26. Dezember 2007

Altes Handwerksbrauchtum am Huetplatz

Die 2002 von binnendeutschen Wanderburschen im Sagturm eingerichtete Gesellenherberge mit ihrem geschäftigen Treiben ist vom Hermannstädter Huetplatz nicht mehr wegzudenken. Von den jungen Handwerksgesellen profitiert auch die Stadt selbst, denn fachmännisch ausge­führte Zimmermanns-, Steinmetz- und Schlosserarbeiten sind in der Kulturhauptstadt bis hin nach Freck (Brukenthal’sche Sommerresidenz!) sehr gefragt. Vor drei Jahren kam sogar ein Nagelbaum hinzu, in den jeder Geselle „auf der Walz“ einen Nagel einschlagen muss.
Der Brauch des Benagelns ist so alt wie die Gesellenwanderschaft selbst, wie auch Her­mannstadts berühmtes Gegenstück, der Stock im Eisen beim Wiener Stephansdom beweist. Der heute durch eine Glaswand geschützte, dicht mit Nägeln beschlagene Fichtenstamm in der österreichischen Hauptstadt hat bekanntlich so­gar dem Platz davor zu seinem kuriosen Namen verholfen: Stock-im-Eisen-Platz. Zuletzt wurde der aus dem 15. Jahrhundert stammende „Stock“ (im Sinne von Stamm oder Stumpf) Ende des 19. Jahrhunderts benagelt.
Die Gesellenherberge am Hermannstädter Huetplatz. ...
Die Gesellenherberge am Hermannstädter Huetplatz. Links vom Eingang der mit einer Halte­rung befestigte Nagelbaum, rechts der Sagturm mit der Sagstiege. Foto: der Verfasser
Doch auch Temeswar kann sich rühmen, ei­nen Stock im Eisen zu besitzen, auch wenn er offensichtlich das Wiener Gesellenmal zum Vor­bild hatte. Von dem ebenfalls völlig mit Nägeln bedeckten Baumstamm – er befand sich bis 1984 in einer Mauernische an der Kreuzung Emines­cu-/Griselinistraße – ist sogar das Jahr seiner Aufstellung bekannt (1828). Um den wertvollen Nagelbaum vor Souvenirjägern (um 1980 wurde das Schloss von der Eisenhalterung gestohlen), aber auch vor weiterem witterungsbedingten Verfall zu schützen, wurde der „pomul breslelor“ 1984 ins Banater Museum gebracht und restauriert. März 1998 ließen die Stadtväter am alten Standort eine Replik des originellen Wahrzei­chens aufstellen (siehe Banater Zeitung/ADZ vom 25. 11. 1998).

Ein Foto des Temeswarer Stock im Eisen findet sich auch im Buch „Das deutsche Handwerk in der Welt. Teil I: Rumä­nien“. Berlin 1936, das der Hermannstädter Hans Gutt verfasst hat. „Jeder Wanderbursch musste auf der Wanderung, die vom Westen (Österreich) nach dem Südosten ging, einen Nagel in den Stamm einschlagen, der daher wie die Stange einer neugeweihten Fahne aussieht und im Laufe der Jahrhunderte viele zukunftsfrohe Handwerksburschen und manchen schiffbrüchigen Gesellen vorüberziehen sah“, heißt es dort in dem Bildtext zum Temeswarer Stock im Eisen.

Konrad Klein

Schlagwörter: Handwerk, Hermannstadt

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