7. April 2007

Jüngere Schulgeschichte im Blickpunkt

Die 6. Tagung der Sektion Schulgeschichte des Arbeitskreises für siebenbürgische Landeskunde fand am 24. und 25. März im Münchner Haus des Deutschen Ostens (HDO) statt, das auch diesmal als Mitveranstalter eingeladen hatte. In Vertretung der beiden Schulhistoriker Prof. Walter König und Hans Gerhard Pauer, die krankheitsbedingt abwesend waren, sprangen Gudrun Schuster und Hansgeorg von Killyen ein und führten die Planung, Organisation und Moderation der Tagung erfolgreich durch.
Der stellvertretende Direktor des HDO, Udo Acker, begrüßte die zahlreichen Tagungsteilnehmer und Gäste. Die ehemalige Kronstädter Lehrerin Brigitte Niedermaier würdigte die Verdienste des kürzlich verstorbenen siebenbürgischen Schul- und Kirchenmannes Hans Hermannstädter (1918-2007). Die Anwesenden ehrten sein Andenken mit einer Schweigeminute. Die siebenbürgische Germanistin Gudrun Schuster stellte einen 1907 bei W. Krafft in Hermannstadt erschienenen „Abiturientenwegweiser“ vor. In der anschließenden Diskussion wurde die Bedeutung des von Ernst Buchholzer herausgegebenen Buches als historische Quelle hervorgehoben.

Den Schwerpunkt des ersten Tages bildeten Dokumentationsbeiträge zur Schulvergangenheit während der zwei totalitären Regime in Rumänien. Den Text von Professor Dr. Andreas Möckel (Würzburg), „Die Jahre 1944 bis 1958 in der evangelischen Kirchengemeinde A.B. zu Kronstadt“, verlas Hansgeorg Killyen. Darin kommentiert der Verfasser Briefe, die der ehemalige Stadtpfarrer von Kronstadt, Konrad Möckel, an seine Söhne nach Deutschland geschrieben hatte, sowie Protokolle der Voruntersuchung zum Prozess gegen ihn und eine Gruppe von Kronstädter Jugendlichen im sog. „Schwarze-Kirche-Prozess“. In der Aussprache zum Vortrag schilderten Zeitzeugen Atmosphäre und politische Situation des Landes und der Siebenbürger Sachsen im Besonderen in jener Phase kommunistischer Diktatur, die die 50er Jahre kennzeichneten.

Mit seinem Beitrag über „Die Schule in Siebenbürgen in den Zeiten großer Umbrüche am Beispiel des Hermannstädter Lehrerseminars 1938-1947“ dokumentierte der Lehrer und Schulleiter i.R. Hermann Schmidt (Mössingen) die Zeit des Nationalsozialismus in den Schulen Siebenbürgens allgemein und exemplarisch am Hermannstädter Lehrerseminar. Der Eintritt der Jugendlichen in den Waffendienst, die spätere Rückkehr der verhinderten Schulabgänger in das Hermannstädter Lehrerseminar unter veränderten Bedingungen bis hin zum letzten großen Umbruch, der Verstaatlichung der Schulen beschrieb Schmidt exemplarisch und lückenlos.

„Neue Daten zur Geschichte des Honterusgymnasiums in Kronstadt für die Jahre 1941-1948“ stellte der Biologe Hansgeorg von Killyen vor. Bei Dokumentationsaufenthalten konnte der Autor verschiedene Quellen, darunter das Archiv der Honterusgemeinde, Schüler-Matrikel, Lehrerprotokolle der Gesamtlehrerkonferenzen aus den Jahren 1941-1948 sowie Dokumente im Staatsarchiv einsehen und auswerten.

Mit seinem Referat „Die Securitate – ‚der bewaffnete Arm der kommunistischen Partei’ Rumäniens“ gewährte Dr. Erwin Jikeli (Duisburg) einen weiteren Einblick in seine Dissertation, aus der er bereits zum dritten Mal brisante Aspekte auch zur jüngeren Schulgeschichte Rumäniens behandelt. Die u. a. aus Protokollen, Antworten auf Fragebögen und Gesprächen mit ehemaligen Funktionsträgern gewonnenen Erkenntnisse werfen ein erhellendes Licht auf Ziele und Methoden der berüchtigten Securitate. Durch gezieltes Streuen von Misstrauen und Verdächtigungen sowie durch Einschüchterung von Lehrern und Pfarrern haben diese Organe damals in Schulen und Gemeinden ein vergiftetes Klima geschaffen, u. a. auch durch angedrohte Abhörversuche im Unterricht. Dass jedoch ausspionierte Personen auch als „schlaue Füchse“ bezeichnet wurden, die mit in Aussicht gestellten Begünstigungen, wie z. B. begehrten Auslandsreisen, nicht geködert werden konnten, zeigt, welchem Druck Lehrer und Pfarrer ausgesetzt waren.

In ihrem Vortrag „Die Situation der Lehrerschaft in Siebenbürgen von 1950 bis zur Wende 1989“ bot Odette Fabritius aus Germering einen systematischen Überblick zu verwaltungstechnischen Fragen wie Einstufung und Besoldung, Graduierungsprüfungen von Lehrern, Fortbildungsmaßnahmen und Versetzungen, wobei auch die ständig wechselnde Personalpolitik des rumänischen Unterrichtsministeriums veranschaulicht wurde.

Die ehemalige Leiterin der Internationalen Schulbuchsammlung des Braunschweiger Georg-Eckert-Instituts, Gisela Teistler, referierte über „Schulbücher in Siebenbürgen und ihre Identifikationsangebote: Lesebücher und Geschichtsbücher als Beispiele“. Innerhalb der weltweit einmaligen Sammlung mit über 200 000 Bucheinheiten aus aller Welt und in unzähligen Sprachen zeichnen sich siebenbürgisch-sächsische Lesebücher und Fibeln (letztere gehören interessanterweise zu den ersten deutschen Fibeln überhaupt) durch inhaltliche Qualität aus, wie die Referentin berichtete. Teistler untersuchte Lese- und Geschichtsbücher aus drei Etappen der Schulgeschichte: der ungarischen Zeit bis 1918, der Zeit nach dem Anschluss an Rumänien bis 1940 sowie aus nationalsozialistischer Zeit.

Traditionsgemäß war der zweite Tag der gegenwärtigen Schulsituation in Siebenbürgen vorbehalten. Als Gast aus Siebenbürgen berichtete die Hermannstädter Generalschulinspektorin, Christine Manta-Klemens, über „Die deutschsprachigen Schulen und Abteilungen im Kreis Hermannstadt“. Der Lagebericht gab anhand von aktuellen Diagrammen Auskunft über das große Interesse, dessen sich diese Einrichtungen nach wie vor auch bei Rumänen und Ungarn erfreuen. So konnten die Schülerzahlen in den letzten Jahren beinahe konstant bleiben. Weniger gut ist es um die für den Unterricht in deutscher Sprache benötigten Lehrer bestellt. Hier wäre auch in Zukunft weitere Unterstützung durch aus Deutschland entsandte Gastlehrer dringend nötig. Kopfzerbrechen bereiten der Schulrätin auch die neuen Vorschriften zu den Abiturprüfungen und Ungewissheiten bezüglich der Zukunft der Pädagogischen Schule im Ursulinenkloster.

Es war eine Freude, den Bildvortrag des Gastlehrers für Biologie, Bernd Schumacher, über seine Erfahrungen nach fast drei Jahren Berufseinsatz an der Hermannstädter Brukenthalschule zu hören. In seinem anschaulichen Vortrag hob er die vielfältigen, auch kreativen Arbeitsmöglichkeiten an der Schule und im Hermannstädter Raum hervor. Am Ende der Tagung verlas Udo Acker das Grußwort von Prof. Walter König, das einen dringenden Appell an die Mitglieder der Sektion enthielt, sich weiter für die Dokumentation der siebenbürgisch-sächsischen Schulgeschichte zu engagieren.

Walter Klemm

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 6 vom 15. April 2007, Seite 4)

Schlagwörter: Schulgeschichte, AKSL

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