16. Oktober 2007

Die große Zeit des deutschen Theaters in Hermannstadt

Rolf Maurer eröffnete am 28. September im Foyer des Nürnberger Hubertussaals die Ausstel­lung „425 Jahre deutsches Theater in Hermannstadt, 50 Jahre DASS (Deutsche Abteilung des Staats­theaters Hermannstadt)“. Viele ehemalige Theaterbesucher aus Siebenbürgen verfolgten gespannt eine anschauliche Führung, die wichtige Fakten und politische Epochen ebenso ansprach wie die Verdienste der renommiertesten Akteure und das Seelenleben der Künstler in den letzten fünfzig Jahren.
Unter den Ehrengästen befand sich außer Stadträten auch Bürgermeister Horst Förther. Konzeption und Text der Ausstellung stammen von Horst Fassel (Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde Tübingen) und Martin Rill (Donauschwäbisches Zentralmuse­um Ulm). Veranstalter war das Haus der Heimat Nürnberg.

Im Sommer des Jahres 1989 wurde Rolf Mau­rer von einem rumänischen Polizisten noch mit „Genosse Schauspieler“ angeredet. Inzwischen lebt er in Esslingen am Neckar und arbeitet wie­der als Journalist, so wie in der Zeit vor seiner Schauspielerkarriere. Den Exkurs in die An­fänge des Hermannstädter deutschen Thea­ters im 16. Jahrhundert beginnt er mit den Worten von Thomas Mann: „Tief ist der Brunnen der Vergangenheit“ und betont, dass auch wir immer wieder versuchen, daraus zu schöpfen. Er führt uns in die Kindheit, wo das Aufführen z. B. von „Rotkäppchen“ oder später von Hans-Sachs-Stü­cken nur Spiel war. Was darüber hinaus Kunst ist, hat er als Schüler in seiner Heimatstadt Me­diasch, im Traube-Saal, zum ersten Mal empfunden: Beim Erleben des „Wilhelm Tell“ liefen ihm Schauder über den Rücken. Als ein Wunder betrachtet er übrigens, dass Schillers „Tell“ im kommunistischen Rumänien gespielt werden durfte, wo es in anderen Diktaturen schon vor dem Zweiten Welt­krieg verboten worden war.
Rolf Maurer während seines Vortrages über die ...
Rolf Maurer während seines Vortrages über die siebenbürgisch-sächsische Theaterge­schichte. Foto: Doris Hutter
Dieses Privileg der deutschen Schauspieler in Rumänien ergab sich glücklicherweise, weil deren Zensoren in mehreren Fällen nicht so genau hinschauten. So konnte eine alte Tradi­tion erfolgreich weitergeführt werden.

Nach anfänglichen mobilen Theatergruppen begann im 18. Jahrhundert das regelmäßige Theater in Hermannstadt Fuß zu fassen. Die Blütezeit des Stadttheaters war Ende des 19. Jahrhunderts, als jede Hermannstadt vergleichbare österreichisch-ungarische Provinzstadt ein Theater, und meist auch ein deutsches, hatte, wobei reger Kontakt und Austausch zwischen den einzelnen Bühnen ein hohes Niveau der Theaterkunst förderte. Spricht man von dieser Zeit, muss Leo Bauer erwähnt werden, der von 1893-1921 Direktor des Stadttheaters war. Nach 1918 jedoch waren die Deutschen zur Minder­heit in Rumänien geworden. „Es ging jetzt darum, sich auch als Theater der Minderheit zu behaupten, was große Erfolge, aber auch große Irrwege mit sich brachte“, erklärt Rolf Maurer.

Während des Zweiten Weltkrieges verkam das Theater zu einem Fronttheater, einem Ensemble, das Soldaten an der Front zum Durchhalten ermuntern sollte. Es löste sich 1944 auf. Es war ein Ende. Aber nicht das endgültige! Denn mit dem Dekret Nr. 56771 der kommunistischen Machthaber wurde 1956 die deutsche Abteilung am Hermannstädter Staatstheater gegründet, „um die Nation zu homogenisieren“, also alle Volksgruppen durch ein einziges Theater zu ver­schmelzen. Das war aber ein Irrtum, weil Thea­ter bei Minderheiten das Gegenteil bewirkt: Meinungen und Neigungen werden bestärkt.

„Die große Zeit des Theaters war seltsamerweise die Zeit des tiefsten Kommunismus“, sagt Rolf Maurer und erwähnt mit großem Respekt seine Kollegen, aus Zeitmangel namentlich je­doch nur die Persönlichkeiten, die in all den Jahren die Zielsetzung und Richtung dieser Büh­ne bestimmt haben: Hanns Schuschnig, Re­gis­seur, Übersetzer und Darsteller, sowie Christian Maurer, Bühnenschriftsteller, Übersetzer, Spiel­leiter und Darsteller, der von 1956 bis 1990 durchgehend aktiv war. Der Referent erwähnt die innere Welt der Schauspieler in der Ausein­andersetzung mit der äußeren Welt und zitiert dann Schiller mit den Worten: „Die Schaubühne ist die Stiftung, wo Vergnügen mit Unterricht, Ruhe mit Anstrengung, Kurzweil mit Bildung gattet.“ Oder: „Wir werden uns selbst wiedergegeben, unsere Empfindung erwacht, heilsame Leidenschaften erschüttern … und treiben das Blut in frischen Wallungen“. Das klassische Büh­nenrepertoire wurde durch moder­nes er­gänzt. Trotz restriktiver Maß­nahmen der Ceau­șescu-Diktatur überlebte das Theater, musste jedoch zunehmend das Angebot einschränken. Dramatisch wurde es nach 1989 mit der massiven Abwanderung der deutschen Bevölkerung, weil dies einen Publikumsverlust bedeutete. Da ein Schauspieler in der Sprache des Publikums spricht, schien es fast unmöglich, die deutsche Abteilung des Theaters weiter aufrecht erhalten zu können. Trotzdem wird in Hermannstadt im­mer noch deutsches Theater gespielt. Die Ab­teilung besteht fort. Rolf Maurer und seine Kol­legen können stolz sein, dass es ihnen gelungen ist, das deutsche Theater trotz aller Widrig­keiten über so eine lange Zeit zu betreiben.

Doris Hutter dankte dem Referenten für seinen interessanten Vortrag und würdigte die große Bedeutung, die das deutsche Theater in Siebenbürgen als Bildungseinrichtung, aber auch als Identifikationselement der deutschen Minderheit hatte. Den Autoren dieser Ausstel­lung, die in Nürnberg vom 25. September bis zum 5. Oktober gezeigt wurde, sei hiermit auch ganz herzlich gedankt, dass sie sich dieses Themas angenommen und das Hermannstädter deutsche Theater in vielen Facetten anschaulich und effektvoll präsentiert haben. Die 15 Displayelemente in den Maßen 90 x 220 cm können kostenlos beim Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm ausgeliehen, in einem PKW transportiert und leicht aufgestellt werden. Kontakt unter Telefon: (07 31) 96 25 41 15.

Doris Hutter

Schlagwörter: Theater, Hermannstadt, Nürnberg

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