23. August 2009

Grundlagenwerk über Selbstbehauptungskampf der Ungarn Siebenbürgens

Rezension des Buches Franz Sz. Horváth: „Zwischen Ablehnung und Anpassung. Politische Strategien der ungarischen Minderheitselite in Rumänien 1931-1940“, München 2007 (Studia Hungarica 50). Preis: 50,00 Euro, ISBN 3-929906-63-5.
Das vierte Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts war trotz aller Unruhen in Europa eine Periode des Suchens. Das am Ende des Ersten Weltkrieges entstandene Großrumänien orientierte sich zur Demokratie hin, doch die nationalistischen Kräfte setzten sich mit ihren unversöhnlichen Tendenzen immer stärker durch. Diese Kräfte beherrschten zunehmend das politische Leben des rumänischen Königreichs.

Der Zusammenstoß zwischen der Mehrheits- und der Minderheitsbevölkerung wurde unter diesen Umständen vor allem in jenen Regionen Rumäniens immer stärker, die seit 1918 zu Rumänien gehörten. Die umfangreiche Arbeit von Franz Sz. Horváth, gewidmet den politischen Strategien der Siebenbürger Ungarn zwischen 1931 und 1940, leistet einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis dieser unruhigen Periode.

Die Situation der Ungarn in Siebenbürgen änderte sich entscheidend nach dem Weltkrieg: Sie sind über Nacht von einem dominierenden Volk innerhalb der K. und K.-Monarchie zu einer Minderheit geworden, die sich gegenüber der neuen Mehrheit behaupten musste. Das führte insbesondere unter den ungarischen Intellektuellen zu einem starken Widerstand gegen die neue Staatsmacht. In dieser Auseinandersetzung unternahm die dominierende rumänische Mehrheit viel, um die Ungarn auf unterschiedlichen Wegen zu assimilieren. Der Autor zeigt durch eine Vielzahl von Belegen das Ringen dieser Bestrebungen mit dem Willen der ungarischen Minderheit, sich kulturell und politisch autark zu behaupten. Diese Auseinandersetzung bestimmte die politische Entwicklung in Siebenbürgen in jenen Jahren. Im Nationalstaat, der auf der Vervollständigung Rumäniens basierte, war die Mehrheit also mit separatistischen Tendenzen konfrontiert, den Versuchen der ungarischen Minderheit, sich den eigenen Traditionen gemäß zu behaupten. Den nationalistischen und faschistischen Kräften im Rumänien der 1930er Jahre stand letztlich eine ähnlich gefährliche, von Budapest geförderte Richtung seitens der ungarischen Minderheit gegenüber, auch wenn diese sich auf den Wunsch gründete, die eigene Kultur zu verteidigen.

Diese vom Ungarischen Institut München herausgegebene Arbeit zeigt aus der Perspektive der ungarischen Minderheitselite die Strategien auf, die zur Bewahrung der eigenen nationalen Identität entwickelt wurden. Dabei beruht das Werk nicht auf einer einseitigen Quellenauswahl, sondern bettet diese interpretatorisch in eine sehr komplexe historische Periode ein, in jene des Überganges vom Habsburger Vielvölkerreich zu Nationalstaaten, die plötzlich umfangreiche Minderheiten beherbergten. Diese Situation führte zu einer Suche nach Auswegen, die nicht ohne Enttäuschungen bleiben konnte. Die Klagen Ungarns über die territorialen Verluste blieben nicht ohne negativen Einfluss auf die Ungarn in Siebenbürgen, auch wenn diese ihre irredentistischen Träume im Verborgenen hielten. Das Ende des untersuchten Zeitraums bildet der sogenannte „Schiedsspruch“ von Wien (August 1940), der die Rückgabe Nordsiebenbürgens an Ungarn bestimmte. Diese Entscheidung führte nicht zu lebensfähigen Lösungen, sondern vertiefte die Gräben zwischen den beiden Nationen. Der an der politischen Vorkriegsgeschichte Siebenbürgens interessierte Leser kann hier den Druck der faschistischen Kräfte kennenlernen und den nicht immer erfolgreichen Widerstand derjenigen Ungarn, die andere politische Richtungen bevorzugten. Dabei ist es nicht immer leicht einzuschätzen, ob diese demokratische Ziele verfolgten oder eher eine Rückkehr zur einstigen Monarchie befürworteten. Es ist das Verdienst des Autors, den Widerstand der ungarischen Minderheit gegenüber den Vereinnahmungstendenzen Budapests herausgearbeitet zu haben, sie gegen ihren Willen für die Ziele der ungarischen Außenpolitik einzuspannen. Andererseits stand die ungarische Minderheit in Bukarest immer auch unter Verdacht, eine „fünfte Kolonne“ Ungarns zu sein. Mit bemerkenswerter Genauigkeit beschreibt Horváth den beharrlichen Kampf der Ungarn Siebenbürgens um die Selbstbehauptung ihrer eigenen Identität unter Einhaltung der geltenden Gesetze. Dass der Autor dabei zwischen der Zeit der nationalliberalen Regierung und der Phase der Königsdiktatur, die der faschistischen Diktatur voranging, unterscheidet, ist mehr als lobenswert. Die Arbeit analysiert somit alle Phänomene wissenschaftlich und wirft ein neues Licht auf ein sehr vielfältiges Problem, das historische, politische und kulturelle Aspekte aufweist. In seiner Arbeit verhehlt der Autor nicht seine Sympathie für die ungarische Minderheit, der er sich verbunden fühlt. Das Hauptverdienst der Untersuchung besteht in der Zusammenfassung und Interpretation der einschlägigen Quellen, wobei der Autor vor allem die Diskriminierung der Ungarn, aber auch der anderen Minderheiten in Rumänien nachweist.

Die vorliegende Arbeit belegt auch, wie nachteilig die Feindseligkeit beider Nationen in den 1930er Jahren sich auswirkte. Mögen andere Historiker auch der einen oder anderen These des Autors widersprechen, es bleibt das Hauptverdienst dieser Arbeit, die an der Universität Heidelberg als Dissertationsschrift entstand, dass sie ein historisch-legislatives Quellenmaterial aufarbeitet und es (mancherorts womöglich subjektiv) interpretiert. Vermutlich würden Historiker aus Rumänien die rumänische Gesetzgebung dieser Zeit anders (positiver) bewerten. Der rumänischen Zeitgeschichtsforschung eröffnet die Arbeit neue Wege bei der Erforschung einer schwierigen Zeit, deren Spuren bis heute nicht verschwunden sind. Damit legt Horváth den Historikern wie auch der interessierten Öffentlichkeit ein Grundlagenwerk über die Geschichte Siebenbürgens vor dem Zweiten Weltkrieg vor. Das Fazit des gewichtigen Werks wiederum spricht für sich und sollte jedem Leser zu denken geben: Minderheitenrechte können nur in einer Staatengemeinschaft umgesetzt werden, die jedem Mitglied die Achtung von bestimmten Leitnormen vorschreibt. Die Arbeit von Franz Sz. Horváth zollt auf diese Weise den verschiedenen Konventionen Respekt, die von den Mitgliedern des Europäischen Rates unterschrieben wurden.

Zănel Fruchtmann


Schlagwörter: Ungarn, Minderheiten

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