25. August 2009

„Spiegelungen“ zur politischen Wende vor 20 Jahren

Das Jubiläum der politischen Wende vor zwanzig Jahren in Ostmittel- und Südosteuropa ist 2009 immer wieder auch Anlass, an Ergeb­nisse zu erinnern, die aufgrund der danach ermöglichten neuen Beziehungen zwischen Ost und West nicht zuletzt im Bereich Kultur und Wissenschaft erzielt werden konnten. Die vom Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Uni­versität München (IKGS) veröffentlichte Viertel­jahresschrift „Spiegelungen“ widmet sich in ihrem neuesten Heft (2/2009) dieser Problematik durch Beiträge in ihrer Rubrik „Das aktuelle Thema“.
Unmittelbare Veranlassung war eine Veranstaltung in Klausenburg, wo die dortige Babeș-Bolyai-Universität Ende Mai gleich mehrere Jubiläen beging, die dem Ereignis der politischen Wende zu verdanken waren. Im Rahmen der Feierlichkeiten unter dem Motto „Der Aufbruch nach 1989: 20 Jahre Zusammenarbeit in den deutsch-rumänischen Kultur­beziehungen“ wurde so das 15-jährige Beste­hen des Klausenburger Deutschen Kultur­zentrums gefeiert und das Wirken der vor fünf Jahren eingerichteten Stiftungsprofessur der Bundesrepublik Deutschland für deutsche Lite­ratur im südöstlichen Mitteleuropa gewürdigt, deren Tätigkeit vom Münchner IKGS laufend begleitet worden ist und nun von der Klau­senburger Universität in Eigenregie fortgeführt wird. Die Ansprachen, die der Rektor Andrei Marga, der deutsche Botschafter Roland Loh­kamp und die Ministerialrätin Sabine Deres, Leiterin des Referates Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa beim Beauf­tragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, an die Teilnehmer an dem Festakt richteten, sind in der Zeitschrift in ihrem Wortlaut dokumentiert.

Eine wunderliche, in der Schwebe bleibende Liebesgeschichte, wie sie Schorle, der Schrott­händler, erlebt, erzählt der Siebenbürger Franz Hodjak („Ultimative Musik“). Der aus dem Ba­nat stammende Publizist William Totok (1951 geboren), der in Rumänien seinerzeit als Ly­riker hervorgetreten war, und der Schriftsteller, Essayist und Dichter Richard Wagner (1952 geboren), die beide zu den Gründungsmitglie­dern der oppositionellen literarischen „Aktions­gruppe Banat“ (1972-1975) gehörten, sind im Heft mit neuen Gedichten vertreten, die teils be­reits in den Titeln herkunftsbestimmte thematische Schwerpunkte erkennen lassen, so z. B. „Vertreibung 1“, „Mein Landkartenland“ oder „Ostwestschmerz (2)“ bei Totok, bei Wagner „Die Eltern“. Von ihm sei zudem das Gedicht „Bamberger Apokalypse“ besonders hervorgehoben. Zu Wort kommt in der Zeitschrift auch ein drittes Mitglied der „Aktionsgruppe“, Anton Sterbling (1953 geboren), der mit Hilfe des von ihm rekonstruierten Gruppentextes „Rumäni­endeutsche Dichterkreise“ in die frühe gemeinschaftliche „Produktionsweise“ der Gruppe Ein­blick bietet. Das umfassende Werk des bekannten, im März verstorbenen Dichters und Über­setzers Petre Stoica (1931-2009), der auch manchem rumäniendeutschen Literaten nahe stand, würdigt Walter Engel.

Über die 1973 in Kronstadt geborenen Zwil­lingsbrüder Gert und Uwe Tobias, deren künstlerisches Werk in den vergangenen Jah­ren zu einer der „erfolgreichsten deutschen Kunstpro­duktionen“ avancierte, wie u. a. der HAP- Gries­haber-Preis und eine Ausstellung im Museum of Modern Art in New York, beides 2007, belegen, schreibt der Kulturwissenschaftler Michael Gro­te (Bergen/Norwegen). Er charakterisiert die Holzschnitte und Schreibmaschinenzeichnun­gen der gemeinsam in einem Kölner Atelier wirkenden Künstler, in deren Bildwerken oft auch kunsthandwerkliche Elemente siebenbürgischen Brauchtums unverkennbar sind. In der Rubrik „Literaturgeschichte“ ist von Hans Bergel eine Formstudie der mittelalterlichen siebenbürgisch-sächsischen Mund­artballade „Der Rächer“ (14./15. Jahrhundert) zu lesen.

Eine aus diesem Blickwinkel noch nicht be­handelte Problematik der deutschen Ansiedlung in Ungarn greift der Historiker Karl-Peter Krauss in dem überaus gründlich recherchierten Beitrag „Erben und investieren?“ auf, in dem er analysiert, in welchem Rahmen sich der Geldtransfer im 18. und frühen 19. Jahrhundert aus den Aussiedlungsgebieten nach Ungarn bewegte. Der rumänische Kulturphilosoph und Außenminister der Nachwendezeit, Andrei Ple­șu, stellt in einem von Horst Schuller gewandt übersetzten, leicht ironisch gewürzten Essay Überlegungen über die „Schwierigkeiten der kulinarischen Integration“ an.

Die insgesamt siebzehn Neuerscheinungen, die in der von Peter Motzan redigierten Rubrik diesmal besprochen werden, beschäftigen sich mit einschlägigen Novitäten aus den Bereichen Belletristik, Literatur- und Sprachwissenschaft, Geschichte, Kultur und Gesellschaft. Über Sym­posien und Tagungen, die (in Soest/Westfalen bzw. Bad Kissingen) auf die gegenwärtige Si­tuation der deutschen Minderheiten in Staaten Osteuropas ausgerichtet waren, und über die Ergebnisse donauschwäbisch-serbischer Ge­spräche in Wien berichtet das „Forum“. Zahl­reiche weitere Informationen enthält die „Rundschau“.

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Schlagwörter: Rezension, Zeitgeschichte, IKGS

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