5. Februar 2006

Ortsmonografie Pretai erschienen

Rezension der Neuerscheinung "Pretai am linken Ufer der Großen Kokel", herausgegeben von Stefan Breitner im Auftrag der Heimatortsgemeinschaft Pretai, Sedna-Verlag Aalen, 2005, 464 Seiten, 50,00 Euro,
Das Heimatbuch über Pretai, erstellt von Stefan Breitner, Gerlinde Faff, Christa Gierelt-Sowinski, Roland Hönig und Hans Moyrer, möchte einerseits die Erinnerung der Pretaier, die heute verstreut in der Bundesrepublik leben, an das "Damals" in ihrer sechs Kilometer östlich von Mediasch gelegene Heimatgemeinde an der Großen Kokel wachhalten und andererseits zum weiteren Zusammenhalt der einstigen Dorfgemeinschaft in der Diaspora beitragen. Aus dem, was die Herausgeber und Autoren unter Mitarbeit vieler Helfer und Wissensträger zusammengetragen haben, ist ein umfangreiches Buch entstanden, das, wie einleitend betont wird, trotzdem nicht den Anspruch erhebt, eine "wissenschaftlich fundierte und lückenlose Beschreibung" zu sein, sondern dem Leser das bietet, was an Unterlagen zur Verfügung stand.


Pretai unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von den sächsischen Gemeinden des einstigen Königsbodens. Urkundlich wird die Siedlung 1285 erwähnt, ist aber einige Jahrzehnte früher entstanden. Es war eine von deutschen Siedlern gegründete Gemeinde, die dem Mediascher Stuhl angehörte und 1516 bei der ersten bekannten demographischen Erhebung 94 Wirte zählte. In der Gemeinde ließen sich auch Rumänen, Zigeuner und einige wenige Ungarn nieder, die zusammen nach dem Ersten Weltkrieg die sächsische Bevölkerungszahl übertrafen - 1930 zählte Pretai 2 642 Einwohner, davon 1 193 Rumänen, 1 160 Sachsen, 247 Zigeuner, 27 Ungarn und 3 Andere. Das Verhältnis hat sich seither fortdauernd zu Ungunsten der Sachsen verschoben, so dass sie im Jahr 1977 Pretai mit dem eingemeindeten Dorf Bußd nur 1 049 von 3 482 Einwohnern stellten. Neben den Rumänen ist besonders die Zahl der Zigeuner stark angestiegen. Pretai gehört heute zu den Gemeinden des Kreises Hermannstadt mit dem größten Anteil von Zigeunern. Nach dem Massenexodus Anfang der 1990er Jahre leben in der Gemeinde, wie auch sonst in Siebenbürgen, nur noch einige wenige Sachsen.

Die Autoren haben sich bemüht, das Geschehen in Pretai in die allgemeine Geschichte der Siebenbürger Sachsen einzuordnen, wobei sich daraus allerdings öfters Wiederholungen und Überschneidungen mit der Ortsgeschichte ergeben. Das Schwergewicht liegt jedoch nicht auf dem Evozieren der entfernten Vergangenheit - diese wird hauptsächlich anhand von Zeittafeln rekonstruiert -, sondern auf der Beschreibung der Ereignisse, die mit dem Zweiten Weltkrieg und der Einberufung der sächsischen wehrfähigen Männer in die Waffen-SS beginnen. Ausführlich sind besonders die Ereignisse nach dem Frontwechsel Rumäniens vom 23. August 1944 erfasst, und zwar der Einmarsch der Roten Armee, die einsetzende Verfolgung und Entrechtung der Sachsen, die Deportation der arbeitsfähigen Frauen und Männer zu Zwangsarbeit in die Sowjetunion, die Enteignung des sächsischen landwirtschaftlichen Besitzes mit teilweiser Verdrängung der Besitzer aus den eigenen Häusern sowie die Gründung und Arbeit in der Kollektivwirtschaft. Als Dokumentation standen dafür Tagebuchaufzeichnungen und Erinnerungen von Betroffenen zur Verfügung.

Nach der Rückkehr der Russlanddeportierten und der Einstellung der speziellen Verfolgung der Deutschen in den Jahren 1949/50 schöpfte man neuen Mut und die Gemeinde erholte sich von den schweren Schlägen vom Ende des Krieges und den Jahren danach. In den 60er und 70er Jahren, vor allem während der Jahre, als die Gemeinde von Bürgermeister Hans Simonis und seinem Stellvertreter, Lehrer Hans Moyrer, geführt wurde, konnte eine deutsche Oberstufe (zweiter Zyklus) an der Schule mit guten Fachkräften und ein beachtliches Kulturleben aufgebaut, Sitten und Brüche wieder zum Leben erweckt, vor allem zahlreiche Theaterstücke mit großem Erfolg zur Aufführung gelangen. Diese Erfolge erfahren eine entsprechende Würdigung im Buch. Weniger beleuchtet werden hingegen jene Aspekte der Ceausescu-Diktatur, die schließlich zur Aussiedlung der Sachsen führten.

Pretai besitzt eine relativ gut erhaltene Kirchenburg mit entsprechender Ausstattung. Die Kirche bildete bis zuletzt eine Stütze der sächsischen Gemeinde. Ein Verzeichnis erfasst namentlich die Geistlichen, die seit dem Jahr 1559 die Kirchengemeinde betreut haben, wobei der letzten Pfarrer, Hans Scheerer und Simon Müller, besonders gedacht wird. Auch sonst widmet das Heimatbuch biographische Lebensbilder jenen Männern und Frauen - vor allem der Lehrerschaft - , die sich in den letzten 50 Jahren um die Gemeinde verdient gemacht, an der Erstellung dieses Buches mitgewirkt oder als Pretaier außerhalb der Gemeinde sich einen Namen gemacht haben.

Eine Beschreibung der Pretaier Tracht sowie Besinnliches und Heiteres in Versen und Prosa geben dem Buch eine besondere Würze.

Ein nicht zu übersehender Teil beschäftigt sich mit den Existenzgrundlagen der Pretaier, den geographischen, geologischen klimatischen Verhältnissen, der Tier- und Pflanzenwelt, der Gemarkung, der Dorfanlage, Gehöftformen, ferner mit der wirtschaftlichen Entwicklung, angefangen von der Dreifelderwirtschaft bis zu der Arbeit in der sozialistischen Kollektivwirtschaft, mit dem Dorfgewerbe, dem Gesundheitswesen u. a. Viele Pretaier arbeiteten in Unternehmen der nahe gelegenen Stadt.

Im Jahre 1984 wurde die Heimatortsgemeinschaft der Pretaier in der Bundesrepublik gegründet, die seither jedes zweite Jahr ein Treffen veranstaltet. Außer der Pflege der Gemeinschaftsbande bemüht sie sich um die Unterstützung der in Pretai verbliebenen Sachsen sowie um die Instandhaltung der Kirche, des Pfarrhauses und des Friedhofs in der Heimatgemeinde.

Als Fachmann wird man vor allem bei den historischen Betrachtungen des Buches verschiedene Unzulänglichkeiten feststellen, davon Aufheben zu machen, brächte aber nichts ein. Ich wünsche vielmehr den Pretaiern viel Spaß bei der Lektüre der Dokumentation über ihre Heimatgemeinde, die mit 226 Illustrationen - viele davon farbig - versehen ist.

Das Buch kann zum Preis von 50,00 Euro, zuzüglich Porto, bei Stefan Breitner, Buchenstraße 6, 74592 Kirchberg/Jagst, Telefon: (0 79 54) 12 95, bestellt werden.

Michael Kroner

Schlagwörter: Rezension, HOG-Nachrichten

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