9. September 2024
Nachruf auf die Biologielehrerin Marga Grau
Eine kluge, sanfte und herzliche Person ist von uns gegangen: Marga Grau, geborene Schuller, ist am 18. Juli im Dr. Carl-Wolff-Altenheim in Hermannstadt im Alter von fast 92 Jahren friedlich eingeschlafen. Viele, die das Privileg hatten, sie zu kennen, reagieren mit einem Lächeln, wenn sie an sie denken. Diese großartige und liebenswürdige Persönlichkeit war ein Urgestein Hermannstadts, allseits beliebt und geschätzt.
Marga Grau wurde am 29. Juli 1932 in ihrem Elternhaus auf der „Töpfer Erde“ in Hermannstadt geboren. Sie erlebte eine behütete und glückliche Kindheit in der Großfamilie Schuller/Binder, umgeben von ihrem Bruder und drei Cousinen und Cousins. Ihr Vater hatte einen Nutz-, Stein- und Spielgarten angelegt, wo Marga ihre Liebe zur Natur entdeckte. Die Kriegswirren erschwerten zwar ihre schulische Laufbahn, doch 1955 absolvierte sie erfolgreich das Studium der Biologie in Klausenburg.
Es folgten Jahre des Unterrichtens in Frauendorf, am Brukenthal-Gymnasium und an der Schule Nr. 15 in Hermannstadt, bevor sie 1967 am Pädagogischen Lyzeum (Päda) als Biologielehrerin und stellvertretende Schulleiterin tätig wurde. Nach eigenen Aussagen fand sie dort auch ihre Berufung. Unterrichten am Päda und Klassenlehrerin zu sein, waren der Höhepunkt ihres Berufslebens. Für ihr außerordentliches Engagement als Lehrerin gibt es viele Belege. So führte sie zum Beispiel für ihre Lehrerklasse 1967–1972 akribisch Buch in „Erinnerungsbausteinen“ und überraschte damit die ehemaligen Schülerinnen und Schüler Jahrzehnte später beim 30-jährigen Klassentreffen. In einem dicken Ordner sammelte sie alle Listen ihrer Zöglinge und kannte ihre Namen auch noch nach vielen Jahren. In den 27 Jahren am Päda weckte sie bei zukünftigen Lehrerinnen, Lehrern und Kindergärtnerinnen das Interesse an den Wundern der Natur, wobei ihr liebstes Fach die Botanik war. Viele Schülerinnen und Schüler erinnern sich an den Feuerroten Prachtsalbei, der unter der Eiche gegenüber des Päda blühte, und an das endemische Leberblümchen aus ihrem Garten. Auf Klassenfahrten quer durch das Land hatten alle Schüler ihr Pflanzenheft dabei und vervollständigten es fortlaufend. Einmal blieb die Lehrerin bei strömendem Regen plötzlich stehen und rief begeistert: „Schaut her, das Goldene Frauenhaar in allen Stufen der Entwicklung!“ Außer Wissen und Lebensweisheiten gab sie ihren Schülern auch etliche praktische Unterrichtsmethoden mit auf den Weg. Erwähnen möchte ich hier nur das Ausstellen von Blumen mit Namenskärtchen auf dem Pflanzentisch/Fensterbrett.
Marga Grau hinterlässt ein bleibendes Erbe, insbesondere in Form ihrer umfangreichen Kenntnisse in ihren Publikationen, darunter die „Handreichung für den Naturkundeunterricht in den Klassen III–IV“ (2000) sowie das zweisprachige, bebilderte Bestimmungsbuch „Blütenpflanzen im Jahreslauf – Plante cu flori în decursul anotimpurilor“ (2018). Ihr pädagogisches Geschick und ihre respektvolle Art, ihren Schülerinnen und Schülern zuzuhören, machten sie zu einer außergewöhnlichen Lehrerin. Bis vor wenigen Jahren nahm sie an Klassentreffen teil und interessierte sich sehr für die Lebensläufe ihrer ehemaligen Zöglinge.
1979 heiratete Marga ihren langjährigen Freund und Kollegen Johann Grau, der auch im Bachchor mitsang. Gemeinsam besuchten sie die kulturellen Veranstaltungen und unternahmen In- und Auslandreisen. Aber Marga Grau war nicht nur eine begnadete Lehrerin. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 2007 wurde sie eine begehrte Stadtführerin, deren humorvolle und anekdotenreiche Erläuterungen unvergesslich bleiben. Wenn ich die „Augen von Hermannstadt“ betrachte, höre ich stets Margas nachdrücklichen Hinweis, dass diese augenähnlichen Dachfenster nicht nur der Belüftung und Belichtung dienten, sondern auch Fluglöcher für Fledermäuse waren (Fledermausgauben), natürliche ökologische Insektenvernichter.
Nach der Wende stand Marga Grau bei den Kommunalwahlen auf einem der letzten Listenplätze des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt und hatte nie erwartet, gewählt zu werden. Ihre rumänische Nachbarin rief ihr über den Zaun: „Am votat pentru tine!“ (Ich habe dich gewählt!) Marga war zwei Legislaturperioden im Stadtrat mit Klaus Johannis als Bürgermeister, wobei sie sich u. a. für die Erweiterung des Zoologischen Gartens und die artgerechte Tierhaltung einsetzte.
Trotz der Abwanderung ihrer Familie blieb ihr Haus auf der Töpfer Erde ein Anlaufpunkt, an dem sie stolz die Geschichte ihres 100-jährigen Hauses und ihren Garten präsentierte. In den Wintermonaten saß sie viel am PC und tippte eifrig an der Familienchronik.
Marga zeigte auch großes Interesse an klassischer Musik und am Chorgesang. Schon als Schülerin sang sie in Ernst Irtels Schülerchor mit und besuchte seine Komponistenstunden. Als Studentin wirkte sie in Erich Bergels Chor mit und erlebte wunderbare Aufführungen. In Hermannstadt war sie dann viele Jahre Mitglied im Bachchor unter der Leitung von Franz Xaver Dressler und Kurt Philippi und besuchte regelmäßig die klassischen Konzertvorstellungen.
Gelegentlich reiste Marga zu den europäischen Bibeldialogen nach Berlin und nahm auch regelmäßig in Michelsberg an den Bibelwochen teil. Ab 1991 war sie Mitglied im Handarbeitskreis, im Evangelischen Frauenkreis Hermannstadt sowie im Seniorentreff des Hermannstädter Deutschen Forums, den sie jahrelang mitorganisierte. Mit ihren interessanten Diavorträgen erfreute sie nicht nur die Senioren. Wenn das Schülerheim am Wochenende geschlossen hatte, nahm sie die Kinder, die von weit her ins Brukenthal-Gymnasium kamen, z.B. aus der Zips, auf. Marga hatte keine eigenen Kinder, war aber eine herzliche und zuverlässige Leihoma bei befreundeten Familien. Charakteristisch für Marga war, dass sie jede Aufgabe überzeugt und gewissenhaft ausgeführt hat. Aus ihrem Mund kam nie ein böses Wort.
„Margarella“ nannte Marga ihre Dacia, die sie mit ihrem 5.000-Lei-CEC-Buch etwa 1975 gewonnen hatte und mit der sie noch mit 80 regelmäßig zum Friedhof fuhr. Die Hermannstädter erinnern sich sicher noch an das Bild: Marga auf dem alten Damenfahrrad ohne Gangschaltung, das sie, obwohl zu groß für sie, sicher beherrschte. Margas Disziplin und Vitalität bis ins hohe Alter zeugen von ihrer positiven Lebenseinstellung. Ihre tägliche Morgengymnastik war außergewöhnlich. Während eines Klassentreffens bot man ihr aus Kitzingen eine Mitfahrgelegenheit an, doch die rege Achtzigjährige meinte: „Vier Kilometer sind doch keine Entfernung! Auf geht’s nach Hoheim!“ Auch im Alten- und Pflegeheim, wo sie ab 2020 lebte, blieb sie aktiv und erkundete auf ihren täglichen Spaziergängen die Parkanlage. Marga Grau wird uns allen in ehrenwerter Erinnerung bleiben – als eine Frau, die mit ihrer Herzlichkeit, ihrem Wissen und ihrem unermüdlichen Engagement einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Danke, liebe Marga, für alle wunderbaren Augenblicke, die wir mit dir erleben durften! Du wirst uns fehlen!
Es folgten Jahre des Unterrichtens in Frauendorf, am Brukenthal-Gymnasium und an der Schule Nr. 15 in Hermannstadt, bevor sie 1967 am Pädagogischen Lyzeum (Päda) als Biologielehrerin und stellvertretende Schulleiterin tätig wurde. Nach eigenen Aussagen fand sie dort auch ihre Berufung. Unterrichten am Päda und Klassenlehrerin zu sein, waren der Höhepunkt ihres Berufslebens. Für ihr außerordentliches Engagement als Lehrerin gibt es viele Belege. So führte sie zum Beispiel für ihre Lehrerklasse 1967–1972 akribisch Buch in „Erinnerungsbausteinen“ und überraschte damit die ehemaligen Schülerinnen und Schüler Jahrzehnte später beim 30-jährigen Klassentreffen. In einem dicken Ordner sammelte sie alle Listen ihrer Zöglinge und kannte ihre Namen auch noch nach vielen Jahren. In den 27 Jahren am Päda weckte sie bei zukünftigen Lehrerinnen, Lehrern und Kindergärtnerinnen das Interesse an den Wundern der Natur, wobei ihr liebstes Fach die Botanik war. Viele Schülerinnen und Schüler erinnern sich an den Feuerroten Prachtsalbei, der unter der Eiche gegenüber des Päda blühte, und an das endemische Leberblümchen aus ihrem Garten. Auf Klassenfahrten quer durch das Land hatten alle Schüler ihr Pflanzenheft dabei und vervollständigten es fortlaufend. Einmal blieb die Lehrerin bei strömendem Regen plötzlich stehen und rief begeistert: „Schaut her, das Goldene Frauenhaar in allen Stufen der Entwicklung!“ Außer Wissen und Lebensweisheiten gab sie ihren Schülern auch etliche praktische Unterrichtsmethoden mit auf den Weg. Erwähnen möchte ich hier nur das Ausstellen von Blumen mit Namenskärtchen auf dem Pflanzentisch/Fensterbrett.
Marga Grau hinterlässt ein bleibendes Erbe, insbesondere in Form ihrer umfangreichen Kenntnisse in ihren Publikationen, darunter die „Handreichung für den Naturkundeunterricht in den Klassen III–IV“ (2000) sowie das zweisprachige, bebilderte Bestimmungsbuch „Blütenpflanzen im Jahreslauf – Plante cu flori în decursul anotimpurilor“ (2018). Ihr pädagogisches Geschick und ihre respektvolle Art, ihren Schülerinnen und Schülern zuzuhören, machten sie zu einer außergewöhnlichen Lehrerin. Bis vor wenigen Jahren nahm sie an Klassentreffen teil und interessierte sich sehr für die Lebensläufe ihrer ehemaligen Zöglinge.
1979 heiratete Marga ihren langjährigen Freund und Kollegen Johann Grau, der auch im Bachchor mitsang. Gemeinsam besuchten sie die kulturellen Veranstaltungen und unternahmen In- und Auslandreisen. Aber Marga Grau war nicht nur eine begnadete Lehrerin. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 2007 wurde sie eine begehrte Stadtführerin, deren humorvolle und anekdotenreiche Erläuterungen unvergesslich bleiben. Wenn ich die „Augen von Hermannstadt“ betrachte, höre ich stets Margas nachdrücklichen Hinweis, dass diese augenähnlichen Dachfenster nicht nur der Belüftung und Belichtung dienten, sondern auch Fluglöcher für Fledermäuse waren (Fledermausgauben), natürliche ökologische Insektenvernichter.
Nach der Wende stand Marga Grau bei den Kommunalwahlen auf einem der letzten Listenplätze des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt und hatte nie erwartet, gewählt zu werden. Ihre rumänische Nachbarin rief ihr über den Zaun: „Am votat pentru tine!“ (Ich habe dich gewählt!) Marga war zwei Legislaturperioden im Stadtrat mit Klaus Johannis als Bürgermeister, wobei sie sich u. a. für die Erweiterung des Zoologischen Gartens und die artgerechte Tierhaltung einsetzte.
Trotz der Abwanderung ihrer Familie blieb ihr Haus auf der Töpfer Erde ein Anlaufpunkt, an dem sie stolz die Geschichte ihres 100-jährigen Hauses und ihren Garten präsentierte. In den Wintermonaten saß sie viel am PC und tippte eifrig an der Familienchronik.
Marga zeigte auch großes Interesse an klassischer Musik und am Chorgesang. Schon als Schülerin sang sie in Ernst Irtels Schülerchor mit und besuchte seine Komponistenstunden. Als Studentin wirkte sie in Erich Bergels Chor mit und erlebte wunderbare Aufführungen. In Hermannstadt war sie dann viele Jahre Mitglied im Bachchor unter der Leitung von Franz Xaver Dressler und Kurt Philippi und besuchte regelmäßig die klassischen Konzertvorstellungen.
Gelegentlich reiste Marga zu den europäischen Bibeldialogen nach Berlin und nahm auch regelmäßig in Michelsberg an den Bibelwochen teil. Ab 1991 war sie Mitglied im Handarbeitskreis, im Evangelischen Frauenkreis Hermannstadt sowie im Seniorentreff des Hermannstädter Deutschen Forums, den sie jahrelang mitorganisierte. Mit ihren interessanten Diavorträgen erfreute sie nicht nur die Senioren. Wenn das Schülerheim am Wochenende geschlossen hatte, nahm sie die Kinder, die von weit her ins Brukenthal-Gymnasium kamen, z.B. aus der Zips, auf. Marga hatte keine eigenen Kinder, war aber eine herzliche und zuverlässige Leihoma bei befreundeten Familien. Charakteristisch für Marga war, dass sie jede Aufgabe überzeugt und gewissenhaft ausgeführt hat. Aus ihrem Mund kam nie ein böses Wort.
„Margarella“ nannte Marga ihre Dacia, die sie mit ihrem 5.000-Lei-CEC-Buch etwa 1975 gewonnen hatte und mit der sie noch mit 80 regelmäßig zum Friedhof fuhr. Die Hermannstädter erinnern sich sicher noch an das Bild: Marga auf dem alten Damenfahrrad ohne Gangschaltung, das sie, obwohl zu groß für sie, sicher beherrschte. Margas Disziplin und Vitalität bis ins hohe Alter zeugen von ihrer positiven Lebenseinstellung. Ihre tägliche Morgengymnastik war außergewöhnlich. Während eines Klassentreffens bot man ihr aus Kitzingen eine Mitfahrgelegenheit an, doch die rege Achtzigjährige meinte: „Vier Kilometer sind doch keine Entfernung! Auf geht’s nach Hoheim!“ Auch im Alten- und Pflegeheim, wo sie ab 2020 lebte, blieb sie aktiv und erkundete auf ihren täglichen Spaziergängen die Parkanlage. Marga Grau wird uns allen in ehrenwerter Erinnerung bleiben – als eine Frau, die mit ihrer Herzlichkeit, ihrem Wissen und ihrem unermüdlichen Engagement einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Danke, liebe Marga, für alle wunderbaren Augenblicke, die wir mit dir erleben durften! Du wirst uns fehlen!
Angelika Meltzer
Schlagwörter: Kultur, Lehrerin, Naturwissenschaften, Hermannstadt
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