1. März 2009

Schlattner-Roman: Verfilmtes Historiengemälde vorgegaukelt

Kritische Anmerkungen zu Radu Gabreas Verfilmung des Romans von Eginald Schlattner, „Der geköpfte Hahn“, die am Mittwoch, den 4. März, um 23.25 Uhr, und Freitag, den 6. März, um 14.45 Uhr, im Kulturkanal ARTE ausgestrahlt wird (siehe TV-Tipp in der Siebenbürgischen Zeitung).
Künstlerische Freiheit bei der Literatur-Verfilmung ist legitim, denn die Phantasie anregenden Texte lösen bei den Leserinnen und Lesern je eigene Assoziationen und Bilder aus. Ob diejenigen dann enttäuscht sind, wenn sie Texterlebnis und Filmgestaltung vergleichen, ist immer eine subjektive Sache. Zunächst soll keine Buchbesprechung nachgetragen werden; das ist schon aus berufenem Munde geschehen. Mein Blickwinkel richtet sich darauf, ob die Verfilmung das historische Ambiente adäquat einzufangen versteht. Da bleibt ein ambivalenter Eindruck, denn die Rahmenhandlung zeigt eine – nachgespielte – Autorenlesung in Wien, suggeriert, es handele sich um einen autobiographischen Roman, der an historischem Ort verfilmt wurde: nämlich in Fogarasch. Mit Siebenbürgen nicht vertraute Zuschauer werden nicht merken, dass ein großer Teil der Freiluft-Szenen an anderen Orten verfilmt wurde: in der Burg in Schäßburg, in der Kirchenburg in Mediasch, in der Ober- und Unterstadt von Hermannstadt – ja selbst auf der Lügenbrücke. Schließlich dient eine Dorfkirche als Kulisse des Konfirmationsgottesdienstes.

Was mich besonders gestört hat: Die vorgebliche Authentizität wird leider so gut wie gar nicht durch das siebenbürgisch-sächsische Idiom verkörpert, der Nazi-Boss radebrecht sein Gebrüll, der Pfarrer hat einen starken Akzent. Da der Romanautor die historiographische Forschung durchaus verarbeitet hat, ist es bedauerlich, dass der Film an einigen, nicht unentscheidenden Stellen der geschichtlichen Wirklichkeit nicht gerecht wird. Die Übergabe der Schulen wurde nie in Unkenntnis der Pfarrer vor den Schulkindern verkündet. Und jüdische Schüler wurden schon vor der Volksgruppenzeit aus den Schulen verjagt. So entsteht ein Bild, das der differenzierten Situation nicht entspricht.

Trotzdem, der Film hat seine klaren Stärken: Die Zerrissenheit der sächsischen Gesellschaft, der Riss, der durch Familien und Generationen hindurch ging, die Konflikte und die Solidarität, die Konfrontation von „Germanischem“ und dem „Siebenbürgischen“, der gewachsenen Symbiose mehrerer Ethnien, das wird klar erkennbar. Auch, dass die rumänische Gesellschaft ebenfalls unter Antonescu einem autoritären, militaristischen Kurs mehr oder weniger gefolgt war, lässt sich erkennen. Gesellschaftliche Entwicklungen bis hin zu Dekadenzerscheinungen werden sprechend dargestellt. Die Kritik lässt sich darauf verkürzen: Der Film versucht vorzugaukeln, es handele sich um ein verfilmtes Historiengemälde; damit wird es dann doch nicht – trotz allem Bemühen - der geschichtsdeutenden, symbolgesättigten Absicht des Buches gerecht.

Dr. Ulrich A. Wien

Schlagwörter: Schlattner, Film

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Neueste Kommentare

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Artikel wurde 3 mal kommentiert.

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