30. Dezember 2006

Hermann Schmidt: Unterwegs in meiner Zeit

Das Buch „Vom Alt zur Alb“. Unterwegs in meiner Zeit von Hermann Schmidt, erschienen im September 2006 im Books on Demand GmbH Verlag, ISBN 3-8334-4735-4, Preis: 27,90 Euro, wird im Verzeichnis Lieferbarer Bücher VLB geführt und ist damit in jeder Buchhandlung bestellbar. Es ist auch über Google und Amazon (siehe auch Hermann Schmidt bei BoD) erhältlich.
„Es ist nicht wahr“, wird der Dichter Erich Fried im Anhang des Buches von Hermann Schmidt zitiert, „dass Geschichte gefälscht wird. Sie hat sich großenteils wirklich falsch zugetragen... Jede persönliche Geschichte stimmt nicht, wenn man sie an der Messlatte der so genannten großen Geschichte ausrichtet. Und doch stimmt jede individuelle Geschichte für sich, indem sie es dem, der sie erzählt ermöglicht, sein eigenes Leben zu rekonstruieren.“

Und so ist auch diese 436 Seiten lange Lebensgeschichte mit dem Untertitel „Unterwegs in meiner Zeit“ ein Stück „Große Geschichte“, die es verdient, in die Literatur und die Chroniken der siebenbürgischen Historiographie aufgenommen zu werden. Es handelt sich um die Dokumentation eines Lebensweges, der in seiner Vielfalt an schönen und auch schlimmen Erfahrungen – von den frühen 1930er Jahren bis hinein ins nächste Jahrtausend - lesenswert ist – und das nicht nur für Zeitzeugen und Historiker.

Hermann Schmidt, Jahrgang 1927, ist Marienburger Lehrersohn, dessen Lebensweg in der Jugend beinahe vorgezeichnet war: Von der heimischen Volksschule aufs Untergymnasium und später zum Seminar nach Hermannstadt, dann der Lehrerberuf, analog dem Vater und anderen Mitgliedern der Großfamilie. Dass Hermann Schmidt diesen Beruf tatsächlich zu seiner Lebensaufgabe machen konnte, mutet fast wie ein Wunder an, wenn man sich den Werdegang dieses Siebenbürgers erliest.

Schmidt hat sofort nach dem 23. August 1944 die Wirren der Zeit am eigenen Leibe erlebt: Als 16-Jähriger wurde er in ein rumänisches Arbeitslager nahe Bukarest interniert, dann nach Russland deportiert und gelangte nach relativ kurzer Zeit – Donbass tour-retour, wie er es nennt – auf abenteuerlichsten Fluchtwegen zurück nach Siebenbürgen. Dort besuchte er wieder das Lehrerseminar, um 1947 über Ungarn nach Österreich erneut zu fliehen. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Oberösterreich folgt der Umzug (damals hieß der noch „illegaler Grenzübertritt“) nach Württemberg. Zunächst Hilfslehrer und gleichzeitig Student wird er danach Lehrer im schwäbischen Mössingen und baut dort über Jahre hinweg, auch in der Funktionsstelle des Schulrektors, das Unterrichtswesen aus. Über das harmonische Zusammenleben mit seiner Frau, den fünf Kindern und den Kindeskindern wird berichtet, über eine intakte Großfamilie, obwohl man nicht mehr wie einst in Marienburg auf Tuchfühlung zueinander lebt.

Hermann Schmidts Lebenserinnerungen zeichnen einen Weg nach, den der Autor nun seit über siebzig Jahre geht, auf dem er sich als Wanderer „unterwegs in meiner Zeit“ sieht. Aus Ostmitteleuropa, aus Siebenbürgen als 17-Jähriger in die Verbannung zu den sowjetischen Kohlengruben und von dort auf komplizierten und zugleich glücklichen Fluchtwegen nach Hause, dann wieder auf der Flucht, diesmal hinein in die freie Welt.

Das Buch ist kein trockenes curriculum vitae und auch kein Standard-Erinnerungsbuch. Dazu ist Hermann Schmidt zu sprachgewandt und wortgenau in der Schilderung eigener Erlebnisse, im Erläutern der Zeitereignisse und des Zeitgeistes. Auch sein politisches Weltbild ist beachtenswert. Immer ein wenig im Abstand zum Tagesgeschehen, nie schnelle Werturteile fällend und besonders die Zeit der beiden Diktaturen richtig einschätzend, das ist bislang wenigen Autoren seiner Generation so trefflich gelungen. Schade, dass die Schwarz-Weiß-Bilder und Faksimiles durch den Druck im Buch weniger vorteilhaft erscheinen. Trotzdem, ein lesens- und empfehlenswertes Buch.

Hansgeorg von Killyen



Vom Alt zur Alb: Unterwegs in
Hermann Schmidt
Vom Alt zur Alb: Unterwegs in meiner Zeit

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Schlagwörter: Rezension, Erinnerungen, Geschichte

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