26. August 2008

Deutsche Stiftungsprofessur in Fünfkirchen eröffnet

Das kürzlich erschienene Heft 2/2008 der Vierteljahresschrift „Spiegelungen“, die im IKGS Verlag München (IKGS = Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig- Maximilians-Universität München) publiziert wird, dokumentiert in ihrem Eröffnungsteil die feierliche Inauguration der Stiftungsprofessur der Bundesrepublik Deutschland für deutsche Geschichte und Kultur im südöstlichen Mitteleuropa, die am 13. März 2008 an der Universität Fünfkirchen/Pecs, Komitat Branau/Baranya, Ungarn, stattfand.
Das Projekt wird von der Bundesregierung gefördert, die die Einrichtung geisteswissenschaftlicher Stiftungsprofessuren bereits in Olmütz/Olomouc, Tschechien, und in Klausenburg ermöglichte. Ministerialdirigent Dr. Michael Roik, der Kulturstaatsminister Bernd Neumann in Pecs vertrat, hebt in seiner in der Zeitschrift abgedruckten Ansprache hervor: „Die Region, in der heute die Mehrzahl der Ungarndeutschen lebt, ist durch ethnische und kulturelle Vielfalt gekennzeichnet. Die Stiftungsprofessur soll dazu beitragen, die Kenntnis der deutschen Kultur und Geschichte in dieser Region zu vertiefen und die Forschungen darüber zu befördern. Auch die Lehrerausbildung für die deutsche Minderheit ist ein Anliegen, zu dem dieser Lehrstuhl Grundsätzliches beitragen wird.“ Weitere Statements stammen von Prorektorin Prof. Dr. Márta Font, Prof. Dr. Ferenc Fischer, dem Leiter der Lehrstuhlgruppe Geschichte, in die die Stiftungsprofessur eingebunden ist, und von Prof. h. c. Dr. Stefan Sienerth, dem Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München, das, wie in Klausenburg („Deutsche Literatur im südöstlichen Mitteleuropa“), als deutscher Kooperationspartner nun auch die Tätigkeit der Fünfkirchener Stiftungsprofessur für Geschichte begleitet.

Von Prof. Dr. Gerhard Seewann, dem Inhaber der Stiftungsprofessur, ist der Inaugurationsvortrag „Die Geschichte der einen ist nicht die Geschichte der anderen“ zu lesen, der u. a. die Herausarbeitung der Länder und Gruppen übergreifenden Zusammenhänge ungarndeutscher und donauschwäbischer Geschichte insbesondere mit der Geschichte Ungarns, Deutschlands und Europas als eine der wichtigen Zielsetzungen der Stiftungsprofessur herausstreicht. Zsolt Vitári, Assistent am Stiftungslehrstuhl, plädiert in seinem Vortrag dafür, die in Ungarn vernachlässigte multiethnische Perspektive mehr in den Vordergrund zu rücken.

Aus dem Werk der über die Grenzen Rumäniens hinaus bekannten Lyrikerin Ana Blandiana, 1942 in Temeswar geboren, hat Hans Bergel bezeichnende Gedichte ausgewählt und übersetzt sowie in einem Essay, das auch Exegese ist, „Stationen einer persönlichen Annäherung” an dieses Werk behandelt, zu dem er eigener Bekundung zufolge eine besondere Affinität habe. Von dem siebenbürgischen Autor Claus Stephani, der aus seiner Kenntnis jüdischer Volkstraditionen in Rumänien schöpft, stammen besinnlich-poetische „Chassidische Geschichten“, zu denen der Sammler in den Karpaten durch Begegnungen mit dem Mojsche Tscherteser, einem alten Chassiden, angeregt wurde. Ingmar Brantsch teilt rundum „Aphorismen“ aus.

Dass vor vierzig Jahren das Wochenblatt Hermannstädter Zeitung (HZ) gegründet wurde, nimmt Walter Engel, Germanist und ehemaliger Redakteur dieser siebenbürgischen Zeitung, zum Anlass, im Rückblick auf Aspekte der Literaturvermittlung durch die HZ um 1970 einzugehen und deren Beitrag zum Verständnis der literarischen Moderne aufzuzeigen. Hochschullehrer Michael Markel und Peter Motzan, damals Student, gehörten u. a. als Interpreten neuer Lyrik zu den Mitarbeitern.

Befragungen bei einschlägigen Vereinsveranstaltungen karpatendeutscher Jugendlicher in den Jahren 2001 bis 2004 lassen den Freiburger Ethnologen Florian von Dobeneck, der die Ergebnisse auswertete, zu dem Schluss gelangen, dass für sie „Deutschsein als Ressource“ von Belang ist: „Ethnisches Selbstbekenntnis spielt nur dann eine Rolle, wenn es in einem zweckerfüllenden Funktionszusammenhang steht“, heißt es im Resümee des Beitrags in der Rubrik „Ethnologie“. Der bildenden Kunst wendet sich Helmut Erwert zu. Er schreibt über den donauschwäbischen Priester und Bildhauer Josef Elter.

Im „Forum“ der Zeitschrift werden u. a. eine Budapester literaturgeschichtliche Tagung über Ungarn im Deutschland der Zwischenkriegszeit, die in Bad Kissingen abgehaltene Tagung „Rumäniendeutsche Literatur im norwegischrumänisch-deutschen Dialog“, die Czernowitzer Tagung zur Presselandschaft in der Bukowina, eine Potsdamer bzw. Leipziger Veranstaltung über die Deutschen in Bessarabien und das Münchner Symposium zur Rezeption deutscher Musikkulturen in Südosteuropa besprochen. Zu den 15 Neuerscheinungen, die beurteilt und präsentiert werden, zählen neben Sachbüchern, so über Sozialpsychologie (Manes Sperber), über Geschichte und Landeskunde (Rumänien), Kulturgeschichte (Banat, Siebenbürgen) und Literaturwissenschaft (ungarndeutsche Literatur) auch neue Prosawerke (von Mircea Cărtărescu, Carmen Elisabeth Puchianu) und Lyrik (von Herta Müller sowie der aus Odessa stammenden deutsch schreibenden Dichterin Marjana Gaponenko). Berichte und Nachrichten im breitgefächerten Chronikteil beschließen das Heft.

Auslieferung, Vertrieb und Abonnementbetreuung erfolgt über: Intime Services GmbH, Postfach 13 63, 82034 Deisenhofen, Telefon: (0 89) 85 70 91 12. Preis: Einzelheft 6,15 Euro (zuzüglich Porto und Versand), Abonnement 22,50 Euro (einschließlich Porto und Versand).

Schlagwörter: IKGS, Südosteuropa

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