16. November 2006

Grete Schiffbäumer: Einsatz für die Volkskunst

Am 27. Oktober fand im großen Saal auf Schloss Horneck in Gundeslheim die Trauerfeier für Grete Schiffbäumer statt. Sie war am 23. Oktober nach nur kurzer Zeit auf der Pflegestation des Heimathauses verstorben. Im Frühjahr 2000 war Grete Schiffbäumer aus ihrem Haus in Reutlingen nach Gundelsheim gezogen. Sie litt an den Folgen eines schweren Verkehrsunfalls, war aber froh, in einem der Fürstenzimmer des Schlosses ihre letzten Jahre verbringen zu dürfen.
Viele ihrer nach Vorbildern aus Siebenbürgen nachgemalte Motive schmückten die Wände ihres Zimmers. Der Verlust des Augenlichtes war für sie ein harter Schlag. Sie, die immer aktiv war, musste nun die Hände in den Schoß legen. Ihr Gedächtnis war bis zu ihrem Tode beeindruckend und genauso die Art und Weise, wie sie zuhören und behalten konnte, was man ihr erzählte.

Die 1915 in Sächsich-Reen geborene Grete Schiffbäumer war das älteste von vier Kindern. Sie besuchte das Lehrerinnenseminar in Schäßburg und war bis sie ihre Heimat 1944 mit dem Treck verließ, als Lehrerin in Nordsiebenbürgen, zuletzt in Tekendorf, tätig. In Österreich wurde sie von ihren Eltern getrennt. Sie machte in Kitzbühl den Meisterbrief als Stickerin und arbeitete dort auch in diesem Beruf. Daneben erlangte sie die Anerkennung als Lehrerin. 1956 übersiedelte sie nach Deutschland, erhielt eine Stelle als Lehrerin in Freudenstadt, zog dann 1960 nach Reutlingen, wo sie bis zu ihrer Pensionierung 1973 arbeitete.

Grete Schiffbäumer (2. von links) stellte am 3. Juni 1989 ihre Schreinermalereien bei der 40-Jahr-Feier in Baden-Württemberg aus, von links Hans Wester, Anni Wester und Robert Schuller von der Kreisgruppe Mannheim-Heidelberg.
Grete Schiffbäumer (2. von links) stellte am 3. Juni 1989 ihre Schreinermalereien bei der 40-Jahr-Feier in Baden-Württemberg aus, von links Hans Wester, Anni Wester und Robert Schuller von der Kreisgruppe Mannheim-Heidelberg.

Auf der Suche nach einer Aufgabe im Ruhestand hatte sie ihre Freude am Malen wieder entdeckt, und als sie auf ihren Reisen durch die alte Heimat die bemalten Möbel und die Kirchenmalereien sah, machte sie aus dem Malen eine neue Lebensaufgabe. Zusammen mit Rolf Schuller war sie in Siebenbürgen auf der Suche nach Motiven in Kirchen, Häusern und auf Dachböden. Es wurden drei „Safari-Fahrten“, wie die Künstlerin sie nannte, in etwa 100 siebenbürgische Dörfer, teilweise begleitet von Annemarie Schiel aus München, mit der sie unzählige Aufnahmen der siebenbürgischen Schreinermalereien machte. Mit den Abbildungen und kopierten Vorlagen reiste sie durch ganz Deutschland und bildete in 200 Wochenendkursen interessierte Landsleute in der Bemalung sächsischer Bauernmöbel nach den fotografierten Originalmotiven aus. So gelang es ihr, sowohl die Erhaltung wertvoller Motive zu erreichen, als auch die Begeisterung für die Pflege dieser spezifischen Volkskunst zu wecken. Mit ihrer Hilfe und auf ihre Anregung hin wurden Heimatstuben mit bemalten Möbeln eingerichtet, so in Drabenderhöhe, Sachsenheim, Pforzheim, Mannheim, Metzingen, Nürtingen, Heilbronn und nicht zuletzt in Gundelsheim. Leider hat sie nicht erleben können, dass ihre Aufzeichnungen gedruckt werden; der Druck ihrer Anleitungen ist auch heute noch nicht sichergestellt.

Zu ihrem 85. Geburtstag wurde Grete Schiffbäumer vom Bundesvorstand der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen mit der Stephan-Ludwig-Roth-Medaille ausgezeichnet, die an Persönlichkeiten verliehen wird, die sich für die Erhaltung und Förderung siebenbürgisch-sächsischer Identität und Kultur außerordentliche Verdienste erworben haben. „Der Lehrerin Frau Grete Schiffbäumer wird für den wertvollen persönlichen, pädagogisch motivierenden und qualifizierten Einsatz zur Erhaltung, Pflege und Verbreitung der siebenbürgisch-sächsischen Schreinermalerei, für die dokumentarische Leistung bei der Bewahrung, der authentischen Wiedergabe der Leistungen dieses kulturhistorischen Bereiches, weit über den siebenbürgischen Lebensraum hinaus, diese Auszeichnung verliehen.“ Das stand auf der dazugehörigen, vom Bundesvorsitzenden Volker Dürr unterschriebenen Urkunde. Die Auszeichnung wurde von der Frauenreferentin der Landesgruppe Baden-Württemberg, Christa Andree, und der Bundesfrauenreferentin Enni Janesch am 3. September 2005 im Altenheim auf Schloss Horneck in Gundelsheim übergeben. Ursprünglich sollte die Medaille bei der Kulturtagung des Bundesfrauenreferates überreicht werden, die im August 2000 im Haus der Heimat in Stuttgart zum Hauptthema „Siebenbürgische Schreinermalerei“ abgehalten wurde. Die zu Ehrende konnte aber aus Gesundheitsgründen nicht teilnehmen.

Grete Schiffbäumer war eine Persönlichkeit, die auf eigenen Beinen stand, die „immer nur gemacht hat, was sie für richtig hielt“ und die eigentlich auch nach über 60 Jahren in Sächsisch-Reen zu Hause war. Diejenigen, die sie gekannt haben, trauern um sie und werden ihr und ihren Leistungen ein ehrendes Andenken bewahren.

Christa Andree, Enni Janesch

Schlagwörter: Nachruf, Malerei

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