30. Mai 2008

Interkultureller Dialog in München

Am 18./19. April fand im Haus des Deutschen Ostens München ein internationales musikwissenschaftliches Symposium statt. Fünfzehn Wissenschaftler aus fünf Ländern befassten sich mit der Rezeptionsgeschichte deutscher Musikkulturen im südöstlichen Europa. Veranstalter war die Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa e. V.
Nach kurzer Begrüßung der Gäste durch Bri­gitte Steinert, stellvertretend für den Direktor des Hauses, Dr. Ortfried Kotzian, hieß Franz Metz, Initiator und wissenschaftlicher Leiter der Veranstaltung, die Teilnehmer herzlich willkom­men. Den Eröffnungsvortrag hielt Victor Nau­mann (Temeswar) zum Thema „Homo Euro­paeus und der Grundbegriff vielfältiger Iden­tität. Die Probleme des anderen Europas“. Sie­ben­bürgi­schen Bezug hatte der Beitrag von Jana Lengová (Bratislava/Pressburg) über „Jan Levoslav Bella / Johann Leopold Bella (1843-1936) und seine deutschen Lieder“. Bella, der zwischen 1869 und 1881 im slowakischen Krem­nitz/Kremnica als städtischer Musikdirektor wirkte, erhielt 1881 die Stadtkantorstelle in Her­mannstadt, wo er – als Vorgänger Franz Xaver Dresslers – bis 1921 als Organist, Dirigent und Komponist das Hermannstädter Musikleben auf ein hohes künstlerisches Niveau hob.

Leider musste der Beitrag von Jannina Schäfer (München), „Werke von Carl Filtsch neu entdeckt“, entfallen. Franz Metz legte in seinem Vortrag „Präsentation und Rezeption der Musik der anderen Deutschen. Der Organist Dirigent, Komponist und Verleger Horst Gehann (1928-2007)“ zunächst an zahlreichen Beispielen dar, wie die Musik der deutschen Minderheit im Ba­nat, der Batschka, in Ungarn, Tschechien, Kroa­tien und Siebenbürgen von anderen Ethnien oder auch in Deutschland wahrgenommen wurde. Der Referent erinnerte in einem Nach­ruf auf den vor kurzem verstorbenen Orga­nisten, Dirigenten, Komponisten und Ver­leger Horst Gehann an dessen vielseitige, unermüdliche wie aufopferungsvolle Tätigkeit. In Anwe­sen­heit einer Tochter Gehanns gedachten die Symposiums-Teilnehmer des Verstorbenen in einer Schweigeminute. Ein hochbrisantes Referat hielt Karl Teutsch (Weissach): „Berufs -und Lebensschicksale sieben­bürgischer Musiker zur Zeit des National­sozialismus und im kommunistischen Rumänien“. Dabei handelte es sich um eine mit höchster Sorgfalt recherchierte, historische, sozialpolitische als auch strikt individuell ausgelotete Do­ku­mentation. Der Vortrag, der zusammen mit den anderen Beiträgen im Herbst in einem Sam­melband veröffentlicht werden soll, bot ein be­eindruckendes, außerordentlich komplexes Gesamtbild siebenbürgischer Musiker, ihrer oft ungeahnt dramatischen Lebensschicksale.

Thematisch anknüpfend, beschäftigte sich Peter Szaunig (Bamberg) mit einem herausragenden siebenbürgischen Musiker: „Der Sieben­bür­ger Rudolf Wagner-Régeny – einer der bedeu­tendsten, heute leider in Vergessenheit geratenen Komponisten des 20. Jahrhumderts“. Tatsächlich war Wagner-Régeny während des NS-Regimes der meistgespielte junge Opern­komponist. Seine großen Opern „Der Günstling“ und „Die Bürger von Calais“ wurden 1935 in Dresden von Karl Böhm bzw. 1939 in Berlin von Herbert von Karajan uraufgeführt. Später in der DDR wirkte er als Meister seines Faches (1955 Natio­nalpreisträger). Über das Verschwinden die­ses so erfolgreichen Komponisten aus den Spielplänen kann nur spekuliert werden. Tat­sächlich lasten Wagner-Régenys Erfolge in zwei Diktaturen unterschiedlichster Ideologien heute als größte Hypothek auf seiner Reputation.

In seinem abschließenden Resümee dankte Dr. Franz Metz allen Teilnehmern für ihre wertvollen Beiträge. Dr. Ferenc Laszlo bedankte sich im Namen aller Beteiligten bei dem wissenschaftlichen Leiter für die hervorragende Orga­nisation des Symposiums.

Peter Szaunig

Schlagwörter: Musikgeschichte, Südosteuropa

Bewerten:

6 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.