9. September 2008
Gültiges Geschichtsbild, ohne alle Fachsimpelei
Vor kurzem hat das Nürnberger Haus der Heimat den zweiten Band von Michael Kroners „Geschichte der Siebenbürger Sachsen“ herausgebracht und damit ein lobenswertes Projekt abgeschlossen, das einem möglichst breiten Leserkreis Vergangenheit und Leistungen der deutschen „hospites“ (Gäste) nahebringen soll, die sich vor etwa 850 Jahren im „Land jenseits der Wälder“ niedergelassen hatten und dort über Jahrhunderte hinweg die historische und kulturelle Entwicklung mitgeprägt haben.
Der Text der beiden Bände geht auf eine Reihe von Heften zurück, die Kroner in Zusammenarbeit mit der Kreisgruppe Nürnberg des landsmannschaftlichen Verbands der Siebenbürger Sachsen und dessen Bundesreferat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zwischen 1997 und 2002 herausgegeben hatte und über die der sachkundige Historiker Konrad Gündisch in einer Besprechung zu Recht festgestellt hat, damit sei ein Geschichtswerk entstanden, das „in populärer, nicht aber populistischer Form“ im siebenbürgischen Leser, wenn nicht das Bewusstsein, dann zumindest die Ahnung von seiner Zugehörigkeit zu einem tragfähigen, weil mit gutem Gewissen vertretbaren Erbekonnex aufkommen lasse.
Hier aber könnte etwa ein globalistisch denkender Universalhistoriker Einspruch erheben und die Frage stellen, inwieweit diese Geschichtsdarstellung, die ihren Blick auf nur eine einzige, bestimmte Bevölkerungsgruppe richtet, sie aus ihrem multiethnischen Zusammenhang herausschält und für sich behandelt, denn heute noch vertretbar sei. Gerade auch diesem zweiten Band Kroners, der sich den besonderen „Wirtschafts- und Kulturleistungen“ der einstigen Siedler widmet, müsse übertriebene Selbstreferenzialität vorgehalten werden.
Nun, der Vorwurf lässt sich ohne weiteres entkräften. Kroner stellt sich bewusst in die Tradition der Georg Daniel und Friedrich Teutsch, die ihre Geschichte „für das sächsische Volk“ schrieben. Von diesem sozialpädagogischen Impetus lässt sich auch der in Oberasbach bei Nürnberg lebende Historiker leiten, und das ist heute um so mehr berechtigt, ja notwendig, als die Siebenbürger Sachsen nach Aussiedlung und zahlenmäßiger Dezimierung in ihrem Herkunftsland, nach ihrer Zerstreuung in weiten Teilen Deutschlands, Europas und der Welt nur sehr reduzierte Chancen haben, ihre gruppeneigene Identität, ihr Selbstverständnis als historisch definierte und definierbare Kollektivität zu bewahren. Unter solchen Umständen wird das Erinnern ans gemeinschaftliche Geschichtserbe durchaus zu einem Akt der Sinnstiftung.
Dabei weiß Kroner sich klug von aller Selbstüberhebung fernzuhalten. Wiederholt wird auch in diesem Band über die „Leistungen“ der Sachsen deren Geschichte entmythisiert, werden mit sachbezogenen Argumenten liebgewonnene Legenden dorthin verwiesen, wo sie hingehören: ins Reich der Erfindung. Etwa dass die Siedler in eine „Wüste“ gekommen seien, die ausschließlich von ihnen zivilisiert und kulturalisiert worden sei (S. 7-8), dass ihre Kirchenburgen und Wehrkirchen einmalig in Europa seien (S. 119 ff) oder dass die Sachsen das erste allgemeine Schulwesen, später dann gar das erste allgemein verpflichtende Volksschulwesen in Europa aufzuweisen hätten (S. 237 und 251). Auch werden die gegenreformatorischen Bemühungen der Habsburger im 18. Jahrhundert nicht einseitig als bedrohliche Angriffe auf die Glaubensgemeinschaft der evangelischen Sachsen verurteilt, wogegen es sich heldenhaft zu wehren galt, sondern es wird auch darauf hingewiesen, dass die damit einhergehenden habsburgischen Reformen auch den gesellschaftlichen Fortschritt anstießen (S. 251). Ähnliches wird auch im Zusammenhang mit den stets einseitig verteufelten ungarischen Schulgesetzen festgestellt, die zwar die Magyarisierung der nichtungarischen Bevölkerung zum Ziel hatten, dieses jedoch gerade bei den Siebenbürger Sachsen nicht erreichten, dafür aber eindeutig zur Modernisierung ihres veralteten Schulwesens beitrugen (S. 258 f).
Solche Details unterfüttern die Ausgewogenheit von Kroners Geschichtsbetrachtung, wie überhaupt im Buch sehr zahlreich beigebrachte Daten und Fakten die von ihm nachgezeichneten historischen Entwicklungen illustrieren. Das vor allem bei der Behandlung der wirtschaftlichen Leistungen, aber auch bei der Beschreibung der bau- und kunsthistorischen Entwicklung, der geistigen und Kulturleistungen, der Geschichte von Kirche und Schule, die zusätzlich mit der Wiedergabe von Schul- und Kirchenordnungen verdeutlicht wird, sowie des Brauchtums oder der Volkskunst.
Dem Buch, das zudem aufschlussreiches Bildmaterial enthält, hätte man allerdings einen aufmerksameren Lektor gewünscht. Es lassen sich, vor allem in seiner zweiten Hälfte, Entgleisungen finden bei der Satzgliedfolge einerseits und der Zeitenfolge in Satzgefügen andererseits oder bei der Konkordanz von Subjekt und Prädikat, zudem hie und da Nachlässigkeiten im Ausdruck. Auch kleine Sachfehler hätten bei genauerem Hinsehen ausgemerzt werden können, etwa bei Namen wie „Ernst“ statt Erwin Neustädter (S. 168) oder „Alfred“ statt Heinrich Wachner (S. 182). Das alles aber ändert nichts an dem Wert der beiden Bände, die dem interessierten Leser ohne alle Fachsimpelei ein gültiges und in weiten Teilen lebendiges Geschichtsbild vermitteln.
Hier aber könnte etwa ein globalistisch denkender Universalhistoriker Einspruch erheben und die Frage stellen, inwieweit diese Geschichtsdarstellung, die ihren Blick auf nur eine einzige, bestimmte Bevölkerungsgruppe richtet, sie aus ihrem multiethnischen Zusammenhang herausschält und für sich behandelt, denn heute noch vertretbar sei. Gerade auch diesem zweiten Band Kroners, der sich den besonderen „Wirtschafts- und Kulturleistungen“ der einstigen Siedler widmet, müsse übertriebene Selbstreferenzialität vorgehalten werden.
Nun, der Vorwurf lässt sich ohne weiteres entkräften. Kroner stellt sich bewusst in die Tradition der Georg Daniel und Friedrich Teutsch, die ihre Geschichte „für das sächsische Volk“ schrieben. Von diesem sozialpädagogischen Impetus lässt sich auch der in Oberasbach bei Nürnberg lebende Historiker leiten, und das ist heute um so mehr berechtigt, ja notwendig, als die Siebenbürger Sachsen nach Aussiedlung und zahlenmäßiger Dezimierung in ihrem Herkunftsland, nach ihrer Zerstreuung in weiten Teilen Deutschlands, Europas und der Welt nur sehr reduzierte Chancen haben, ihre gruppeneigene Identität, ihr Selbstverständnis als historisch definierte und definierbare Kollektivität zu bewahren. Unter solchen Umständen wird das Erinnern ans gemeinschaftliche Geschichtserbe durchaus zu einem Akt der Sinnstiftung.
Dabei weiß Kroner sich klug von aller Selbstüberhebung fernzuhalten. Wiederholt wird auch in diesem Band über die „Leistungen“ der Sachsen deren Geschichte entmythisiert, werden mit sachbezogenen Argumenten liebgewonnene Legenden dorthin verwiesen, wo sie hingehören: ins Reich der Erfindung. Etwa dass die Siedler in eine „Wüste“ gekommen seien, die ausschließlich von ihnen zivilisiert und kulturalisiert worden sei (S. 7-8), dass ihre Kirchenburgen und Wehrkirchen einmalig in Europa seien (S. 119 ff) oder dass die Sachsen das erste allgemeine Schulwesen, später dann gar das erste allgemein verpflichtende Volksschulwesen in Europa aufzuweisen hätten (S. 237 und 251). Auch werden die gegenreformatorischen Bemühungen der Habsburger im 18. Jahrhundert nicht einseitig als bedrohliche Angriffe auf die Glaubensgemeinschaft der evangelischen Sachsen verurteilt, wogegen es sich heldenhaft zu wehren galt, sondern es wird auch darauf hingewiesen, dass die damit einhergehenden habsburgischen Reformen auch den gesellschaftlichen Fortschritt anstießen (S. 251). Ähnliches wird auch im Zusammenhang mit den stets einseitig verteufelten ungarischen Schulgesetzen festgestellt, die zwar die Magyarisierung der nichtungarischen Bevölkerung zum Ziel hatten, dieses jedoch gerade bei den Siebenbürger Sachsen nicht erreichten, dafür aber eindeutig zur Modernisierung ihres veralteten Schulwesens beitrugen (S. 258 f).
Solche Details unterfüttern die Ausgewogenheit von Kroners Geschichtsbetrachtung, wie überhaupt im Buch sehr zahlreich beigebrachte Daten und Fakten die von ihm nachgezeichneten historischen Entwicklungen illustrieren. Das vor allem bei der Behandlung der wirtschaftlichen Leistungen, aber auch bei der Beschreibung der bau- und kunsthistorischen Entwicklung, der geistigen und Kulturleistungen, der Geschichte von Kirche und Schule, die zusätzlich mit der Wiedergabe von Schul- und Kirchenordnungen verdeutlicht wird, sowie des Brauchtums oder der Volkskunst.
Dem Buch, das zudem aufschlussreiches Bildmaterial enthält, hätte man allerdings einen aufmerksameren Lektor gewünscht. Es lassen sich, vor allem in seiner zweiten Hälfte, Entgleisungen finden bei der Satzgliedfolge einerseits und der Zeitenfolge in Satzgefügen andererseits oder bei der Konkordanz von Subjekt und Prädikat, zudem hie und da Nachlässigkeiten im Ausdruck. Auch kleine Sachfehler hätten bei genauerem Hinsehen ausgemerzt werden können, etwa bei Namen wie „Ernst“ statt Erwin Neustädter (S. 168) oder „Alfred“ statt Heinrich Wachner (S. 182). Das alles aber ändert nichts an dem Wert der beiden Bände, die dem interessierten Leser ohne alle Fachsimpelei ein gültiges und in weiten Teilen lebendiges Geschichtsbild vermitteln.
Hannes Schuster
Michael Kroner: Geschichte der Siebenbürger Sachsen. Band II. Wirtschafts- und Kulturleistungen. Verlag Haus der Heimat, Nürnberg 2008, 416 Seiten, ISBN 978-3-00-024223-6. Zu bestellen zum Preis von 19,00 € beim Haus der Heimat, Imbuschstraße 1, 90473 Nürnberg, Telefon: (09 11) 80 02 63 8, E-Mail: hausderheimat-nbg [ät] t-online.de.
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Schlagwörter: Rezension, Kroner, Geschichte
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