: Lassen Sie sich – sofern Sie Verbandsmitglied sind – Ihren Premiumzugang zu www.siebenbuerger.de geben und stöbern Sie im Archiv der SbZ. Es rentiert sich, auch einmal mehrere Folgen hintereinander durchzublättern, um wiederkehrende Themen zu erkennen. Ich garantiere Ihnen, dass Sie Neues erfahren werden. Mein persönlicher Tipp sind im Übrigen die Leserbriefe von früher.
Wir werden zum Heimattag nach Dinkelsbühl zwei, drei gebundene Jahrgänge zum Blättern mitbringen, damit auch Sie kreuz und quer lesen können. Darüber hinaus wird es noch weitere überraschende Mitbringsel geben. Sie finden die Ausstellung im Haus der Geschichte am Altrathausplatz 14, sie wird Samstag und Sonntag von 10.00 bis 16.00 Uhr geöffnet sein.
Dagmar Seck
Zeitungsseiten zu den Jahrestagen der Siebenbürgischen Zeitung (Zugang nur für Premium-Mitglieder)30-jähriges Jubiläum, Folge 10 vom 30. Juni 1980, Seite 3
40-jähriges Jubiläum, Folge 10 vom 30. Juni 1990, Seite 8
50-jähriges Jubiläum, Folge 11 vom 15. Juli 2000, Seite 7
60-jähriges Jubiläum, 20. Mai 2010 (8 Seiten Sonderausgabe)
70-jähriges Jubiläum, Folge 9 vom 15. Juni 2020, Seite 7
70-jähriges Jubiläum, Folge 9 vom 15. Juni 2020, Seite 8
Frei zugänglich: Jubiläumsausgabe "75 Jahre Siebenbürgische Zeitung" zum Herunterladen (acht Seiten, pdf-Datei, 4 MB)
Schlagwörter: Heimattag 2025, Siebenbürgische Zeitung, Ausstellung
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