7. März 2006

Harald Zimmermann: "Ich gedenke dankbar meiner Eltern"

Eine bemerkenswerte Dankesrede hielt Prof. Dr. mult. Harald Zimmermann am 11. Februar 2006 in Tübingen. Der Mediävist wurde im Rahmen der 40-jähigen Jubiläumsfeier der Nachbarschaft Tübingen mit dem Goldenen Ehrenwappen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland ausgezeichnet (siehe separater Bericht in dieser Zeitung).
Verehrte Landsleute! Sie beschämen mich, aber natürlich bedanke ich mich für diese unerwartete und auch unverdiente Ehrung. Was ich schon 1994 in Dinkelsbühl nach der Verleihung des Kulturpreises der Landsmannschaft gesagt habe, kann ich heute nur wiederholen. Die Ehrung gebührte eigentlich meinen Eltern, meinem Vater und meiner Mutter, die dem in Budapest Geborenen und in Wien Großgewordenen gesagt haben, dass er eigentlich ein ganz richtiger Siebenbürger Sachse sei. Ich bin dankbar und stolz auf meine Eltern und alle mein Vorfahren: auf den Großvater, der Kürschner war in Kronstadt, und auf den anderen, der in Bistritz Bänder für den Borten der Mädchen verkaufte, und auf den Bistritzer Schlosser, der mein Urgroßvater war, und den anderen, den Wollweber in Cronen.

Mein Vater hat Ahnenforschung betrieben, längst bevor es wegen des Ariernachweises nötig war. Wir kommen bei den Zimmermann bis 1563 zuerst durch Matrikel, dann weil die Vornamen in der Familie alternierend gegeben wurden, über Generationen lang: Georg, Thomas, Georg, Thomas, Georg. Der Georg Czimmermann von 1563 scheint etwas Besonderes gewesen zu sein in Henndorf im Harbachtal, vielleicht Hann; jedenfalls kommt er öfter vor und sein Nachkomme dürfte jener Georg Czimmermann gewesen sein, in dessen Amtszeit als Hann 1776 die Kirchenburg in Henndorf restauriert wurde. So liest man noch heute auf der Empore und auf der Innenseite der Kanzel. Dann fand ich noch einen Zimmermann und einen zweiten rund 100 Jahre vorher: den einen 1488 in Neithausen, ca. 4 km vom Henndorf entfernt, und den anderen Thomas 1476 in Großau. Es heißt von ihm, dass er am Samstag, dem 4. Mai 1476, gegen Bürgschaft aus dem Gefängnis in Hermannstadt entlassen wurde. Dass der erste Zimmermann ein Bösewicht gewesen ist, war mir zuerst peinlich. Dann aber erinnerte ich mich, dass es schließlich und endlich kaum eine siebenbürgisch-sächsische Familie geben dürfte, von der nicht jemand in Gefangenschaft gewesen ist, als Soldat oder durch Deportation im Donbass, im Baragan oder gar in Workuta oder sonst wo. So akzeptierte ich jenen Thomas Czemerman von 1476. Er wird schon nicht allzu Arges angestellt haben, wenn der Hann und die Altschaft von Großau sich für ihn verbürgten. Und wenn ich das nächste Mal nach Hermannstadt komme, dann will ich vor dem Gefängnis eine Gedenkminute verbringen. So viel ich weiß, war es dort, wo heute das Historische Museum ist im alten Altembergerischen Palais, dem früheren Rathaus. Wenn ich als nach Hermannstadt komme...

Wenn Sie im Juni auf Ihrer Exkursion nach Prag kommen, dann vergessen Sie nicht, dass dort das älteste siebenbürgisch-sächsische Denkmal steht, im Hof der Prager Burg vor dem Veitsdom. Es zeigt den heiligen Georg als Drachentöter und ist das älteste freistehende Gussmonument nördlich der Alpen, eine damals neue Kunst, 1373 gegossen und vielleicht als Geschenk des Ungarnkönigs an den deutschen Kaiser in dessen Residenz nach Prag gekommen. Geschaffen aber haben das Monument zwei Klausenburger; sie nennen sich Martinus und Georgius "de Clussenberch". Wer sich so nennt, ist wohl ein Sachs gewesen. Wir können also auf die beiden stolz sein. (...)

Wenn wir in Tübingen ein siebenbürgisch-sächsisches Denkmal errichten wollten, dann könnte es vor dem Hotel Krone stehen. Dort ist nämlich unser Stephan Ludwig Roth am Freitag, dem 10. Oktober 1817, eingekehrt, als er zum Studium nach Tübingen kam. Freilich stand die Krone damals noch nicht dort, wo sie heute steht, sondern in der Kronengasse zwischen Stiftskirche und Markt. Sicher ist Roth auch nur eine Nacht in dem teuren Hotel geblieben. Wo er dann gewohnt hat, weiß man nicht. Er hätte sich gewiss auch in einem kirchlichen Haus wohl gefühlt, so wie wir heute hier. Seiner zu gedenken, steht uns gut und nicht nur uns, sondern allen Siebenbürgern: Deutschen, Ungarn und Rumänen, wie Roth uns gelehrt hat. Ich gedenke gleichwohl heute dankbar meiner Eltern.

Harald Zimmermann

Schlagwörter: Jubiläum, Ehrungen, Sprachgeschichte

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