8. Juli 2025

„Auf dem Weg zu mir selbst“: Franz Hodjaks neuer Gedichtband

Der neue Lyrikband von Franz Hodjak mit dem so schlichten wie weisen Titel „Ewig ist das Vorläufige“ eröffnet die Reihe „Gravity“ des Würzburger Verlags Königshausen & Neumann. Diese will der Verlag als „Einladung verstanden wissen, Poesie zu entdecken (und) auf sich wirken zu lassen“. Man soll trotz ihrer „schweren Lesbarkeit“ „die Kraft spüren, die von ihr ausgeht“.
Und wer veranschaulicht das besser als der in Hermannstadt geborene und seit geraumer Zeit in Usingen lebende Franz Hodjak, der an seinem Lebensabend Jahr um Jahr neue Gedichtbände herausbringt und dafür Tag für Tag neue Worte findet, auf dem abenteuerlichen Weg zu sich selbst. Er starb nach schwerer Krankheit am 6. Juli 2025 im Kreise seiner Familie (diese Zeitung berichtete).

Woche für Woche erschien zudem eines seiner Gedichte in der virtuellen Welt der Social Media. Diese klangen zuletzt immer melancholischer. Doch im vorliegenden Band, der die Vergänglichkeit schon im Titel inkorporiert hat, ist das noch nicht so. Eine geballte Ladung von 115 Gedichten vereint dieses Buch, das ohne Zyklen und Unterteilungen auskommt und wie ein langer Monolog anmutet, in dem das lyrische Ich und Alter Ego des Dichters uns an seinen Meditationen teilhaben lässt. Jedes Gedicht stellt eine philosophische Variation über die Liebe, die Hoffnung, die Täuschung, die Heimatlosigkeit, das Nicht-Ankommen und nicht zuletzt das Ende dar. Doch das lyrische Ich behauptet seinen Platz „Hier auf Erden, wo (es) mit/ gespreizten Beinen steh(t)“ (36) und trotzt dem Leben sein Glück ab: „Mich kann niemand überzeugen,/ mich unglücklich zu fühlen“. (37) Denn schließlich wird es auf dem Bildschirm des Amtes für Träumer geführt und bekommt von dort tägliche Vorladungen. „Die Träume“ hingegen „sind Sachbearbeiter der Seelen/ und in ihren Büros brennt/ die ganze Nacht das Licht“. (11) Abgesehen von der irrwitzigen Idee, die Träume in den Fachbereich der Bürokratie zu verpflanzen und sie mit der „sachlichen Bearbeitung“ der Seelen zu betrauen, haben wir als Leser gar nicht gemerkt, dass wir längst in Hodjaks poetisches Universum eingetaucht sind, wo die Fantasie Königin ist, das Paradies hoffnungslos, die Luft heimatlos in der Welt herumhängt und das Ich ein Zaungast ist. Denn darauf pocht es: „Das Nichts hat das bekannteste Gesicht/ der Welt, dagegen ist mein Gesicht blass// und nichtssagend. Darin ist bloß zu lesen,/ dass ich nicht angekommen bin.“ (102) Selbst die Heimat wird von der schweren Geografie entbunden und zum volatilen Geschmack oder Wohlfühlmoment sublimiert, der überall abrufbar ist: „Ein ordentlicher Kaffee ist mir wichtig,/ mehr Heimat brauche ich nicht.“ (13)

Franz Hodjak überrascht auch in diesem Gedichtband mit seinen originellen Einfällen und man folgt ihm gern in seinen apodiktischen Sprüchen, die er meist einleitend zum Besten gibt – „Die Freiheit, hat viele Namen, auch/ einen nur für mich.“ (48), „Jeder, der mehr sagt, als er/ weiß, lügt.“ (8) – in denen er mit Zahlen jongliert – „Was man sagt, muss mindestens drei Mal vorkommen, sonst lohnt es sich nicht“ (99), „Wie jeder zweite glaube/ auch ich, jeder dritte hält sich/ für ein Wunder“ (73) –, um zum Schluss in einer Volte, einer überraschenden Pirouette, zu enden: „nur wer richtig liebt, schafft es,/ bis zuletzt schwach zu sein.“ (9)
„Ein ordentlicher Kaffee ist mir wichtig, mehr ...
„Ein ordentlicher Kaffee ist mir wichtig, mehr Heimat brauche ich nicht“: Franz Hodjak mit Dr. Georg Herbstritt 2009 in München. Foto: Konrad Klein
Vor allem sind diese Gedichte jedoch Selbstbefragungen, Bilanzen des gelebten Lebens und Selbstversicherungen, dass man es nicht anders hätte machen können. In „Fragebogen“ fasst Hodjak Lebenswichtiges zusammen: „Mit wem hast du gelacht?“ (15), aber auch „Was liegt in deinem Keller“ (15). Auf diesem Pfad der Selbsterkundung stellt der Dichter ernüchtert fest, dass es egal ist, welchen Weg man eingeschlagen hat: „Ein Weg/ führt immer in uns hinein und ein Weg immer/ aus uns hinaus, und beide münden schließlich/ in die Straße, die zum Friedhof führt“. (10) Die Schlussfolgerung, zu der das lyrische Ich aber kommt, ist versöhnlich: „wieso braucht jemand, der alles wieder so/ machen würde, ein zweites Leben?“ (14) Das dichtende Ich sieht sich als Vermittler „In diesem Gedicht bin ich nur/ ein Vermittler zwischen dem, was sein muss,/ und dem was nicht sein muss.“ (101) Initialzündung für ein Gedicht ist dabei immer ein Funke: „Ein Funke/ zündet ein Wort an, das Feuer greift um sich auf andere Wörter, und so,/ sagt man, entsteht ein Gedicht.“ (117) Die aberwitzigen Ideen, sei es ein Lebensverleih, sei es die Rubrik Austauschbares, oder die Wörter, die drei Augen haben, reichen trotzdem nicht aus, denn: „Auf dem Weg zu mir/ selbst merke ich, wie viele Wörter mir fehlen.“ (66).
„Ja, mir wurde nichts in die Wiege gelegt, ...
„Ja, mir wurde nichts in die Wiege gelegt, sondern auf die Zunge“: Franz Hodjak bei einer Lesung 2013 in Dinkelsbühl. Foto: Konrad Klein
Auch in diesem Band bleibt Hodjak sich treu und setzt die Gedichte oft aphoristisch zusammen, manche Sprüche wiederholen sich: „Ja, mir wurde/ nichts in die Wiege gelegt,/ sondern auf die Zunge.“ (104 und 107) und einige Tippfehler geistern auch noch im Buch herum, einer Neuauflage käme ein aufmerksameres Lektorat zugute. So selbstkritisch Hodjak in diesem Band auch anklingt, dass ihm die Wörter fehlen würden, so performativ widerlegt er sich, denn in jedem dieser Gedichte nimmt er einen neuen Anlauf, um gegen die Sprachlosigkeit über die Conditio humana anzuschreiben und sie kunstvoll zu veranschaulichen.

Das ist doch eine frohe Botschaft für seine interessierten Leser, dass man auch oder gerade als Zaungast im heimatlichen Duft einer Tasse Kaffee diese schier unerschöpfliche Kraft hat, sich schreibend zu erkunden. Ein neuer Band mit Aphorismen ist bereits angekündigt.

Edith Ottschofski



Franz Hodjak: „Ewig ist das Vorläufige“. Gedichte. Königshausen & Neumann, Würzburg, 2025, 132 Seiten, 17 Euro, ISBN 978-3-8260-9017-2.

Franz Hodjak: „Wäre es gegangen, wäre es anders gelaufen“. Aphorismen. sisifo//Leipziger Literaturverlag, Leipzig, 2025, ISBN 978-3-86660-313-4, zum Subskriptionspreis von 16,96 Euro (soeben erschienen).

Schlagwörter: Hodjak, Lyrik, Gedichtband

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