2. März 2009

Tagung in Bad Kissingen: Flucht aus dem kommunistischen Rumänien

Die von Gustav Binder, einem Siebenbürger Sachsen, geleitete Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen hat sich in Form von Tagungsangeboten kontinuierlich Themen der Vergangenheitsbewältigung angenommen, z.B. zum Umgang mit der kommunistischen Vergangenheit, Kirchen, Politische Prozesse, Bildung und Erziehung, Lebenswelten im Sozialismus, wobei die Verhältnisse in Rumänien und die der Rumäniendeutschen stets besonders berücksichtigt, der zeitgeschichtliche Kontext und die Situation in der Sowjetunion, der DDR und anderen Ostblockländern, aber nie aus den Augen gelassen wurde.
Vom 24. bis 26. April 2009 wird nun zu einer Tagung und Zusammenkunft Betroffener zum Thema „Missglückte Fluchtversuche und geglückte Grenzüberschreitungen aus dem kommunistischen Rumänien“ eingeladen.

Unter den Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben der mittleren und älteren Generation hat jeder im Freundes- und Familienkreis Bekannte, die vor 1990 aus dem sozialistischen Arbeiterparadies Rumänien unter Einsatz ihres Lebens einen illegalen Grenzübertritt, meist nach Jugoslawien, gewagt haben, um in den freien Westen zu gelangen. Manche „Grenzgänger“ wurden dabei erschossen oder ertranken in der Donau.

Der in Troisdorf bei Bonn lebende Banater Landsmann Johann Steiner hatte vor zwei Jahren unter den Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben durch Aufrufe auch in der dieser Zeitung über die rumänische Grenze geflüchtete Personen gesucht und sie um ihre Fluchgeschichte gebeten. Steiner ist fündig geworden und hat ein Netzwerk von Betroffenen gegründet, mit denen einige Treffen zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch durchgeführt wurden. Aus diesem Engagement ist mittlerweile in Buchform eine Dokumentation entstanden (Johann Steiner unter Mitarbeit von Doina Magheți „Die Gräber schweigen“; siehe Rezension von Dr. Michael Kroner in der Siebenbürgischen Zeitung Onlline).

Bereits zwei Jahre zuvor hatte der heute in Bergneustadt lebende Kronstädter Karl-Rudolf Brandsch seine „Flucht aus dem Reich Ceaușescus“ veröffentlicht, worin er seinen 1970 erfolgten illegalen Grenzübertritt beschrieb. Mit dem Sammelband von Steiner und der Monographie von Brandsch sind aber längst nicht alle Fluchgeschichten der Rumäniendeutschen erzählt. Viele Fluchtgeschichten sind nur die Familie oder dem engeren Freundeskreis bekannt. Das Thema ist durch die notwendigen Integrationsleitungen der Geflüchteten (Beruf, Arbeit, Wohnung, Familie) in Deutschland lange zurückgedrängt worden, es gibt kaum einen Austausch mit und unter den Betroffenen. Dennoch müssen diese Erlebnisse und Erfahrungen persönlich und kollektiv aufgearbeitet werden.

Aus diesem Grund lädt die Bildungsstätte Heiligenhof zu einer weiteren Wochenendtagung vom 24. bis 26. April 2009 nach Bad Kissingen ein. Neben den „Grenzgängern“ sind Familienangehörige, Freunde und Bekannte, Nachkommen, die sich über die widrigen Zustände im Sozialismus informieren wollen, willkommen. Es sollen alle persönlichen Schicksale von Geflüchteten, Erschossenen, Ertrunkenen, Verurteilten, Geächteten usw. dokumentiert werden, um den Opfern wenigstens im Gedenken Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sie nicht dem kollektiven Vergessen und Verdrängen anheim fallen zu lassen.

Die Tagung beginnt am Freitagabend und geht bis Sonntagmittag. Die Teilnahme an der Tagung wird voraussichtlich 60 Euro (gegebenenfalls zehn Euro Einzelzimmerzuschlag) und 3,40 Euro Kurtaxe kosten und beinhaltet Unterkunft und Verpflegung sowie Programmkosten. Studienleiter Gustav Binder steht Ihnen gerne für Rückfragen und Anregungen unter folgenden Koordinaten zur Verfügung: Der Heiligenhof, Alte Euerdorfer Straße 1, 97688 Bad Kissingen, Telefon: (09 71) 714 714; E-Mail: studienleiter [ät] heiligenhof.de.

Schlagwörter: Kommunismus, Vergangenheitsbewältigung, Bad Kissingen

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