9. November 2007
Allgemeines Bildungsgut aus 850 Jahren
Der erste Band von Michael Kroners „Geschichte der Siebenbürger Sachsen“ ist ein gelungener Überblick, den man nicht nur den heimatverbundenen Siebenbürger Sachsen, sondern auch allen empfehlen kann, die sich für diese Region im südöstlichen Mitteleuropa allgemein und für die Geschichte und Kultur ihrer deutschen Bewohner im Besonderen interessieren.
Buchumschlag, Geleitwort und Inhalt dieses Buches vermitteln – auf den ersten, vielleicht oberflächlichen Blick – Widersprüchliches: Der Buchumschlag will Traditionsverbundenheit aufzeigen, sowohl mit der Verlässlichkeit signalisierenden Frakturschrift (die auf einige auch altmodisch wirkt) als auch mit dem Gemälde „Sonntag in Nordsiebenbürgen“ von Norbert Thomae, das den Gleichklang von Kirche, Schule und Tracht bei den Siebenbürger Sachsen wie eine im Unterricht verwendete Schautafel vergangener Zeiten vorführt.
Der Verlag - Haus der Heimat Nürnberg – weist auf einen engen, heimatverbundenen Adressatenkreis hin, das Geleitwort aber wendet sich an Nichtfachmann, den „die Details der wissenschaftlichen Darlegungen, Beweisführungen und Kontroversen weniger interessieren, sondern eher Grunderkenntnisse und -fakten in einem kurzen Überblick“, und betont im gleichen Atemzug die Wissenschaftlichkeit der Darstellung. Schließlich: „Kurz“ klingt sicher gut, doch 416 Seiten eines ersten Bandes belegen eher das Gegenteil, nämlich dass der Verfasser sein Versprechen ernst genommen hat, „all das aufzunehmen und zu werten, was ihm in der 850-jährigen Geschichte der Sachsen wesentlich erscheint und nach seiner Meinung zum allgemeinen Bildungsgut gehört“.
Trotzdem kennzeichnet nicht Widersprüchlichkeit diesen Band, der die ersten sieben Hefte der (in dieser Zeitung bereits besprochenen) Schriftenreihe „Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen“ in neuer, offenbar leicht überarbeiteter und korrigierter Buchform zusammenfasst. Vielmehr ist es ein in sich stimmiger, nicht chronologisch, sondern nach Themen und Sachfragen gegliederter Überblick, der in Erzählform Informationen über die siebenbürgisch-sächsische Geschichte und Kultur vermittelt und, wie der Titel der Schriftenreihe verspricht, eine Leistungsschau anbietet, die vor allem die gebürtigen Siebenbürger Sachsen mit Stolz und Selbstbewusstsein erfüllen soll. Es ist also, wie beim großen Vorbild eines jeden siebenbürgisch-sächsischen Historikers, dem vierbändigen Werk von Georg Daniel und Friedrich Teutsch, vor allem eine „Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk“.
Erfreulicherweise geht Kroner viel weiter als Teutsch-Vater-und-Sohn: Nicht nur chronologisch, indem er einen Schwerpunkt auf die neuere und neueste Geschichte setzt, während die beiden Teutsch das glorreiche Mittelalter verherrlicht haben. Kroner wartet auch mit Antworten auf neue Fragestellungen auf, mit neuen Themen, die den heutigen Leser interessieren, wie „Völkervielfalt“ in Siebenbürgen, unter Berufung auf die in Moltkes Hymne besungene „bunte Völkerschar“ in einem „Land der Duldung“, um deren Söhne sich der „Eintracht Band“ schlinge, oder „Demographische Entwicklung“ mit dem Aufzeigen der ethnischen und kirchlichen Bevölkerungsstruktur vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Zudem werden sozialgeschichtliche Fragen stärker berücksichtigt, in Unterkapiteln wie „Stadt- und Dorfobrigkeit“ oder „Kampf sächsischer Jobagen gegen Adelswillkür“. Das so gängige Bild vom festen „Volkskörper“ freier Sachsen unter denen „keiner Herr und keiner Knecht“ gewesen, wird auf diese Weise erfreulich differenziert. Doch bleibt der Verfasser beim Topos von der „Volkskirche als ethnische Wehrburg“, weist allerdings auf die Gefahr der „Verweltlichung der Kirche im völkischen Traditionalismus“ und ihrer „Einbeziehung in politische Auseinandersetzungen“ hin, Sätze, die den beiden Bischöfen Teutsch nie aus der Feder geflossen wären.
Interessant ist auch die Frage, ob die „Deutsche Volksgruppe in Rumänien“ in den Jahren 1933 bis 1944 einen „Staat im Staat“ gebildet hat, wie manche rumänische Politiker behauptet haben und auch heutige Wissenschaftler suggerieren. Kroner antwortet eindeutig: „Sie waren jedenfalls keine Kollaborateure Deutschlands, die ihrem Vaterland Schaden zugefügt haben. Sie waren weder ein Machtfaktor und demzufolge auch keine fünfte Kolonne Nazideutschlands, noch waren durch das Volksgruppengesetz die Voraussetzungen für die Bildung eines Staates im Staat gegeben.“ Kann man diese komplizierte Frage wirklich so eindeutig beantworten? War die in diesem Buch zitierte Behauptung von Iuliu Maniu wirklich völlig aus der Luft gegriffen, dass man „innerhalb der deutschen Minderheitler offen über Pläne [spricht], nach dem Krieg … ein unter dem Protektorat des großdeutschen Reiches zusammengefasstes ‚Donauland’ zu gründen“? Wie dem auch sei, nicht nur hier spricht Michael Kroner zumindest unbequeme Fragen an, auch wenn er gelegentlich angenehme Antworten sucht und findet.
Auf Teil VII des Buches sei besonders hingewiesen. Er enthält in bunter Mischung Sagen, Urkunden und erzählende Quellen, Erlebnisberichte und Volksprogramme, die die Geschichte anschaulich und lebendig machen, weil sie direkt, von unten und ungefiltert über Ereignisse und Zusammenhänge erzählen. Zudem enthält dieser Teil zum einen Listen von Herrschenden (Könige, Fürsten, Staatspräsidenten), zum anderen Verzeichnisse von Repräsentanten der Siebenbürger Sachsen in Vergangenheit und Gegenwart, wobei die Vertreter des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien leider vergessen worden sind und die Reihe der evangelischen Bischöfe, von Paul Wiener bis zu Christoph Klein die Liste sächsischer Persönlichkeiten sinnvoller ergänzt hätte als die Übersicht oft recht ephemerer Gestalten, die über kürzere oder längere Zeit hindurch einer Partei, einem Volksrat, einer „Volksgruppe“ oder einem Verband vorgestanden sind.
Trotzdem, dieser „Anhang“ bildet, zusammen mit den jedem Kapitel beigegebenen und weiter führenden Literaturhinweisen, den gut ausgewählten (aber leider oft schlecht reproduzierten) Bildern, ein tragfähiges Gerüst für diesen insgesamt gelungenen Überblick, den man nicht nur den heimatverbundenen Siebenbürger Sachsen, sondern allen empfehlen kann, die sich für diese Region im südöstlichen Mitteleuropa allgemein und für die Geschichte und Kultur ihrer deutschen Bewohner im Besonderen interessieren.
Der Verlag - Haus der Heimat Nürnberg – weist auf einen engen, heimatverbundenen Adressatenkreis hin, das Geleitwort aber wendet sich an Nichtfachmann, den „die Details der wissenschaftlichen Darlegungen, Beweisführungen und Kontroversen weniger interessieren, sondern eher Grunderkenntnisse und -fakten in einem kurzen Überblick“, und betont im gleichen Atemzug die Wissenschaftlichkeit der Darstellung. Schließlich: „Kurz“ klingt sicher gut, doch 416 Seiten eines ersten Bandes belegen eher das Gegenteil, nämlich dass der Verfasser sein Versprechen ernst genommen hat, „all das aufzunehmen und zu werten, was ihm in der 850-jährigen Geschichte der Sachsen wesentlich erscheint und nach seiner Meinung zum allgemeinen Bildungsgut gehört“.
Trotzdem kennzeichnet nicht Widersprüchlichkeit diesen Band, der die ersten sieben Hefte der (in dieser Zeitung bereits besprochenen) Schriftenreihe „Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen“ in neuer, offenbar leicht überarbeiteter und korrigierter Buchform zusammenfasst. Vielmehr ist es ein in sich stimmiger, nicht chronologisch, sondern nach Themen und Sachfragen gegliederter Überblick, der in Erzählform Informationen über die siebenbürgisch-sächsische Geschichte und Kultur vermittelt und, wie der Titel der Schriftenreihe verspricht, eine Leistungsschau anbietet, die vor allem die gebürtigen Siebenbürger Sachsen mit Stolz und Selbstbewusstsein erfüllen soll. Es ist also, wie beim großen Vorbild eines jeden siebenbürgisch-sächsischen Historikers, dem vierbändigen Werk von Georg Daniel und Friedrich Teutsch, vor allem eine „Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk“.
Erfreulicherweise geht Kroner viel weiter als Teutsch-Vater-und-Sohn: Nicht nur chronologisch, indem er einen Schwerpunkt auf die neuere und neueste Geschichte setzt, während die beiden Teutsch das glorreiche Mittelalter verherrlicht haben. Kroner wartet auch mit Antworten auf neue Fragestellungen auf, mit neuen Themen, die den heutigen Leser interessieren, wie „Völkervielfalt“ in Siebenbürgen, unter Berufung auf die in Moltkes Hymne besungene „bunte Völkerschar“ in einem „Land der Duldung“, um deren Söhne sich der „Eintracht Band“ schlinge, oder „Demographische Entwicklung“ mit dem Aufzeigen der ethnischen und kirchlichen Bevölkerungsstruktur vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Zudem werden sozialgeschichtliche Fragen stärker berücksichtigt, in Unterkapiteln wie „Stadt- und Dorfobrigkeit“ oder „Kampf sächsischer Jobagen gegen Adelswillkür“. Das so gängige Bild vom festen „Volkskörper“ freier Sachsen unter denen „keiner Herr und keiner Knecht“ gewesen, wird auf diese Weise erfreulich differenziert. Doch bleibt der Verfasser beim Topos von der „Volkskirche als ethnische Wehrburg“, weist allerdings auf die Gefahr der „Verweltlichung der Kirche im völkischen Traditionalismus“ und ihrer „Einbeziehung in politische Auseinandersetzungen“ hin, Sätze, die den beiden Bischöfen Teutsch nie aus der Feder geflossen wären.
Interessant ist auch die Frage, ob die „Deutsche Volksgruppe in Rumänien“ in den Jahren 1933 bis 1944 einen „Staat im Staat“ gebildet hat, wie manche rumänische Politiker behauptet haben und auch heutige Wissenschaftler suggerieren. Kroner antwortet eindeutig: „Sie waren jedenfalls keine Kollaborateure Deutschlands, die ihrem Vaterland Schaden zugefügt haben. Sie waren weder ein Machtfaktor und demzufolge auch keine fünfte Kolonne Nazideutschlands, noch waren durch das Volksgruppengesetz die Voraussetzungen für die Bildung eines Staates im Staat gegeben.“ Kann man diese komplizierte Frage wirklich so eindeutig beantworten? War die in diesem Buch zitierte Behauptung von Iuliu Maniu wirklich völlig aus der Luft gegriffen, dass man „innerhalb der deutschen Minderheitler offen über Pläne [spricht], nach dem Krieg … ein unter dem Protektorat des großdeutschen Reiches zusammengefasstes ‚Donauland’ zu gründen“? Wie dem auch sei, nicht nur hier spricht Michael Kroner zumindest unbequeme Fragen an, auch wenn er gelegentlich angenehme Antworten sucht und findet.
Auf Teil VII des Buches sei besonders hingewiesen. Er enthält in bunter Mischung Sagen, Urkunden und erzählende Quellen, Erlebnisberichte und Volksprogramme, die die Geschichte anschaulich und lebendig machen, weil sie direkt, von unten und ungefiltert über Ereignisse und Zusammenhänge erzählen. Zudem enthält dieser Teil zum einen Listen von Herrschenden (Könige, Fürsten, Staatspräsidenten), zum anderen Verzeichnisse von Repräsentanten der Siebenbürger Sachsen in Vergangenheit und Gegenwart, wobei die Vertreter des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien leider vergessen worden sind und die Reihe der evangelischen Bischöfe, von Paul Wiener bis zu Christoph Klein die Liste sächsischer Persönlichkeiten sinnvoller ergänzt hätte als die Übersicht oft recht ephemerer Gestalten, die über kürzere oder längere Zeit hindurch einer Partei, einem Volksrat, einer „Volksgruppe“ oder einem Verband vorgestanden sind.
Trotzdem, dieser „Anhang“ bildet, zusammen mit den jedem Kapitel beigegebenen und weiter führenden Literaturhinweisen, den gut ausgewählten (aber leider oft schlecht reproduzierten) Bildern, ein tragfähiges Gerüst für diesen insgesamt gelungenen Überblick, den man nicht nur den heimatverbundenen Siebenbürger Sachsen, sondern allen empfehlen kann, die sich für diese Region im südöstlichen Mitteleuropa allgemein und für die Geschichte und Kultur ihrer deutschen Bewohner im Besonderen interessieren.
Konrad Gündisch
Kroner, Michael: Geschichte der Siebenbürger Sachsen. Band 1: Von der Ansiedlung bis Anfang des 21. Jahrhunderts, Nürnberg: Verlag Haus der Heimat Nürnberg (HdH), 416 Seiten, reich illustriert, 19,00 Euro (zuzüglich Versand), ISBN 978-3-00-021583-4, zu bestellen im HdH, Telefon: (09 11) 8 00 26 38, Fax: (09 11) 8 00 26 40, E-Mail: hausderheimat-nbg [ät] t-online.de.
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Schlagwörter: Geschichte, Neuerscheinung
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