18. Oktober 2025
Botanikerin Dr. Erika Schneider erhält Bundesverdienstkreuz
Die meisten Tage verlaufen gewöhnlich, ihre Zeit verrinnt gleichförmig ohne nennenswertes Geschehen, doch manche Tage scheinen außergewöhnlich zu sein, weil ein bemerkenswertes Ereignis, ein einmaliges Erlebnis ihnen nachhaltige Denkwürdigkeit verleiht. Ein so bedeutungsvoller Tag wurde am 13. Oktober für Professorin Dr. Erika Schneider im Atrium des Bürgerhauses in Rastatt mit einem Festakt veranstaltet.

Geboren wurde die kleine Erika 1942 in Schäßburg als Tochter des Ehepaares Roswitha und Hermann Binder und wuchs zusammen mit ihren vier Geschwistern auf. Sie war redegewandt, wissbegierig und lernte fleißig. Als Schülerin erklomm sie zunächst die Stufen der bekannten Schülertreppe zur Bergschule. Um bei dem Begriff „Stufen“ ihres Lieblingsdichters Hermann Hesse zu bleiben, folgte eine Veränderung, eine nächste Stufe, mit dem Umzug der Familie nach Hermannstadt. Da besuchte sie ab 1956 die Brukenthalschule und entwickelte dank ihres Biologielehrers Richard Schuller Interesse an Naturkunde, so dass sie nach dem Abitur und bestandener Aufnahmeprüfung ab 1960 Naturwissenschaften, hauptsächlich Geobotanik und Pflanzenökologie an der Babeș-Bolyai-Universität in Klausenburg erfolgreich studierte und mit einer Diplomarbeit über die Flora und Vegetation am Zakelsberg bei Stolzenburg abschloss. In das Berufsleben, die nächste Stufe, startete sie 1965 am Biologischen Institut der Akademie der Wissenschaften in Klausenburg, Abteilung Systematik, Geobotanik und Pflanzenökologie, wechselte nach fünf Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin an das Naturwissenschaftliche Museum in Hermannstadt, von wo aus sie die Flora und Vegetation der Zibinssenke und ihrer Randgebiete erkundete, um bei Professor Dr. Alexander Borza und Professor Dr. Stefan Csürös 1975 zu promovieren. Damit hatte sie die hohe Stufe der wissenschaftlichen Arbeit erreicht. Als Dr. rer. nat. arbeitete sie noch zehn Jahre lang in Hermannstadt im Naturkundemuseum, auch im regen Austausch mit Mitarbeitern der Universität Wien. In diesen Jahren arbeitete sie an der Bestandsaufnahme der Flora in den Südkarpaten. Nach ihrer Aussiedlung mit Familie in die Bundesrepublik Deutschland fand sie ihr neues Betätigungsfeld 1985 am WWF-Auen-Institut (heute KIT) in Rastatt. Hier widmete sie ihre Forschungstätigkeit Dauerbeobachtungsflächen am nördlichen Oberrhein im Naturschutzgebiet Kühkopf – Knoblochsaue, beobachtete in Auen die Pionierbesiedlung und die Sukzession zu Auenwiesen oder Auenwald. Außerdem beschäftigte sie sich mit der uferbegleitenden Vegetation von Bächen und Flüssen und machte auf deren Bedeutung für das Gesamtökosystem aufmerksam.
Wie Erika Schneider in ihrer Dankesrede betonte, verband sie die Eindrücke aus der Natur mit den Menschen, so dass sie auch die Veränderungen in der Landschaft wahrnahm, die unter dem Einfluss der menschlichen Tätigkeiten in Feucht- und Trockenwiesen entstanden. Im Rahmen der ökologischen Forschung in Flussauen verbindet das Institut für Geographie und Geoökologie Projekte zu Hochwasserschutz und Auenentwicklung. Da ihr Arbeitsfeld sich nach 1985 wesentlich vergrößerte, hatte sie viele Möglichkeiten, nicht nur im In-, sondern auch im Ausland ihre wissenschaftlichen Erkundigungen zu betreiben. Die Biodiversität von Flussauen an Rhein, Donau, Elbe, Loire, Wolga und anderen Flüssen gehörte auch zu ihren Forschungen. Die Renaturierung trockengelegter Flächen im Donaudelta und an der Unteren Donau erhielten ihre besondere Aufmerksamkeit. Für ihre jahrelange wertvolle Arbeit der Renaturierung ausgedehnter Schilfbestände wurde sie im Rahmen des 30. Internationalen Symposiums „Delta and Wetlands“ des Nationalen Instituts für Forschung und Entwicklung Donau-Delta (Institut Național de Cercetare Dezvoltare Delta Dunării) mit der Ehrenplakette und dem Titel „Verdiente Forscherin“ im Jahr 2023 ausgezeichnet. Es war ihr gelungen, das ökologische Gleichgewicht wieder herzustellen, um den gefährdeten Fischreichtum als Lebensgrundlage der Bevölkerung zu sichern. Auch an anderen Flüssen Europas war und ist es nötig, sich für die Renaturierung einzusetzen, um Lebensräume zu erhalten und zu schützen. Als Wissenschaftlerin entwickelte sie Strategien zur Bewahrung der Biodiversität. Sie nahm laufend an Projekten teil, hielt Vorlesungen an der „Lucian Blaga“-Universität in Hermannstadt zu Ökologie und Landschaftsschutz. Außerdem vermittelte sie internationalen Studentenaustausch und trug zur Völkerverständigung bei. Exkursionen zu Gewässerlandschaften und Auenökologie gehörten zu ihrer Arbeit mit Studenten.
Rastatts Oberbürgermeisterin Monika Müller betonte, dass es der Wissenschaftlerin gelungen sei, ihre Arbeit sowohl in Hermannstadt zeitweilig fortzusetzen als auch in Rastatt einen beachtlichen Beitrag zu Projekten und Studien zu leisten. Sie habe als Vorstandsmitglied und Leiterin der Sektion Naturwissenschaften im Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e.V. und als Vorstandsmitglied der HOG ihrer Geburtsstadt Schäßburg sich am Erhalt des kulturellen Erbes maßgeblich beteiligt. Professorin Dr. Erika Schneider wirkte jahrelang als Redaktionsmitglied der Schäßburger Nachrichten und veröffentlichte zahlreiche kulturhistorische Artikel. Als Dank und Anerkennung sei ihr 2021 der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis für ihre Lebensleistung verliehen worden. Ihr sei, betonte die Rednerin, kein Hinweis auf ein Ende ihrer Betätigungszeit aufgefallen und sie wünsche ihr für die Zukunft alles Gute. Nach diesen anerkennenden Worten erlebte Professorin Dr. Erika Schneider den bewegenden Moment des Tages: Die Oberbürgermeisterin der Stadt überreichte ihr die Verleihungsurkunde für ihre besonderen Verdienste und das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Das Bundesverdienstkreuz bedeutet eine Steigerung der Wertschätzung ihrer unermüdlichen Tätigkeit und ihrer Einsatzbereitschaft.
Ingrid Loew
Schlagwörter: Erika Schneider, Bundesverdienstkreuz, Rastatt, Naturwissenschaften
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